25. Kapitel

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Ich hatte das Gefühl, dass es mir hier, in dieser gottverdammten Welt, vorbestimmt war irgendwelchen Typen hinterher zu latschen. Vermutlich brachte ich den Feminismus damit um Jahre zurück, doch meine feministische Ader, würde sich erst einmal hintenanstellen müssen. Hier musste ich andere Prioritäten setzen. Und im Moment, war es mir eindeutig lieber Castor nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Ihm ging es scheinbar ähnlich.Er hatte seit unserem Kuss und unserem überstürzten Aufbruch, kurz danach, kein Wort mehr an mich gerichtet. Das war keine Besonderheit, wie ich inzwischen gelernt hatte, doch zwischen uns herrschte eine angespannte Stille. Doch ich war mir ja selbst nicht sicher, was ich sagen sollte.

Ich war... verwirrt.

Ja, ich hatte auch schon einmal darüber nachgedacht ihn zu küssen, jedoch war darüber nachzudenken etwas völlig anderes, als es tatsächlich in die Tat umzusetzen. Natürlich Castor strahlte eine gewisse Attraktivität auf mich aus und ich fühlt mich auch manchmal etwas zu ihm hingezogen, aber naja, ich hatte keine Ahnung. Es hatte sich nicht richtig angefühlt. Und irgendwie doch.

Das war nicht mein erster Kuss, nein, den hatte ich in der Grundschule gehabt, falls man das werten konnte, allerdings hatte er sich anders angefühlt, als der davor. In diesem kurzen Kuss hatte so viel Verzweiflung und doch gleichzeitig Hoffnung gelegen. Und ich selbst war mir nicht einmal bewusst, ob er mir gefallen hatte oder nicht. Castor wegzustoßen war mein erster Reflex gewesen. Ich hatte ihn nicht verletzen wollen. Doch ob ich den Kuss gewollt hatte...ich glaube nicht. Ich kannte ihn ja kaum. Doch warum hatte er mich geküsst?

Ich seufzte und starrte auf Castors angespannten Rücken. Meine Kleider waren immer noch klamm und inzwischen waren sie in der kühlen Abendluft unangenehm kalt geworden. Ich wandte den Blick von ihm ab und starrte stattdessen auf meine Schuhe. Erschreckt starrte ich auf die dunklen Flecken. Wie hatte ich es vergessen können? Vergessen, dass das Blut einer Unschuldigen Frau immer noch an mir klebte? Was sagte das über mich aus, dass ich so schnell vergessen konnte, was ich gesehen hatte? Was machte dieser Ort aus mir? Oder war es nur ein Selbsterhaltungstrieb meines Körpers, der mich vor all den traumatischen Ereignissen und einem Zusammenbruch schützen wollte? Aber das war keine Entschuldigung. Ich sah vor meinem geistigen Auge wieder den Leichenhaufen, wie das Leben in den Augen des Mädchens erlosch. Hörte die verzweifelten Schreie ihrer Mutter, die hilflos zusehen musste, wie ihre Tochter ihr für immer geraubt wurde und sah wieder ihr Blut auf mich zufließen. Eben das Blut, das meine Schuhe wie mein Gewissen gleichermaßen befleckte. Und wieder fühlte ich mich ohnmächtig und voller Schuldbewusstsein.
Doch dieses Mal war ich nicht unfähig mich zu bewegen. Ich setzte einen Fuß vor den anderen, bewegte mich unablässig auf mein Ziel zu. Die Konsulin. Doch auch wenn mich jeder Schritt stärker zu machen schien, entrang ein Schluchzer meiner Kehle.

Castor blieb ruckartig stehen. Ohne ein Wort zog er mich an seine Brust, schlang seine Arme um mich und vergrub sein Gesicht in meinen Locken. Sein Atem ging stoßweise, während ich ungehemmt in sein immer noch feuchtes Hemd weinte. Er drückte mich stärker an sich.

„Es tut mir so leid, Rebecca. Das habe ich nie so gewollt.", murmelte er mit rauer Stimme in meine Haare.

„Ich auch nicht.", wisperte ich zwischen zwei Schluchzern an seiner Brust.

Ich war mir nicht sicher, ob er es hörte. Es war auch egal. Wir sprachen eh von unterschiedlichen Dingen. Es war einfach nur schön, beim Weinen einfach einmal in den Armen gehalten zu werden.



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