Hauptgeschichte - Teil 42

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Kapitel 47: verschwundene Liebe


Maria hatte sich bei ihrer fünf Jahre älteren Schwester Pia einquartiert, die mit ihrem Mann zusammen im mehr als 300 Kilometer von Hamburg entfernten Berlin wohnte.
„Ich kann nicht glauben, dass du einfach deine Tochter im Stich lässt, wenn es ihr so schlecht geht und deine Kleine im Krankenhaus liegt... Du hast dich nach Fionas Geburt so sehr gefreut, als du deine Kleine bei dir hattest und... Und jetzt plötzlich... liebst du deine Tochter nicht mehr, oder was?"
Pia schüttelte beim Bericht ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester Maria ungläubig den Kopf. „Sie kann doch für die verkorkste Zeit seit der Trennung zwischen dir und Jens nichts. Dass du dich von Jens getrennt hast und... mit dessen besten Freund Christian nur ein paar Monate zusammen warst. Und dass er dann mit eurem gemeinsamen Sohn Maximilian plötzlich nach Thüringen abgehauen ist... Und für die Trennung zwischen dir und diesem Frauenarzt kann Fiona auch nichts... Und in deiner Ehe mit Thomas läuft doch alles glatt, Fiona und ihr Halbbruder Jonas sind von Anfang an ein Herz und eine Seele..."
„Aber immer steht meine Tochter im Mittelpunkt der Trennungen; immer dreht sich alles nur um ihre schlechten Beziehungen zu meinen neuen Lebensgefährten. Ich... Pia, ich kann meine Tochter nicht mehr leiden; sie... Sie ist nur noch eine Belastung für mich... Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn Fiona bei ihrer Blinddarmoperation vor ein paar Tagen einfach gestorben wäre. Dann hätte ich sie endlich vom Hals und könnte Thomas... richtig lieben. Ich kann meine Tochter nicht mehr lieben... Sie ist für mich... Ich liebe mein eigenes Kind nicht mehr. Sie ist mir nicht mehr wichtig. Was bin ich denn für eine Mutter? Die sich wünscht, dass ihr Kind tot ist.", weinte sich Maria bei ihrer Schwester aus und wischte sich mit dem Papiertaschentuch die Tränen aus den Augen.
„Ich kann mir vorstellen, dass das alles nicht einfach für dich ist, Maria. Aber... du kannst doch deine Tochter nicht einfach im Stich lassen. Vor ein paar Wochen, als du mit Fiona zusammen hier warst, hast du doch noch so glücklich ausgesehen, als du von Fionas Erfolg erzählt hast. Nichts hat darauf hingewiesen, dass du deine Tochter nicht mehr liebst. ... Maria, kann es sein, dass es alles nur der Schock ist, dass Fiona jetzt plötzlich in so jungen Jahren schon ein Baby bekommt?"
„Nein, es ist nicht nur die Schwangerschaft von Fiona. Ich habe... Diese Gefühle, dass ich meine Tochter nicht mehr lieben kann; dass sie mir zu viel wird... Das habe ich schon eine ganze Weile. Ich habe euch nur nie etwas gesagt oder zeigen wollen. Ich wollte das einfach mit mir alleine ausmachen... Aber ich schaffe das nicht, Pia. Ich schaffe das einfach nicht..."
„Kannst du nicht einfach Jens bitten, dass er Fiona bei sich aufnimmt? Immerhin ist Jens der Vater von Fiona und hat auch eine Verantwortung eurer Tochter gegenüber... Und wie ich ihn kenne, wird er die Verantwortung auch ganz bestimmt ernst nehmen. Er liebt eure kleine Fiona doch über alles; dass du sie damals mitgenommen hast, war für ihn das Schlimmste...", schlug Pia vor und Maria schüttelte den Kopf.
„Nein... Ich kann meinen Ex-Mann doch nicht bitten, auf Fiona aufzupassen. Dann würde Jens doch sofort erkennen, dass ich nicht fähig bin, mich um unsere gemeinsame Tochter zu kümmern. Ich... Ich will Fiona nicht für immer verlieren. Ich liebe die Kleine doch; sie ist mein erstes Kind...", weinte Fionas Mutter und betrachtete das Foto ihrer Tochter, das sie in ihrem Portmonee immer dabei hatte.
„Du sollst Fiona auch nicht verlieren, Maria. Jens soll sich nur für eine gewisse Zeit um eure Tochter kümmern. Und du machst währenddessen eine Therapie... Ich verspreche dir, ein bisschen Abstand vom Familienleben wirkt Wunder und in ein paar Wochen kannst du es dann gar nicht mehr erwarten, deine Tochter wiederzusehen und sie in deine Arme zu schließen..."
„Aber... Was ist, wenn... Was ist denn, wenn Fiona doch noch stirbt? Dann habe ich sie in den letzten Minuten ihres Lebens im Stich gelassen. Was bin ich denn für eine Mutter? Ich liebe meine Tochter doch über alles. Aber sobald ich Fiona auch nur von weiten irgendwo erkenne, dann... Dann würde ich am liebsten verschwinden, damit sie mich nicht erkennt und zu mir kommt.", erklärte Maria und ihre große Schwester Pia nahm die verzweifelte Mutter in den Arm.
„Hey... Maria, das kriegen wir wieder hin. Versprochen. ... Bald wirst du deine Tochter so sehr vermissen, dass du es nicht mehr ohne sie aushältst. Und dann freut ihr euch gemeinsam auf das Baby. ... Sag mal, hast du nicht auch noch die alten Anziehsachen von Fiona im Keller? Und den Kinderwagen, in dem schon Fiona, Maximilian und Jonas spazieren gefahren sind? Den könntest du doch schon mal sauber machen...", schlug Pia vor, doch Maria schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich will mit dem Baby von Fiona nichts zu tun haben. Klar zum Geburtstag oder zu Weihnachten bekommt das Baby ein kleines Geschenk von mir. Aber ich kann es ein-fach nicht nicht aushalten, mit diesem Baby in einem Haus oder einer Wohnung zusammen zu leben."
„Dann solltet ihr noch vor der Geburt des Kleinen eine Lösung finden, die es Fiona ermöglicht, mit ihrem Baby zusammen zu sein.", widersprach Pia ihrer Schwester. „Du kannst auf keinen Fall von deiner Tochter erwarten, ihr Baby wegzugeben."
„Das wird sie sowieso nicht machen. Ich kenne meine Tochter doch...", schluchzte Maria und wischte sich erneut die Tränen aus den Augen. „Fiona wird es aber mit dem Baby nicht schaffen. Alleine mit einem Kind. Ich habe doch gemerkt, wie schwer sie es sich mit der Entscheidung für ihr Baby gemacht hat. Am liebsten hätte sie in die Abtreibung eingewilligt und sie auch schnell hinter sich gebracht. Aber Jens hat sie dazu gedrängt, dieses Baby zu behalten. Jens und sein Kollege, dieser Wollcke."
Mit einem abfälligen Tonfall erzählte Maria schon wieder nicht ganz die Wahrheit und Pia merkte sofort, dass das schon wieder nicht zustimmen schien. Schließlich kannte sie ihre mittlerweile sechzehnjährige Nichte sehr gut und wusste, wie liebevoll das damals zehnjährige Mädchen mit ihrem kleinen Bruder Jonas nach dessen Geburt umgegangen war.
„Und als Jonas auf die Welt kam war Fiona nicht sie selbst, oder was? Du hast doch genau gemerkt, wie sehr sich Fiona über ihren kleinen Bruder gefreut hat und wie liebevoll sie mit dem Baby umgegangen ist." „Aber sie hat auch gemerkt, wie anstrengend das Leben mit einem Baby sein kann. Und vor allem hat sie mitbekommen, wie schwierig so eine Geburt sein kann.", wandte Maria ein und ihre Schwester schüttelte energisch den Kopf und hielt dagegen, sie wäre sich sicher, dass Fiona sich auf ihr Baby freuen würde.
„Ich kenne doch meine Tochter; sie war von Anfang an in meinem Bauch. ich habe Fiona damals auf die Welt gebracht. Ich habe Fiona von Klein auf bei mir gehabt, ich habe die Kleine großgezogen. Sie ist doch mein Kind... Jens hat sich damals kaum um unser Kind gekümmert; er wollte nie etwas von Fiona wissen...", widersprach Maria ihrer Schwester noch einmal und versuchte, sie davon zu überzeugen, dass einzig eine Abtreibung für die Sechzehnjährige in Frage kam, doch Pia schüttelte erneut den Kopf.
„Ich kann mir aber trotzdem nicht vorstellen, dass Fiona wirklich ihr Baby abtreiben wollte. Sie wird das Kind in einigen Monaten bekommen wollen. Denk doch bitte einmal daran, dass deine Kleine Mutter werden will. Sie liebt dieses kleine Wesen, das in ihrem Bauch heranwächst, ganz sicher jetzt schon.", versuchte Pia ihre fünf Jahre jüngere Schwester dazu zu bewegen, sich auf ihren Enkel einzulassen. „Sie möchte bestimmt ihr Baby gern behalten. Wenn du deiner Tochter ihr Baby aber einfach wegnehmen willst... Dann wird sie dir mit Sicherheit nicht mehr vertrauen. Mehr noch; sie wird den Kontakt zu dir vermutlich sogar abbrechen, um ihr Kind nicht zu verlieren. Denk bitte an deine Tochter und nicht nur an deinen Ex-Mann und die verkorkste Ehe von damals. Daran hat Fiona keine Schuld..."
„Ich gebe Fiona doch auch keineswegs die Schuld an unserer verkorksten Ehe; Jens und ich haben einfach von Anfang an nicht zusammen gepasst. Aber... Dass Fiona jetzt... mit sechzehn Jahren... schon ihr Leben wegwerfen will und... Und dieses Baby..."
„Sie weiß mit Sicherheit, was sie tut, Maria. Fiona ist sechzehn Jahre alt; sie ist fast erwachsen. Lass ihr bitte die Chance, ihr Baby zu bekommen und ihre eigenen Erfahrungen mit ihrem Kind zu machen. Fiona wird ihr Baby mit Sicherheit genauso sehr lieben, wie du deine Kinder liebst. Und wie ich gesagt habe, Jens wird Fiona vor, während und vor allem nach der Geburt unterstützen, so gut er eben kann...", versprach Pia ihrer Schwester und lächelte Pia freundlich zu, bevor das Handy der dreifachen Mutter klingelte.
'Thomas', stand auf dem Display zu lesen, doch Maria schaltete, ohne den Anruf ihres Ehemannes anzunehmen, sofort ihr Handy aus.
„Warum willst du nicht mit Thomas sprechen? Vielleicht geht es um Fiona, der es schlechter geht... Oder mit Jonas ist irgendwas nicht in Ordnung...", fragte Pia, doch Maria schnappte sich wortlos ihre Tasche und verließ das Haus ihrer Schwester mit einem lauten Türenschlagen.



Währenddessen hatte der SAR 71 nach einer kurzen Kaffeepause einen neuen Einsatz rein bekommen – eine junge Frau wäre von einem Hund angegriffen und schwer verletzt wurden.
Das am Unfall schuldige Tier würde sich noch immer am Unfallort befinden und war den bereits eingetroffenen Polizisten nach noch immer hoch aggressiv.
„Und wie sollen wir uns jetzt um die Patientin kümmern, wenn... Wenn immer noch dieser Hund am Unfallort herum kläfft und sich nicht beruhigt.", fragte Johnny, als unter Annelieses Kufen bereits der ausgekundschaftete Landeplatz zu sehen war.
Um den Unfallort herum standen die Polizeiwagen und sperrten die Straße, um den Rettungsfliegern eine Versorgung der Patientin zu ermöglichen.
„Dann müssen die Polizisten einfach ihre Arbeit machen und den Hund ruhig stellen. Im Notfall müssten die Polizisten den Hund erschießen.", wusste Kettwig.
Doch ein einziger Blick auf den Mischling zeigte dem Vertretungspiloten Christoph Frischner, dass es sich bei dem Hund keineswegs um ein gefährliches Tier handelte.
„Warten sie kurz... Ich kümmere mich um den Hund... Meine Mutter hat schon seit Ewigkeiten eine Hundezucht; ich bin sozusagen mit Hunden aufgewachsen... Dieses Tier ist keineswegs gefährlich...", erkannte der Pilot, schaltete die Rotoren von Anneliese aus und stieg vorsichtig aus dem Cockpit.
„Seien sie bloß vorsichtig...", warnte Kettwig den Vertretungspiloten und Major Frischner nickte kurz, bevor er sich mit langsamen Schritten dem nervös kläffenden Hund näherte.
„Hallo... Hey, was machst du denn... Wir wollen deinem Frauchen nichts tun... Pschhht, beruhige dich. Wir tun deinem Frauchen gar nichts Böses. ... Hallo, komm mal her.", sprach der Major auf den Hund mit beruhigender Stimme ein und das Tier beruhigte sich langsam und lief, seine Leine immer noch hinter sich her schleifend, auf den Piloten zu.
Mit leise winselnden Lauten gab der Hund eine vorsichtige Entschuldigung von sich und Major Frischner streichelte dem Tier behutsam über das weiche Fell.
„Na, was hast du denn gemacht? Hast du deinem Frauchen wehgetan? ... Keine Angst, der Doktor kümmert sich jetzt um dein Frauchen...", beruhigte der Pilot den Hund und streichelte ihm immer noch ganz vorsichtig durch die braune Mähne.
Ein herbei geeilter Polizist, der sich die Leine des Tieres schnappen wollte, wurde allerdings sofort angeknurrt und er zog schnell seine Hand wieder weg.

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