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Die Konsulin lief durch die steinernen Gänge der Kerker. Sie trug denselben Overall wie am Tag zuvor und an dem Tag vor dem letzten Tag. Sie hatte seit dem sie ihn angezogen hatte nicht mehr geschlafen, auch nicht geduscht oder gegessen. Ihr Blick war irre. Ein Schrei ertönte aus einiger Entfernung und sie schloss für einen Moment die Augen. Sie atmete tief ein, als würde ihr die hier unten herrschende Verzweiflung neue Kraft geben. Das Licht flackerte einen Augenblick, sie öffnete ihre Augen wieder und schnalzte missbilligend mit der Zunge, dann trat sie an die Tür einer Gefängniszelle. Die Menschen hinter ihr, waren Unschuldige. Das wusste sie, aber das hieß noch lange nicht, dass es sie kümmerte. Wenn man etwas in Ordnung bringen wollte, musste man auch manchmal Opfer bringen, das wusste sie. Die Konsulin drückte ihr Gesicht an die Gitterstäbe des Fensters. Dass sie rostige Striemen auf ihren Wangen hinterlassen würden, interessierte sie nicht. Die Gefangenen hoben die Köpfe und blickten sie mit einer Mischung aus Angst und Hass an. Ein junges Mädchen, kaum älter als elf, begann bei ihrem Anblick zu wimmern, auch wenn kaum mehr als ihre Konturen zu erkennen waren.

„Das Ende ist nah.", flüsterte die Konsulin, beim Reden spuckte sie. „Aber das Eure ist näher." Sie gackerte und trat zurück. Ein Raunen und vereinzeltes Schluchzen ging durch die Zelle. Die Frau richtete ihren nicht mehr weißen Overall und strich über die Stickerei an ihrem Ärmel. Sie winkte eine Wache zu sich heran und befahl: „Bei Sonnenaufgang wird die Hälfte von ihnen hingerichtet."

„Aber, Konsulin, es sind nur noch drei Stunden bis dah-", warf die Wache nervös ein.

„Wiedersetzen Sie sich etwa meinem Befehl?", ihre Stimme wurde schrill. „Es wird eine Liveübertragung geben, in jede Stadt, auf jedem Marktplatz, vor jeder Scheune, überall, verstanden? Alle sollen es sehen."

„Und wer, und wer wird von ihnen hingerichtet?", fragte die Wache heiser.

„Das ist mir egal, jedoch sollte das Mädchen dabei sein.", überlegte die Konsulin gelangweilt und machte eine wegwerfende Handbewegung. Sie tippte sich nachdenklich ans Kinn: „Töten Sie alle nacheinander und lassen Sie die anderen zusehen, ach, und töten Sie das Mädchen zuletzt, und schön langsam, verstanden? Wir wollen ihnen doch alle die Chance geben ihre letzten Augenblicke schön auszukosten, nicht?" Die Konsulin lächelte seelig, als könne sie sich nichts Schöneres vorstellen.

„Und was haben diese Menschen verbrochen?", fragte der Mann angewidert.

„Nichts, rein gar nichts.", verkündete die Konsulin stolz.

„Sie wissen, dass er so auch nicht zurück kommt, oder?", sagte der Wachmann entschieden.

„Schweigen Sie! Oder sie sind der Nächste!", kreischte sie. „Haben sie mich verstanden?"

„Ja, natürlich, Konsulin. Es war dumm von mir das zu sagen, ich bitte um Vergebung."

„Abtreten."

Die Wache salutierte und ging. Auch die Konsulin wandte sich zum Gehen, trat aber noch einmal an die Tür.

„Er wird wieder kommen, oder?", flüsterte sie ängstlich.

Doch niemand antwortete, bloß ein Mann versuchte nachihr zu spucken. Voller Zorn starrte sie ihn an: „Du wirst morgen als Erstersterben." Warum verstand denn niemand,dass sie das Richtige tat? Dann wirbelte sie herum und machte sich mit zitternder Unterlippe auf inihre Gemächer.

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