Hauptgeschichte - Teil 25

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Kapitel 30: Verschlechterungen


Durch Zufall hatte Thomas von der Einlieferung seines Sohnes in die Klinik erfahren und saß nun bei dem Sechsjährigen, der wegen seiner frisch operierten Unterschenkelfraktur wohl noch mindestens zwei Wochen im Bett liegen bleiben musste.
„Was machst du denn für Sachen, Jonas? Du kannst doch nicht einfach... in ein Auto laufen. Wo wolltest du denn hin?", wollte Thomas wissen und sein Sohn versuchte, sich in seinem Bett hinzusetzen.
Doch durch die Medikamente, die der Kleine bekommen hatte, war er sehr geschwächt und konnte sich auch unter großer körperlicher Anstrengung nicht hinsetzen.
„Ich wollte zu Fiona. Aber Mama hat gesagt, wir fahren nach Hause und ich darf Fiona jetzt erst mal nicht mehr sehen. Weil das Baby tot ist und Fiona... deswegen noch eine ganze Weile hier in Hamburg im Krankenhaus bleiben muss. Aber ich wollte zu meiner großen Schwester... Ist das Baby von Fiona wirklich tot?", fragte der Sechsjährige traurig und sein Vater schüttelte den Kopf.
„Nein... Wie kommt Mama denn darauf? Nein, das Baby von Fiona lebt. Fionas Bauch ist doch für das Baby ein ganz sicherer Ort; der sicherste, den es für das Kleine gibt... In ein paar Monaten wird uns dann deine große Schwester anrufen und uns erzählen, dass das Baby auf die Welt gekommen ist..."
„Aber Mama hat mir gesagt, dass Fiona ganz schnell vom Doktor operiert werden musste. Weil Onkel Christian nach Fiona geguckt hat und... Und gesagt hat, dass das Baby tot ist... Und dass dann das Baby aus Fionas Bauch genommen wurde.", berichtete der Junge und noch einmal konterte Thomas mit behutsamer Stimme, dem Baby der Sechzehnjährigen ginge es gut.
„Mach dir keine Sorgen, Jonas. Fiona musste zwar operiert wurden, aber... Weißt du, deine große Schwester hatte ganz große Schmerzen im Bauch... Schon eine ganze Weile. Aber sie hat uns nichts deswegen gesagt. Und als es ihr immer schlechter ging... Da hat der Arzt deine Schwester untersucht und ist zu dem Entschluss gekommen, dass Fiona operiert werden muss."
„Aber... Mama hat mir doch gesagt, dass... Dass der Arzt das Baby aus Fionas Bauch rausgeholt hat... Und dass Fiona deswegen länger im Krankenhaus bleibt. ... Onkel Christian hat doch auch gesagt, dass Fionas Baby tot ist, Papa. Du lügst... Fionas Baby ist tot!", brüllte der Kleine seinen Vater an, doch Thomas legte Jonas seine Hand auf den unverletzten Arm.
„Hey, Jonas... Mach dir keine Gedanken um Fionas Baby... Das Baby ist noch in Fionas Bauch. Michael und Karin sind jetzt auch da und kümmern sich um Fiona. ... Du brauchst um deine große Schwester keine Angst zu haben, Jonas. Bald wird Fiona wieder auf die Beine kommen und dann... Dann wirst du Onkel... Und ich Stiefpapa...", versprach Thomas seinem Sohn und der Sechsjährige schluckte kurz.
„Wirklich?", fragte er erschrocken und leicht verunsichert schauend. „Aber ja doch, Jonas.", bestätigte Thomas, als sich die Zimmertür von Jonas öffnete und Karin mit der kleinen Klara auf dem Arm herein trat.
„Tante Karin! Klara!", freute sich der Sechsjährige und begrüßte Karin, die Klara ihrem Kollegen in den Arm drückte, mit einer freudigen Umarmung. „Tante Karin! Warum bist du denn hier?"
„Thomas hat Michael angerufen, dass es Fiona nicht gut geht und sie im Krankenhaus liegt. Und deswegen sind Onkel Michael und ich mit der Kleinen ganz schnell hierher gefahren. Und als ich vorhin erfuhr, dass du jetzt auch noch im Krankenhaus liegst, da hab ich mir Klara geschnappt und bin ganz schnell hierher gekommen. ... Wie geht es dir denn, Jonas?"
„Gut... Der Dr. Kettwig... hat sich ganz toll um mich gekümmert. Und der Dr. Biedenstedt ist auch ein ganz Lieber... Mir geht es wieder viel besser. Und mein Arm und mein Bein tun auch nicht mehr weh..." Jonas deutete auf seinen verletzten rechten Arm und sein eingegipstes linkes Bein. „Dr. Kettwig hat mir nämlich eine Spritze gegeben, dass die Schmerzen weggehen..."

Der Tag war für die Rettungsflieger nach Jonas' Autounfall und der anschließenden Landung am Rettungszentrum Wandsbek sehr ruhig verlaufen. Zum Nachmittag konnten sich Wollcke, Johnny und Oberstarzt Dr. Kettwig deswegen ein wohlverdientes Stück Kuchen schmecken lassen.
„Wer wäscht das Geschirr denn heute ab?", deutete Johnny auf den Berg Geschirr in der Spüle und als Homann in den Aufenthaltsraum gesprintet kam, deutete Wollcke mit dem Blick auf den Obergefreiten.
„Da ist doch schon unser erster Kandidat... Homann, wir haben für dich einen großartigen Auftrag... Einen fast schon überlebenswichtigen, wenn du mich fragst..." Wollcke zeigte auf das Geschirr und sah dann Homann an: „Du würdest uns einen riesen Berg Arbeit abnehmen, Homann..."
„Einsatz..." Johnny, Oberstarzt Dr. Kettwig und Wollcke sprangen sofort auf, als der Einsatzalarm durch das ganze Rettungszentrum zu hören war.
Während der Notarzt und der Bordtechniker auf direktem Wege zu Anneliese rannten, wo bereits die Vertretung von Jens wartete, lief Johnny noch am Funkraum vorbei und holte die Depesche.
„Sturz von einer Leiter, Person nicht ansprechbar...", las Johnny von der Depesche vor, als er zu Kettwig auf seinen Platz im Rumpf der Bell sprang und die Tür hinter sich schloss. „Rahlstedt..."
„OK, machen wir... Hamburg Tower, MedEvac 7172 is airborne at Wandsbek, inbound Rahlstedt...", gab der Vertretungspilot an die Flugleitung durch und schon stieg Anneliese in die Luft.
Während des Fluges zum Einsatzort schien Johnny nicht ganz bei der Sache zu sein; der Rettungsassistent sah nur teilnahmslos aus dem Fenster und seufzte.
„Ist alles in Ordnung, Johnny?", fragte Wollcke, als er sich kurz zu seinem Kollegen und Freund umdrehte; Johnny nickte nur und erwiderte, es wäre alles in Ordnung.
„Bist du dir da wirklich sicher, ob alles mit dir in Ordnung ist?", wollte Wollcke wissen und Johnny nickte genervt. „Ja... ich bin mir sehr sicher, Wollcke. Es ist alles vollkommen in Ordnung... Konzentriere du dich auf deinen Job...", fauchte der Rettungsassistent den Bordtechniker an. „Ich komme sehr gut ohne deine Fragen zurecht... Kümmere dich um den Stadtplan..."

Mit besorgtem Blick musterte Michael die noch immer im künstlichen Koma liegenden Fiona, die kaltschweißig und anscheinend leicht fiebernd vor ihm im Bett lag.
„Fiona, Kleines... Was hast du denn nur? Warum geht es dir denn plötzlich so viel schlechter? Du hast doch die OP gut hinter dich gebracht. Und jetzt... Süße, du musst doch wieder auf die Beine kommen...", flüsterte er behutsam und streichelte über die Hand der Sechzehnjährigen.
Dr. Bleichmann, der behandelnde Arzt von Fiona, hatte der Schülerin erst vor wenigen Minuten ein wenig Blut abgenommen, doch bisher hatte sich wohl das Labor nicht mit den Ergebnissen gemeldet.
Michael, der selbst Arzt war, atmete tief durch und setzte sich zu der wohl sehr erschöpften Sechzehnjährigen ans Bett, als sich die Zimmertür öffnete und Fionas Vater das Zimmer betrat.
„Fiona... Was ist mit ihr?", fragte Jens, der sich zu seiner Tochter ans Bett stellte, mit einem sorgenvollen Blick auf die Schülerin. „Was hat die Kleine denn?"
„Fiona geht es im Moment nicht besonders gut... Sie ist leicht fiebrig... Die Kollegen haben bereits alle möglichen Untersuchungen angeordnet. ... Aber ich habe mich ihnen noch gar nicht vorgestellt... Dr. Michael Lüdwitz, der beste Freund von Fionas Stiefvater Thomas."
„Jens Blank... Fionas leiblicher Vater...", stellte sich Jens vor und sah dann wieder auf seine Tochter. „Was ist denn nur passiert? Es ging ihr doch schon wieder viel besser. Und jetzt... Warum ist sie denn schon... Warum hast sich denn schon wieder ihr Zustand verschlechtert?"
„Was mit ihr los ist, wissen wir leider noch nicht, Herr Blank. Aber machen sie sich keine Sorgen; wir werden bald wissen, was Fiona fehlt. ... Die Kleine wird bald wieder gesund...", beruhigte Michael den leiblichen Vater von Fiona und legte seine Hand auf Jens' Schulter. „Fiona kann mit Sicherheit bald wieder nach Hause."
„Und warum geht es ihr dann so schlecht? Ich sehe doch, dass irgendwas mit Fiona nicht in Ordnung ist...", bemerkte Jens und sah seine Tochter besorgt an. Die Schülerin, die bewusstlos vor ihrem Vater lag, sah für den Piloten aus, als wäre sie tot. Bewegungslos und mit einem langen Schlauch im Hals lag sie da und ihr Brustkorb hob und senkte sich nur durch die Beatmung.
„Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie sich um Fiona wohl große Sorgen machen. Ich bin selbst zweifacher Vater; mein Sohn Dirk ist achtzehn und meine kleine Klara ist knapp ein Jahr alt. Aber... Die Kollegen hier haben alles unter Kontrolle. ... Fiona geht es bestimmt bald wieder besser. Versprochen. Und dann kann sich auf die Geburt ihres Babys freuen.", versprach Michael und versuchte, Fionas Vater wenigstens den Großteil der Sorgen um die Sechzehnjährige zu nehmen.

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