24. Kapitel

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Keuchend zog ich Luft ein. Hilflos ruderte ich mich meinen Armen und Beinen, ich konnte nicht schwimmen. Panisch suchte ich die Wasseroberfläche ab, doch ich war allein. Wieder sank mein Kopf unter Wasser. Und erneut kämpfte ich mich hustend an die Oberfläche. Warum war ich nur gesprungen? Warum hatte ich nicht auf sie gehört?

„Lou!", ich versuchte zu schreien, doch ich schluckte Wasser, sodass nur ein gurgelndes Geräusch aus meiner Kehle drang. Ich spuckte Wasser und ruderte weiter panisch mit meinen Gliedmaßen.

Warum hatte ich meine Schwimmflügel nur ausgezogen?

***

Als ich dieses Mal durch die Wasseroberfläche brach, war ich keine fünf Jahre alt, meine Schwester würde mich auch nicht retten. Das brauchte sie auch nicht, jetzt war ich damit dran sie zu retten. Während ich zum Ufer schwamm entdeckte ich Castor einige Meter von mir entfernt. Auch er steuerte aufs Land zu. Kurze Zeit später saßen wir nebeneinander im Gras.

„Nixen gibt's also wirklich.", sagte ich und lächelte ihn schief an.

Castor nickte nur.

„Du hast es doch geschafft, wir sind nicht tot.", versuchte ich erneut ein Gespräch in Gang zu bringen.

Doch auch dieses Mal ging Castor nicht weiter drauf ein, sondern quittierte meine Worte mit einem erneuten Nicken.

„Es ist doch etwas Gutes, du könntest dich ein bisschen mehr freuen, findest du nicht?"

Doch er tat nur so, als hätte ich gar nichts gesagt und entfernte sich mit einigen Schritten. Ich seufzte, keine Ahnung, was schon wieder mit ihm los war. Frustriert wrang ich meine triefend nassen Haare aus. Plötzlich fiel mir wieder ein, wie gleichgültig Castor vorhin in der Zelle gewesen war. Ob er starb oder nicht es schien ihm egal gewesen zu sein. Ich rappelte mich auf und ging auf Castor zu. Meine geliehene zu große Hose hatte sich ebenfalls mit Wasser vollgezogen, sodass ich sie mit einer Hand festhalten musste, damit sie mir nicht von den Hüften rutschte, obwohl ich darunter immer noch meine Shorts trug, würde ich mir dabei blöd vorkommen.

Als Castor mich kommen hörte drehte er mir den Rücken zu.

„Castor?", fragte ich zögerlich.

Keine Reaktion seinerseits. Was war auch anderes zu erwarten.

„Castor, kann ich dich was fragen und dir dabei ins Gesicht schauen?"

Er schnaubte, drehte sich allerdings um. Seine Miene war ausdruckslos.

„Meintest du das vorhin ernst was du gesagt hast?"

„Prinzipiell meine ich alles ernst, was ich sage. Aber ich hab viel gesagt, was genau meinst du?", antwortete er gelangweilt.

„Naja, dir war es ziemlich egal, ob du da lebend rauskommst oder nicht. Das ist nicht normal.", begann ich das Gespräch vorsichtig,

Castor zuckte erneut nur die Schultern. „Passiert."

„Nein? Das passiert nicht mal eben so. Castor, das beunruhigt mich."

„Warum beunruhigt dich das? Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß", knurrte er mich an und fuhr sich durch die nassen Locken.

Empört schnappte ich nach Luft. „Entschuldige, dass ich mir Sorgen um dich mache.", fauchte ich zurück.

„Dann hör halt auf die Sorgen um mich zu machen! Ich bin nicht dein verdammtes Haustier, deine Schwester oder sonst irgendjemand mit dem du etwas zu tun hast, also was geht dich es an, ob ich einen großen Drang dazu habe am Leben zu bleiben oder nicht?", ruckartig drehte er sich um.

Ich versuchte tief ein und auszuatmen, um mich zu beruhigen, durch schreien würde ich hier gar nichts erreichen. Ich legte Castor eine Hand auf die Schulter und spürte, wie er sich unter der Berührung entspannte.

„Castor-"

Er drehte sich zu mir um und als ich in seine Augen blickte erschrak ich, in ihnen stand ein so tiefer Schmerz.

„Ich habe niemanden, okay? Ich bin es nicht gewohnt, dass sich jemand Sorgen um mich macht. Ich bin ganz allein.", flüsterte er.

Mein Magen zog sich vor Mitleid zusammen. Mit meinem Blick versuchte ich ihm zu verstehen zu geben, dass alles gut werden würde.

Castor trat ein Stückchen näher an mich heran, umfasste mein Gesicht und presste seine Lippen auf meine.

Ich stand stocksteif dar und verstand nicht, was gerade passierte. Doch als mir bewusst wurde, dass Castor mich gerade küsste, stemmte ich mich mit all meinem Gewicht gegen ihn und schupste ihn weg. Verwirrung machte sich in mir breit.

Was war das denn bitte?

„Was-?", brachte ich hervor und selbst mir war das Zittern in meiner Stimme bewusst.

Castor, der ein paar Schritte rückwärts gestolpert war, starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an.

„En-Entschuldige bitte. Ich ich wollte nicht-", würgte er hervor.



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