Ich blickte zum Himmel, der sich über mir spannte, wie ein dunkelblaues Tuch. Die Sterne leuchteten heller, als Zuhause. Wahrscheinlich lag das daran, dass es hier in der Nähe keine größeren Lichtquellen gab, die die nicht so stark leuchten Sterne vor meinen Augen verbargen. Während ich meinen Kopf in den Nacken legte, rutschte mir die Kapuze vom Kopf und gaben den Blick auf meine wirren Locken frei. Ich spürte Koas Blick auf mir, der in zwei Metern Entfernung ein Feuer entfachte. Er beobachtete mich, seit ich mich einige Schritte von ihm entfernt hatte, so, als hätte er Angst ich könnte mich einfach umdrehen und weglaufen. Natürlich könnte ich das, doch was würde es mir bringen? Mein Blick wanderte zu ihm, wie er am Boden vor dem aufgeschichteten Holz kniete und mich beobachtete. Doch, als mein Blick seinen traf, schaute er nicht weg wie ich erwartet hatte, Koa zog lediglich die Augenbrauen hoch. Was?, schien er zu fragen. Ich schüttelte bloß den Kopf und wandte ihm den Rücken zu. Aus meiner Gesäßtasche holte ich das Bild von Lou heraus. Ich blickte in ihr lachendes Gesicht und mir wurde schwer ums Herz. „Ich werde dich finden.", versprach ich ihrem Bild. „ich werde dich finden und nach Hause bringen."
Seit sechs Jahren war ich auf der Suche nach meiner Schwester, jetzt hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich sie wirklich finden würde.
Ich faltete das Bild wieder zusammen und steckte es zurück in meine Tasche. Immer noch spürte ich Koas Blick auf mir liegen, ich atmete tief durch und drehte mich um. Ich ließ mich ihm gegenüber dem inzwischen brennenden, kleinen Feuer nieder. Eine Zeit lang schwiegen wir, bis er hinter sich griff und einen Apfel herbei zauberte. Koa reichte ihn mir und ich lächelte ihn dankbar an: „Danke." Er nickte nur knapp und beobachtete mich dabei, wie ich in den Apfel biss. In wenigen Augenblicken hatte ich ihn aufgegessen. Mein Gegenüber zog wieder nur die Augenbrauen hoch und grinste mich an. „Was? Ich hab Hunger.", empörte ich mich. Sein Grinsen verschwand, er sah mich ernst an, dann fragte er mich: „Was hast du dir da eben angesehen?" Einen Moment überlegte ich ihm zu antworten und ihm das Bild von Lou zu zeigen. Ihn zu fragen, ob er sie kannte, schon einmal gesehen hatte. Doch dann fiel mir wieder ein, dass er mir auf keine meiner Fragen wirklich geantwortet hatte und schwieg. Nach einiger Zeit antwortete ich dann doch: „Das geht dich nichts an. Du hast mir auf keine meiner Fragen wirklich geantwortet, also werde ich dir auch nicht antworten." Entschieden verschränkte ich die Arme und reckte das Kinn in die Luft. So wartete ich auf seine Reaktion. „Ich hab dir quasi mehrfach das Leben gerettet und habe dir gerade etwas zu essen gegeben, meinst du nicht, dann könntest du mir wenigstens auf eine Frage antworten?", erwiderte er sowohl spöttisch, als auch verärgert.
Touché.
Ich tat so, als würde ich angstrangt nachdenken, jedoch stand mein Entschluss schon fest. Nachdem einige Sekunden verstrichen waren antwortete ich ihm: „Nö."
„Nö.", äffte er mich ihn einer viel zu hohen Stimme nach und verzog das Gesicht.
Ich warf ihm einen bösen Blick zu: „Jetzt werde ich dir ganz sicher nicht antworten." Ich pustete mir eine rote Locke aus der Stirn, während Koa mich fasziniert dabei beobachtete. „Du scheinst lange keine Menschen mehr gesehen zu haben.", murmelte ich, eher zu mir selbst.
„Warum?", fragte er überrascht.
Ich verdrehte die Augen. „Weil du mich schon seit Minuten angaffst, und außerdem hast du mich verfolgt.", erklärte ich ihm vorwurfsvoll.
Koa begann zu grinsen.
„Was?"
„Du hast mir auf eine Frage geantwortet. Siehst du, so einfach ist Konversation. Jetzt werde ich dir deine Frage auch beantworten, da, wie eben schon gesagt, du mir meine beantwortet hast. Ja, ich habe lange nicht keine Menschen mehr gesehen und noch viel länger nicht mehr mit einem gesprochen." Ich wollte gerade zu einer neuen frage ansetzten, da fügte Koa mit einem Zwinkern hinzu: „Und schon gar nicht mit so einem hübschen."
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Spiegelwelt
Science FictionStell dir vor, deine Schwester verschwand vor sechs Jahren. Stell dir vor, du wünscht dir nichts sehnlicher, als sie wieder zurück zu haben. Stell dir vor, du begibst dich in dasselbe Haus in dem sie damals verschwand. Stell dir vor, dort passiere...