Hauptgeschichte - Teil 14

145 0 0
                                    

Kapitel 19: Ein Besuch mit Folgen

„Hallo Papa..." Vorsichtig betrat Fiona, die sich aus ihrem Zimmer und auf die Intensivstation geschlichen hatte, das Krankenzimmer ihres Vaters.
„Fiona... Was machst du denn hier?", ermahnte Jens seine Tochter, die sich zu ihm setzte und kurz ihr Gesicht schmerzerfüllt verzog. „Ich... Aua... Ich wollte zu dir, Papa. ... Sabine hat mir erzählt, dass es dir nicht gut geht. Und da hatte ich Angst um dich... Was ist denn nur passiert?"
Ängstlich betrachtete Fiona die vielen Geräte, an die ihr Vater angeschlossen war, und verzog dann wieder ihre Miene, sodass Jens sofort sah, dass seine Tochter wohl Schmerzen hatte.
„Ist alles nicht so besonders schlimm gewesen... Wahrscheinlich war es einfach nur ein wenig zu viel Stress für mich in den letzten Tagen... Deine Schwester und dann der Zusammenbruch von dir... Deine Schwangerschaft... Mach dir keine Sorgen, Schatz... Es geht mir schon wieder viel besser. Besonders, wenn du bei mir bist. ... Sag mir lieber, was mit dir los ist..."
„Ich... Ich bin in Ordnung.", versicherte die unter starken Schmerzen leidende Fiona und hielt sich verkrampft den Bauch, bevor sie sich nach vorn beugte. „Es ist nur... vielleicht eine schlechte... Idee gewesen... hierher zu kommen. Ich... Ich hätte in meinem... Bett bleiben sollen..."
„Fiona, Süße..." Besorgt betrachtete Jens seine Tochter und nahm ihre Hand. „Was hast du denn?" „Ich... Ich weiß es nicht, Papa... Ich... Es tat plötzlich... so weh... im Bauch... Ich... Das... Das ist bestimmt... Das ist bestimmt jetzt mein Baby... Ich merke das... Mein Baby stirbt gerade in meinem Bauch...", keuchte die Sechzehnjährige und voller Sorge griff Jens zur Notrufklingel.
„Ganz ruhig, Fiona. Gleich kommt jemand und hilft dir... Ganz ruhig, mein kleiner Schatz... Es ist gleich jemand da, der dir hilft...", erklärte der Pilot und schon betrat eine Krankenschwester das Zimmer, bevor sie Fiona erblickte und sofort den diensthabenden Arzt anpiepte.
„Herr Dr. Maier... Fiona Wächter, sechzehn Jahre. Sie ist in der neunten Woche schwanger... Sie musste gestern Nachmittag wegen einer akuten Appendizitis von Dr. Bleichmann operiert...", berichtete die Krankenschwester dem Arzt in Kurzform und der nickte kurz, bevor er sich an die gekrümmt auf Jens' Bett sitzende Fiona wandte: „Fiona... Wo genau hast du Schmerzen?"
„Ich... Hier... Hier ist... es am Schiimmsten..." Fiona zeigte auf die frisch operierte Stelle und der Arzt erkannte den Blutfleck auf dem Schlafanzugoberteil.
„Schwester Yvonne... Wir bringen die Patientin sofort in den OP; vermutlich Nachblutung...", deutete der Arzt auf den großen Blutfleck und fragte Fiona dann mit beruhigender Stimme: „Wer hat dir eigentlich erlaubt, so kurz nach einer Operation aufzustehen?"
„Ich... Ich wollte zu Papa...", keuchte Fiona erschöpft, als die Krankenschwester und der Arzt ihr in den von Yvonne hereingebrachten Rollstuhl halfen. Die Sechzehnjährige hatte dicke Tränen in den Augen und ihr Vater nahm ihre Hand. „Ich bin bei dir, Fiona... Dir kann nichts passieren, mein Schatz..."
„Wir müssen dich wahrscheinlich noch mal operieren, Fiona... Eine akute Nachblutung. Die muss gestoppt werden. Mach dir keine Sorgen; das ist eine Routinesache. Dir geht es bald wieder besser...", versprach der Arzt und schob Fiona aus Jens' Zimmer, während sich die Sechzehnjährige krampfend den Bauch hielt und ihr besorgter Vater ihr nur hinterher schauen konnte.

„Maria, ich fahre jetzt mal kurz mit Jonas zu Fiona ins Krankenhaus. Kommst du mit?", erkundigte sich Thomas bei seiner Frau, doch Maria schüttelte den Kopf und flüsterte nur: „Ich... Ich bin schuld... Das Baby ist tot... Ich bin dran schuld. Ich hätte das nicht tun dürfen. Sie ist doch mein Kind... Sie ist mein Baby..."
„Was ist denn los? Du bist seit gestern Abend so..." „Fiona hat das Kind verloren! Sie hatte eine Fehlgeburt gestern... Weil ich Christian gebeten habe, mit Medikamenten für eine Fehlgeburt zu sorgen... Aber sie wollte das Baby doch bekommen... Sie wollte ihr Baby... Und ich habe es getötet... Christian hat ihr doch die Spritze... geben können, ich weiß das ganz genau... Das... Das Baby von Fiona... Das Baby ist tot..."
Thomas stand nach der Nachricht erst einmal wie versteinert da und konnte sich kaum bewegen, bevor er wieder zu denken begann und fragte: „Maria, was erzählst du denn da? Gestern Abend hast du mir doch noch gesagt, dass Fiona wegen einer Blinddarmentzündung... operiert werden musste... Und heute ist es schon... eine Fehlgeburt... Die du auch noch zu verantworten hast? Was denkst du dir denn dabei?"
Völlig neben sich stehend sah Thomas aus dem Fenster, während sein kleiner Sohn Jonas fragte, was los sei. Warum sich seine Eltern schon wieder streiten würden.
„Jonas, gehst du noch mal kurz... an meinem Computer spielen... Du kannst dir auch die Kopfhörer nehmen und ein Hörspiel hören..."
„NEIN! Ich will nicht, dass ihr jetzt streitet... Warum streitet ihr, Papa?" „Mama und ich... müssen mal miteinander reden. Jonas, bitte... Ich will nicht, dass du uns zuhörst. Geh' bitte ein Hörspiel hören, Jonas.", bat Thomas seinen Sohn noch einmal eindringlich, bevor er sich an Maria wandte: „Was denkst du dir denn dabei, dass... Dass du so einfach über Fionas Baby entscheiden darfst? Du hättest mit Fiona reden müssen. Ihr war es bestimmt nicht recht, dass du... ausgerechnet du, als ihre Mutter... die selber drei Kinder hat... einfach für eine Fehlgeburt bei ihrem eigenen Kind sorgt. ... Du weißt selber, wie schlimm das ist. Dass... Dass Fiona nie darüber hinweg kommen kann... Aber dir ist das ja egal. Ich fass' es nicht..."
„Du musst mich doch nur verstehen, Thomas. Ich... Ich hatte keine andere Wahl. Ich musste es tun. Fiona wäre mit ihrem Baby nie klar gekommen. Und ich habe es für das beste für sie gehalten... Thomas... Ich wollte Fiona damit doch nicht wehtun. Aber... Sie wäre nicht klar gekommen. Mit einem Baby... Dafür ist Fiona noch viel zu jung...", erklärte Maria ihre Entscheidung, doch Thomas schüttelte angewidert den Kopf.
„Und so etwas nennt sich Fionas Mutter... Päh... Ich werde dafür sorgen, dass Fiona endlich zu ihrem leiblichen Vater ziehen kann. Dort hat sie es viel besser, als bei einer Mutter, die für eine Fehlgeburt ihrer eigenen Tochter sorgt. Ich kann es nicht verstehen, dass du so etwas tust..."
„Aber... Aber Thomas..." „Nichts aber Thomas. Es ist aus... Aus, Schluss und vorbei. Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben. ... Jonas... Jonas, Schatz. Komm, wir müssen ganz schnell zu Fiona ins Krankenhaus. Ich will wissen, was mit Fiona wirklich los ist... Vielleicht hat sie Glück gehabt und das Baby lebt noch."
Mit einem herabwürdigen Blick verließ Thomas, mit seinem sechsjährigen Sohn Jonas an der Hand, das Hotelzimmer der Eheleute und machte sich schnurstracks auf den Weg ins Krankenhaus, wo er von einer Krankenschwester erfuhr, dass seine Stieftochter Fiona noch operiert wurde.
„Aber... aber... Was ist mit dem Baby von Fiona? Hat... Hat sie eine Fehlgeburt gehabt?" „Nein... Soweit ich weiß, hatte ihre Tochter eine Blinddarmentzündung und musste deswegen operiert werden. ... Sie können aber gern mit dem leiblichen Vater ihrer Stieftochter sprechen; Herr Blank sitzt noch da vorne vor dem OP."
Die Krankenschwester deutete auf Jens, der, noch etwas schwach auf den Beinen, vor dem OP saß und ab und zu zur Tür des Saals blickte. „Fiona... Fiona...", flüsterte er nervös und erblickte plötzlich Thomas.
„Guten Tag, ich... Ich bin Thomas Wächter, der Stiefvater von... Von ihrer Tochter Fiona.", stellte sich Thomas bei Jens vor und reichte ihm die Hand. „Herr... Herr Wächter... Fiona hat schon einmal kurz von ihnen gesprochen. Und du musst der kleine Jonas sein?"
Jonas nickte und stolz präsentierte der Junge dem leiblichen Vater seiner Halbschwester, was er am letzten Abend für Fiona gemalt hatte. „Guck mal... Das ist für Fiona. Ich werde nämlich großer Bruder..."
„Ist Maria etwa wieder schwanger?" „Nein... Nein, um Gottes Willen. ... Jonas meint, er würde bald Onkel werden. Weil er Fiona nicht als seine Halbschwester, sondern als seine volle Schwester ansieht. Die beiden sind unzertrennlich. ... Wie geht es Fiona denn?"
„Sie... Sie ist noch im OP. Gestern musste sie wohl wegen einer Blinddarmentzündung operiert werden. Und... Und heute Früh hat sie sich zu mir ins Zimmer geschlichen und... wollte mich besuchen. Da... Dabei ist sie zusammengebrochen und... Und jetzt muss sie... zum zweiten Mal operiert werden..."
„Ach, das schafft Fiona schon. Da hat die Kleine schon ganz andere Sachen überlebt, das können sie mir glauben.", erklärte Thomas und lächelte kurz. „Sie hat zum Beispiel... als wir vor einem Jahr noch in Traunstein wohnten, weil ich dort gearbeitet habe... Da ist sie beim Schulsport von der Kletterstange gestürzt... Fünfeinhalb Meter... Ich musste die Kleine mit dem Hubschrauber fliegen. Sie hat geweint, weil sie ihre Beine nicht mehr spürte; sie konnte nach dem Sturz faktisch nichts mehr bewegen... Nicht einmal mehr ihre Hände... Wir dachten, Fiona könnte nie wieder laufen. Michael... Mein bester Freund... hat mir damals alle Hoffnung genommen, die ich hatte... Aber dann kam Fiona aus dem OP und... konnte ihre Beine wieder spüren."

VaterfreudenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt