Ich starrte die Frau vor mir an. Das Wesen vor mir. Das Gold reflektierte schmerzhaft als Kerzenlicht, so als wolle es mich zwingen den Blick abzuwenden. Doch das war mir nicht möglich, denn das Gold das mich blendete war kein Schmuck, sondern der Körper der Fürstin. Sie war wohl das Schönste, dass ich je gesehen hatte. Ihre feinen Gesichtszüge wurden von sanften goldenen Locken umspielt. In ihnen saß eine Krone aus Edelsteinen, die so aussahen, als wären sie in die silberfarbenen Fäden eingewoben, in der Mitte saß dasselbe Symbol, das ich schon auf dem Handgelenk der Nixe gesehen hatte. Ihre Augen blitzen wie zwei Amethysten, noch nie hatte ich solche Augen gesehen. Trocken versuchte ich zu schlucken. Kleidung trug sie keine, doch das schien sie nicht weiter zu stören.
"Wie ist dein Name?"
"Rebecca.", würgte ich hervor.
"Was willst du hier, Rebecca?", die Fürstin spuckte meinen Namen aus, als hätte er einen schalen Beigeschmack.
"Freiwillig bin ich nicht hier, das könnt Ihr mir glauben. Um ehrlich zu sein grenzt das hier eigentlich an einer Entführung und wenn Ihr nichts dagegen habt würden mein Begleiter und ich dann auch gehen." Ich lächelte die Fürstin schief an, während ich mich innerlich grad selbst zusammenschlug. Warum war ich so ausgesprochen unbeschreiblich dämlich? Und warum hatte sich diese Weltverbesserin von Nixe nicht einmal nützlich gemacht und mir eins übergebraten, damit ich aufhörte so einen Dünnschiss von mir zu geben?
Das mein Kopf nach hinten gerissen wurde brachte mich zurück ins Hier und jetzt. Überrascht schrie ich auf. Böse starrte ich die Nixe an, die mit wutverzerrtem Gesicht über mir stand. Ihre Haare kitzelten meine Wangen, ich schnaubte sie weg.
Warum hatte das so lange gedauert? Jetzt würden Castor und ich garantiert als Fischfutter enden. Ich unterdrückte ein Stöhnen und entschuldigte mich stumm bei Castor.
Die Fürstin richtete einige Worte in ihrer Sprache an die Nixe, woraufhin sie knapp antwortete. Sekunden späten ließ sie schupsen von mir ab.
"Du bist nicht allein hier.", stellte die Herrscherin der Nixen fest. "Was hat es mit deinem Begleiter auf sich? Für einen Menschen ist er doch recht ansehnlich."
"Was soll mit ihm sein?", verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen.
Hatte sie gerade meine gesamte Spezies als hässlich bezeichnet? Bloß weil wir nicht wie lebendig gewordene Statuen aussahen? Wie rassistisch. Autsch.
"Stell dich nicht noch dümmer als du bist.", fuhr mich die Fürstin an.
Langsam dämmerte mir, woher meine persönliche Wärterin ihren außergewöhnlichen Charme herhatte.
"Ich weiß nicht wovon Ihr sprecht!", platzte ich hervor.
Die Fürstin winkte einen Diener heran, der mir zuvor gar nicht aufgefallen war. Leise sprach sie mit ihm, woraufhin er ging. Dann war es still. Ich wagte es nicht mich zu rühren, denn es schien, als hätte die Fürstin meine Anwesenheit schon vergessen und ich wollte nicht ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Also blieb ich auf Hände und Knie gestützt auf den Muschelschalen hocken, gemütlich war wirklich was anderes. Es schienen Stunden zu vergehen ehe das Tor zum Thronsaal aufgestoßen wurde und ein empört aussehender Castor hereinstolperte. Mein Herz machte einen Satz, als ich ihn sah.
Sobald Castor mich sah stürzte er auf mich zu, inzwischen hatte ich mich auf die Knie aufgerichtet.
Er nahm mein Gesicht in beide Hände und musterte mich besorgt: "Geht es dir gut?"
Ich nickte. Dann richtete sich Castor auf und wandte sich an die belustigt dreinschauende Fürstin. Sie sah mich beinahe vorwurfsvoll an, so als wolle sie sagen: "Siehst du genau das habe ich gemeint, dummer Mensch."
"Fürstin, ich bitte Euch, lasst mich und meine Begleiterin gehen.", Castors Stimme erfüllte den ganzen Saal.
Entweder er hatte eindeutig bessere Anweisungen erhalten als ich, bevor er hier rein geschupst wurde, oder er steckte schon häufiger in solchen Situationen. Mein Begleiter könnte auch schlicht und ergreifend geschickter sein als ich...vermutlich.
"Und warum sollte ich das tun?", fragte die Fürstin mit einem raubtierhaften Lächeln.
Gebannt sah ich Castors Rücken an. "Weil wir auf dem Weg zur Konsulin sind, Fürstin."
"Ach ist dem so?"
"Ja, wir wollen ihr Bericht erstatten."
"Bericht worüber?"
"Verzeiht Fürstin, aber das geht Euch nichts an."
Während das Lächeln aus dem Gesicht der Fürstin verschwand erstarrte ich.
"Ihr wagt es ungeladen in mein Reich zu kommen und mir dann zu erklären was mich nichts angeht?", ihre Stimme war beunruhigend leise.
"Verzeiht Fürstin, allerdings sind wir nicht ungeladen hier. Ich vielleicht schon, aber eigentlich bin ich nur hier, weil Eure Untertanen meine Begleiterin entführt haben und ich sie zurückfordern wollte.", warf Castor mit einem Schulterzucken ein.
Zurückfordern, sehr reizend.
Die Fürstin fixierte mit ihren lilafarbenen Augen die Nixe, die hinter mir stand. Sie sprach wieder einige Wörter, die ich nicht verstand. Ob man die Sprache lernen konnte?
Halb drehte ich mich zur Nixe um und sah, wie sie die Schultern zuckte.
Die Fürstin erhob sich und ging auf Castor zu, ohne dass ihre Schritte ein Geräusch machten.
"Wie mir scheint, ist euch Unrecht getan worden.", säuselte die Frau vor Castor. "Geht und überbringt der Konsulin eure Nachricht, ich möchte ja nicht dafür verantwortlich sein, dass ihr Informationen vorenthalten werden. Und wir beide-" ihr Blick streifte mich, was so ziemlich die panischsten Sekunden meines Lebens waren, und doch schließlich hinter mir haften blieben. "Unterhalten uns noch einmal."
"Natürlich, Fürstin.", flüsterte die Nixe.
"Vielen Dank.", Castor deutete eine Verbeugung an und drehte sich dann um, um mir aufzuhelfen.
"Los, schnell raus hier, bevor sie es sich anders überlegt.", flüsterte er mir ins Ohr. Ich nickte bloß stumm.
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Spiegelwelt
Science FictionStell dir vor, deine Schwester verschwand vor sechs Jahren. Stell dir vor, du wünscht dir nichts sehnlicher, als sie wieder zurück zu haben. Stell dir vor, du begibst dich in dasselbe Haus in dem sie damals verschwand. Stell dir vor, dort passiere...