Hauptgeschichte - Teil 8

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Kapitel 13: Ein schrecklicher Zwischenfall

Schnell hatten Sabine und Johnny ihre beiden Patienten am Einsatzort versorgt und entschieden, den in aller höchster Lebensgefahr schwebenden Mann zu fliegen, was seine Freundin nicht verstand.
„Ich... Ich will mit...", rief sie geschockt hinterher, während Johnny und Wollcke die Trage zum Hubschrauber brachten und der Rettungsassistent anschließend bereits die Anmeldung im Krankenhaus übernahm.
Sabine jedoch hatte der Unfallfahrerin Lisa mit beruhigender Stimme erklärt, dass sie erst einmal mit dem bereit stehenden Rettungswagen in die nächste Klinik gefahren wurde. Dort würde Lisa genaustens untersucht und erst, wenn wirklich alles soweit in Ordnung war und keine ernstzunehmenden Verletzungen vorlagen, könnte die junge Frau wieder zu ihrem Freund.
„Machen sie sich keine Sorgen; wir kümmern uns um ihren Freund. Sie werden ihn bald in der Klinik besuchen können. ... Jens, wir fliegen den Patienten ins UKE. Tempo... Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren...", wies die Notärztin den Vater ihrer kleinen Tochter an und Jens nickte bestätigend, während er ins Cockpit der Bell stieg und die Turbinen und Rotoren einschaltete.
Nun - die Klinik war schon fast erreicht - ging es dem Patienten plötzlich wieder schlechter. „Du hast dich doch bisher so gut gehalten.", wandte sich Sabine an den intubierten Patienten und sah angespannt auf das EKG, bevor sie ihren Lebensgefährten fragte: „Jens, wie lange brauchen wir noch in die Klinik?"
Bei dem Patienten sah es sehr schlecht aus.
Sabine vermutete aufgrund des momentan äußerst schlechten Zustandes des Mannes nicht nur eine schwere innere Blutung, die vermutlich von der Leber ausging, sondern auch ein Schädel-Hirn-Trauma und mehrere Rippenfrakturen. Der Blutdruck ihres Patienten schwankte regelmäßig von lebensbedrohlich auf Normalwert und sackte dann wieder in lebensbedrohliche Bereiche zurück, was der Notärztin zusätzlich große Sorgen bereitete.
Anhand der Stimme von Sabine erkannte Jens sofort, dass es wohl sehr schlecht um den Patienten stand. „Wir sind schon am Anschlag, Sabine. In zwei Minuten sind wir da."
Zwei Minuten... Zwei Minuten, die Sabine im Kampf um Leben und Tod immer häufiger wie eine Ewigkeit vorkamen. Zwei Minuten, in denen alles passieren konnte. In denen der Patient sterben könnte, in denen Sabine eine falsche Entscheidung treffen könnte.
„Sabine...", wies Johnny seine Chefin noch einmal auf das abfallende EKG hin und die Notärztin schluckte hörbar. „Wir geben noch mal Null fünf Atropin. Und häng' eine Hyperhaes an. ... Jens, es eilt wirklich...", wandte sich die Ärztin an ihren Lebensgefährten und sah für wenige Sekunden aus dem Fenster, während Johnny das Medikament aufzog und den Infusionsbeutel aus der Tasche holte.
Unter den Kufen der Bell sah ihre Heimatstadt so klein und unbedeutend aus, dachte sich die Notärztin. Die vielen Menschen in der Hansestadt rannten aufgeregt umher; Sabines Hektik schien geradezu von der Notärztin auf die Einwohner ihrer Heimat überzuspringen.
In Sabines Gedanken mischte sich außer der Sorge um ihren Patienten allerdings auch die Sorge um ihre kleine Tochter, die sie im Rettungszentrum allein zurücklassen musste. Als sie ihrem Patienten das Medikament verabreicht hatte, erwischte Sabine sich dabei, kurz an Milena zu denken und für einen Moment die Augen zu schließen.
„Milena, meine süße Kleine...", flüsterte die Notärztin unhörbar und sah auf den kleinen Stoffteddy, den Jens vorn im Cockpit immer bei sich hatte.
Auf dem weißen T-Shirt des kleinen, hellbraunen Teddys war ein Foto von Milena abgedruckt – das allererste Foto des kleinen Mädchens, aufgenommen kurz nach der Geburt. Es war ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk von Sabine an ihren Liebsten und Jens ließ seit dem den kleinen Teddy und somit auch seine kleine Prinzessin Milena immer öfter auf Einsätze mitfliegen.
„Sabine... Sabine, der Beatmungsdruck des Patienten steigt... Da ist Blut im Tubus...", holte Johnnys Stimme die Notärztin aus ihren Gedanken zurück und Sabine sah besorgt auf den wieder abfallenden Blutdruck. „Der Blutdruck fällt... Jens, es eilt wirklich..."
„Wir sind gleich da, Sabine. Da unten ist schon die Klinik... Hamburg Tower, MedEvac 7087 is on short final for UKE.", hörte Sabine die überaus beruhigenden Worte ihres Lebensgefährten, als die Bell endlich auf dem Dach der Uniklinik aufsetzte und die Seitentür aufgerissen wurde. „Der Blutdruck fällt... Wir müssen uns beeilen.", wandte sich Sabine an die beiden Pfleger, die zum Hubschrauber gerannt gekommen waren, um den Rettungsfliegern beim Ausladen der Trage zu helfen.
„Unten ist bereits alles vorbereitet... Unser Oberarzt steht schon bereit...", beruhigte der ältere der beiden Krankenpfleger, der die Trage gerade unter einem kontrollierenden Blick von Sabine aus der Bell hob und auf dem Gestell abstellte.
„OK... Und los.", rief Sabine, Johnny schnappte sich seinen Notfallrucksack und die beiden folgten den Pflegern, die die Trage schon in die Notaufnahme schoben.
„Ich... Ich bin gleich wieder da, Wollcke. Ich muss nur mal kurz... nach meiner kleinen Großen schauen. Vielleicht hat sie schon Besuch von meiner Ex-Frau... Für den Fall der Fälle hab ich meinen Pieper mit.", meldete sich Jens von seinem Kollegen ab und nachdem Wollcke bestätigend nickte und sagte, er würde solange bei Anneliese bleiben, machte sich Jens auf den Weg zu Fiona.

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