15. Kapitel

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„Castor, wir müssen los, sofort. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, wenn Koa weiß, wo Lou ist, dann müssen wir sie aus den Händen, dieser kranken Menschen befreien. Was sie ihr alles in den letzten Jahren angetan haben könnten. Oh Gott, ich hätte viel früher hier seien sollen. Ich darf keine Zeit mehr verlieren. Wir. Wir müssen los, wir müssen sie befreien.", meine Stimme überschlug sich, während ich mir mit den Händen übers Gesicht fuhr.

Meine Atmung beschleunigte sich, bis ich anfing kleine schwarze Pünktchen tanzen zu sehen. Castor erhob sich und kam auf mich zu.

Sie mussten sie gefoltert haben, wenn sie überhaupt noch lebte. Falls sie überhaupt noch lebte.

„Rebecca, du musst dich beruhigen.", er hielt mich an den Schultern fest und sah mich eindringlich an. „Koa hat doch gar nicht behauptet, das Louise bei ihnen ist. Sie könnte auch überall anders sein. Und selbst wenn sie bei der Konsulin sein sollte, was ich nicht hoffe, können wir da nicht einfach rein spazieren und sie da raus holen."

Sie mussten sie gefoltert haben. Ich würde alle, die sie verletzt hatten eigenständig töten. Louise musste noch leben.

„Rebecca, hörst du mir überhaupt zu?"

Ich musste sie befreien.

„Hallo?"

„Sie haben sie sicher gefoltert.", schluchzte ich. „Ich muss sie finden." Tränen liefen mir über das Gesicht, doch ich machte keine Anstalten sie wegzuwischen. Ich krallte meine Finger in Castors Oberteil. „Castor, du musst mir helfen, bitte. Du musst ihr helfen. Ich schaffe das nicht allein, ich weiß ja nicht einmal, wo sie ist." Mein Körper wurde von Schluchzern geschüttelt und ich blickte Castor durch meine Tränen flehend an. „Bitte.", schluchzte ich erneut.

Castors Gesichtszüge wurden weich und er zog mich an sich. „Du hast mir nicht zugehört oder?", flüsterte er irgendwann in meine Haare.

Zitternd holte ich Luft und hob mein Gesicht von dem tränendurchtränkten Stoff seines Hemdes. „Nein. Was hast du denn gesagt?"

Er zögerte einen Moment, bis er mich anlächelte. „Das ich dir helfen werde."

Ungläubig sah ich ihn an. „Wirklich?"

Castor nickte. „So wahr ich hier vor dir stehe."

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, ich schniefte: „Danke, Castor."

Mir war immer noch kalt und die Angst steckte mir tief in den Knochen, dort würde sie auch bleiben, bis ich Lou wieder hatte. Jedoch spürte ich Hoffnung, auch wenn ich das schon einige Male gedacht hatte, das war etwas anderes. Es war etwas Stärkeres, sie war in Reichweite, ich müsste mich nur noch etwas weiter ausstrecken und ich würde es schaffen. Wenn Castor mir half, würde ich es schaffen.

Ich blickte zu ihm auf und ertappte ihn dabei, wie er mich ansah. Einige Augenblicke verstrichen, in denen ich wie hypnotisiert von seinen Augen war. Blaugrün.

Dann plötzlich ließ er mich los. „Wir sollten zurück zu Koa und ihm von unserem Vorhaben erzählen, dann kann er entscheiden, ob er mit uns kommt oder nicht."

Für einen Moment war ich völlig perplex, mir war gar nicht in den Sinn gekommen, dass Koa uns nicht begleiten könnte. Die Tatsache, dass er sich dagegen entscheiden könnte, erfüllte mich aus mir unerfindlichen Gründen mit Furcht und Trauer. Ich schüttelte den Kopf. Ich sollte froh sein, wenn er endlich weg war, er hatte nur gelogen und mich bestohlen. Doch nach dem, was ich zu ihm gesagt hatte, wäre es sehr wahrscheinlich, dass er sich gegen uns entschied. Ich sollte froh sein, ihn loszuwerden, beschwor ich mich selbst. Und doch war ich es nicht.

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