Hauptgeschichte - Teil 46

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Kapitel 51: wachsende Gefühle


Während sich Jens an diesem Morgen noch immer große Sorgen um Fiona machte und am liebsten schon vor dem Frühstück ins Krankenhaus gefahren wäre, kümmerte sich Sabine um die kleine Milena, die um halb Zehn noch immer in ihrem Kinderbettchen lag.
„Unsere kleine Maus hat uns beide heute Nacht aber ganz schön auf Trab gehalten. Ich hoffe, das ändert sich noch, bevor Fionas Baby auf die Welt kommen wird. Sonst haben wir ganz schön viel Ärger, wenn dein Enkelkind brüllt und Milena auch noch nicht wirklich schlafen will...", seufzte Sabine und Jens nickte zustimmend.
„So unruhig war Fiona aber auch immer, als sie noch ein kleines Kind war und in den Kindergarten ging. Da hat meine Süße auch immer nach Mama und Papa gerufen; besonders gern, wenn sie langsam wieder einmal krank wurde und sich nicht wohl fühlte. Wir wussten immer vorher, wenn die Kleine krank wird.", erinnerte sich der Pilot an die Kindheit seiner großen Tochter.
Oft hatte er damals, nach der Scheidung, daran gedacht, das Urteil des Familiengerichts anzufechten und dafür zu sorgen, dass seine Tochter doch bei ihm aufwachsen dürfte. Aber durch den fehlenden Rückhalt seiner Mutter und seines Stiefvaters hatte er sich dann doch immer dagegen entschieden und zum Schluss hatte er versucht, zu vergessen, dass er eine Tochter hatte.
„Ich habe mir manchmal, wenn wir Patienten im Alter von Fiona hatten, vorgestellt, wie ich reagiert hätte, wenn es meine Tochter wäre. Oft habe ich mir sogar gewünscht, es wäre Fiona, damit ich sie endlich wiedersehen kann.", erzählte Jens seiner Lebensgefährtin und Sabine nahm ihren Lieblingspiloten in die Arme.
„Hey... Du kannst Fiona jetzt zu jeder Tages- und Nachtzeit sehen. Sie wartet in der Klinik auf dich. Und sobald sie wieder zu sich gekommen ist und halbwegs klar denken kann, können wir ihr vorschlagen, dass sie wenigstens bis zur Geburt ihres Babys bei uns wohnen kann. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Fiona das ablehnt. ... Du wirst bald deine Große wieder um dich haben...", wusste die Notärztin und hob ihre neun Monate alte Tochter Milena aus dem Kinderbett. „Na, komm mal raus. Du verschläfst noch den ganzen Tag, Milena."
Das müde Glucksen ihrer gemeinsamen Tochter war das einzige, was Sabine und Jens hörten, als die Kleine auf dem Arm ihrer Mutter saß und gähnend in die Welt schaute.
„Die ganze Nacht lang hast du Radau gemacht und wolltest nicht schlafen. Und jetzt bist du müde und würdest am Liebsten noch zwanzig Jahre in deinem Bettchen liegen bleiben. Dich muss man auch nicht verstehen, Milena.", fiel Sabine auf und sie lächelte ihre Tochter liebevoll an, während Jens bereits aus dem Schrank der Kleinen frische Kleidung für das Mädchen herausholte.
Dabei fiel ihm ein Strampler in die Hände, den Milena ganz bestimmt nicht getragen hatte. Und bei der näheren Betrachtung erkannte der Pilot, dass an dem Strampler auch noch das Preisschild hing.
„Sabine? ... Hast du den für Milena gekauft und der Kleinen nie anziehen wollen?", erkundigte er sich bei seiner Lebensgefährtin, doch Sabine schüttelte kurz den Kopf und antwortete: „Den habe ich für jemanden gekauft, der ganz bestimmt bald hier wohnen wird..."
„Für Fionas Baby?", wollte Jens wissen und Sabine nickte. „Ganz genau. ... Als ich einkaufen war, da fiel mir der Strampler in die Hände. Und da musste ich den unbedingt kaufen. Als kleines Willkommensgeschenk für Fionas Baby, wenn es auf die Welt kommt..."
Den mit einem großen roten Herz liebevoll bedruckten, hellgrünen Strampler betrachtete Jens mit einigen kleinen Tränen in den Augen. „Das... Das hast du für Fionas Baby gekauft, obwohl du noch nicht wusstest, ob das Kleine überhaupt überlebt?"
„Ich habe gehofft, dass das Kleine überleben wird. Und dann habe ich mir gedacht, dass Fionas Baby nicht nur das Kind deiner Tochter ist, sondern auch dein Enkelkind. Ab dem Moment war ich mir sicher, dass bald nicht mehr unsere Milena hier die jüngste sein wird, sondern das Baby deiner Tochter...", erklärte sich Sabine und sie deutete auf ein kleines Fotoalbum, das in Milenas Regal stand. „Fiona wird bestimmt ein Fotoalbum für dein Enkelkind anlegen wollen. So wie wir es für unsere kleine Milena getan haben."
„Kann es sein, dass dich das irgendwie doch sehr mitnimmt? Ich meine, die Geschichte von Fiona und dem Baby... Du bist schließlich die Stiefmutter von Fiona, mehr nicht.", definierte Jens die familiäre Beziehung zwischen Fiona und seiner Lebensgefährtin, bevor Sabine konterte: „Und nicht einmal das... Wir sind nicht verheiratet, Jens. Denk daran. Ich bin immer noch nur die Lebensgefährtin von Fionas Papa... Also nicht einmal die Stiefmutter von deinem großen Mädchen."
„Das werden wir aber ganz sicher bald ändern, Sabine.", war sich Jens schnell sehr sicher und er gab seiner Liebsten einen liebevollen Kuss, bevor er der blonden Notärztin ihre gemeinsame Tochter aus dem Arm nahm. „Jetzt kümmern wir uns aber erst einmal um dich, Milena. Du kannst ja nicht den ganzen Tag im Schlafanzug hier durch die Wohnung sausen."
„Sie saust auch noch nicht durch die Wohnung, Jens.", erklärte Sabine und als Milena endlich ihre Augen gähnend aufschlug und neugierig in die Welt um sich blickte, gluckste das kleine Mädchen fröhlich. Dass sie endlich wieder zu Hause war und nicht mehr im Krankenhaus liegen musste, schien Milena erst jetzt so richtig mitbekommen zu haben und die Kleine strampelte lustig glucksend mit ihren kurzen Beinen.



Im Rettungszentrum war Jan Wollcke währenddessen schon seit halb sieben damit beschäftigt, den Hubschrauber für den ersten Einsatz klar zu machen, als sich gegen halb zehn der Kommodore dem Zentrum näherte.
„Guten Morgen, Herr Stabsfeldwebel...", grüßte der Kommodore und Wollcke grüßte salutierend zurück, bevor er von Annelieses Dach stieg.
„Was macht unsere Dicke?", erkundigte sich Brandt und Jan, der am liebsten wieder vorgeben würde, an seine Arbeit zu müssen, um nicht mit dem Chef zu sprechen, winkte ab. „Sie ist noch nicht für den ersten Abflug bereit. Wir sind noch ausgemeldet, anscheinend ein kleiner Schaden am Hauptrotor, den ich bisher weder finden, noch beheben konnte. Aber das ist nicht der Rede wert. ... Was verschafft uns denn eigentlich die Ehre ihres Besuches, Herr Oberst? Eine Routineinspektion?"
„Nein... Nein... Ich wollte mit ihnen sprechen, Herr Stabsfeldwebel.", gab der Kommodore von sich und Wollcke wich augenblicklich alle Farbe aus dem Gesicht.
„Machen sie sich keine Sorgen, es ist nichts wegen ihnen. Ich wollte nur mit ihnen sprechen wegen Jens. Er kommt ja bald wieder auf den SAR zurück...", begann der Oberst und Wollcke konnte sich immer noch beim besten Willen nicht vorstellen, was Brandt von ihm wollte.
Zustimmend nickte der Bordtechniker, bevor der Kommodore des LTG 63 fortfuhr: „Ich habe durch Zufall erfahren, dass Fiona... Die Tochter von Major Blank... wieder aufgetaucht ist."
„Ja, das ist ganz richtig. Fiona ist bei einem Ausflug mit ihrer Klasse zum Hauptbahnhof dort zusammengebrochen und wir haben sie ins Krankenhaus geflogen, wo sie momentan immer noch liegt. Aber deswegen kommen sie doch nicht extra aus Hohn hierher nach Hamburg, oder?", wollte Jan verwundert wissen, doch Brandt konterte sofort mit energischer Stimme: „Doch, genau aus diesem Grund komme ich hierher. Wissen sie, ich bin der Patenonkel von Fiona. Und ich habe als letzter erfahren, dass sie wieder Kontakt zu ihrem Vater haben kann. Eigentlich könnte ich jetzt sehr sauer auf Jens sein..."
„Er konnte ihnen ja dank seines Zusammenbruchs nichts von Fiona erzählen.", verteidigte Wollcke seinen besten Freund dem Kommodore gegenüber, als plötzlich das Handy des Oberst klingelte.
„Sie entschuldigen mich kurz?", deutete der Oberst und Wollcke entfernte sich von seinem Chef, blieb aber vor dem Eingang des Rettungszentrums noch stehen.
„Ah, Oberstleutnant Deffke...", grüßte er das Schoßhündchen des Kommodore und grinste frech, was Deffke wohl gar nicht gefiel und er ließ Wollcke dies auch sogleich spüren.
„Sie brauchen nicht zu grinsen, Herr Stabsfeldwebel...", erklang die strenge Stimme des Oberstleutnanten und Wollcke salutierte: „Zu Befehl..."
„Ihnen wird das Grinsen schon noch vergehen, wenn sie den wahren Grund für unseren Besuch kennen...", warnte Deffke den Bordtechniker und ließ Wollcke ohne ein weiteres Wort vor dem Rettungszentrum stehen, während er selbst das Gebäude betrat.

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