16. Kapitel

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Vor Erschöpfung zitternd lief ich Castor hinterher. In weniger als einer halben Stunden würde die Sonne aufgehen und den Himmel in wunderschönen Farben färben.

Langsam wurde der Wald lichter, dennoch schaffte ich ständig über Wurzeln oder Äste zu stolpern, ich war unkonzentriert und das schlechte Gewissen nagte an mir.

„Wir müssen uns beeilen, solange es noch nicht hell ist, ist kaum jemand draußen. Und deine Kleidung ist nicht gerade unauffällig", richtete Castor seit einer Ewigkeit wieder das Wort an mich, er musterte meine Shorts und den grauen Kapuzenpullover. „Die Leute im Dorf, so gut sie auch seien mögen, haben Angst und werden uns verpfeifen, wenn du zu sehr als ein Neuankömmling erkennbar bist."

Ich nickte stumm und stolperte ihm schneller als vorher hinterher. Reiß dich zusammen, du musst das hier schaffen, nicht für dich, sondern für Lou und Mama und Papa. Es geht hier nicht um dich, also reiß dich verdammt nochmal zusammen!

Abrupt endete der Wald und ging in eine Graslandschaft über, überrascht stellte ich fest, dass wir auf der Kuppe eines Hügels standen und unter uns im einen Tal ein kleines Dorf lag. Hinter manchen Fenstern schimmerte schon Licht. Plötzlich war ich hellwach.

„Nochmal zu der Sache, dass ich verpfiffen werden würde, wenn ich so gesehen werden würde, wie besorgen wir mir dann etwas zum Anziehen?", fragte ich und trat nervös von einem Fuß auf den Anderen.

„Ich kenne da jemanden.", antwortete Castor ohne mich anzusehen.

Klar. Was auch sonst. Fehlte ihm nur noch eine dunkle Sonnenbrille, die er sich aufsetzen konnte, und eine Lederjacke.

„Los, komm." Er bedeutete mir mit einer ungeduldigen Handbewegung loszugehen.

Halb schlitternd, halb gehend näherten wir uns dem Dorf, wobei ich darauf achtete immer in Castors Nähe zu bleiben. Das Gefühl, wie auf dem Präsentierteller zu sitzen, war schrecklich und ließ mich immer wieder hektisch den Himmel absuchen, der langsam grau wurde. Auch meinen Begleiter schienen die schützenden Bäume zu fehlen, allerdings schaute er nicht in den Himmel sonder den Boden an. Häufig spürte ich seinen Blick auf mir liegen, doch die Angst ein Flugzeug, oder was sie sonst noch besaßen, nicht zu sehen, ließ nicht zu, dass ich Castors Blick einfing.

Einige Meter nach dem Abhang begann das Dorf und Castor schlug die Richtung so selbstverständlich ein, ohne jegliches Zögern, als hätte er das schon tausendmal gemacht. So gut hatte ich mich nie irgendwo zurecht gefunden, nachdem meine Eltern mal wieder völlig überstürzt umgezogen waren. Castor führte mich durch eine dunkle Gasse und über einen Marktplatz, ehe er vor einem kleinen windschiefen Haus halt machte und leise an die hölzerne Tür klopfte.

Einige Augenblicke lang, die wie eine Ewigkeit wirkten, passierte nichts und ich befürchtete schon Castors Kontakt wäre nicht da, als die Tür knarzend einen Spalt geöffnet wurde. Ein faltiges Männergesicht schob sich in die Lücke von Tür und Rahmen. „Warum weckst du mich in aller Herrgotts Frühe, ich hoffe für dich es ist-", begann er zu poltern, hielt dann aber schockiert inne, als er Castor ansah. Er schluckte. „Castor? Was machst du hier?"

„Ich brauche deine Hilfe, wir brauchen es.", erklärte Castor mit leiser drängender Stimme und trat einen Schritt beiseite, um den Blick auf mich freizugeben. Die Augen des Mannes weiteten sich erschrocken. „Sie ist nicht von hier.", flüsterte er und blickte hektisch zu Castor.

„Können wir rein?", drängte Castor.

Der Mann rang mit sich, dann öffnete er die Tür komplett. „Ja, aber schnell." Castor schlüpfte durch die Tür, wobei er den Kopf einziehen musste, um ihn sich nicht zu stoßen. Ich folgte ihm.

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