4. Kapitel

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Ich hörte erst auf zu laufen, als der Himmel, den ich durch das Blätterdach sah, sich rosa-orange verfärbte. Meine Beine zitterten vor Erschöpfung. Ich hatte nicht einmal während der vergangenen Nacht halt gemacht, aus Angst und der Überzeugung, dass wenn ich weiterlief ich aus diesem Wald herauskommen würde. Spätestens jetzt wo der Morgen anbrach, hatte ich gehofft, das Ende ausmachen zu können. Doch um mich herum war alles noch so tiefdunkel, wie halt im tiefen Wald. Im Dunkeln mich auf den Weg zu machen, war vielleicht nicht meine beste Idee gewesen, es war gut möglich, dass ich im Kreis gelaufen war. Jedoch war die Vorstellung zwischen Bäumen schutzlos zu schlafen, und das wäre zweifelslos passiert, wenn ich mich hingesetzt hätte, so beängstigend, dass ich mich immer weiter angetrieben hatte. Doch jetzt konnte ich noch nicht einmal zwei Schritte machen ohne fast zu stürzen. Mit beiden Händen stützte ich mich an einen Baum und atmete keuchend ein und aus. Mein Magen knurrte entrüstet und verlangte nach Nahrung. Was hätte ich jetzt nur für ein riesiges Stück Lasagne mit extra viel Käse gegeben? Doch das einzige, das ich hatte war mein Müsliriegel. Ich zog ihn aus der Tasche meines Pullovers und öffnete ihn vorsichtig. Gierig betrachtete ich das zu einem Riegel gepressten Getreide in meinen Händen, bei dessen Anblick mir das Wasser im Mund zusammen lief. Einen kurzen Moment schüttelte ich über mich selbst den Kopf. Ich hatte gerade einmal etwas länger als zwölf Stunden nichts gegessen, da würde ich für etwas, dass ich unter normalen Umständen keinen zweiten Blick würdigen würde, töten. Allerdings schlang ich nicht den gesamten Riegel in einem Bissen herunter, auch wenn ich es am liebsten getan hätte, sonder brach mir ein kleines Stück an und schob es mir in den Mund. Ich kaute gründlich und steckte schweren Herzens den Rest wieder in meine Tasche. Als meine Lider immer schwerer wurden und meine Augen immer wieder zufielen, gestand ich mir doch ein, dass ich vielleicht ein bisschen schlafen sollte. Zwischen den Wurzeln des Baums rollte ich mich zusammen und fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf.

***

Panisch fuhr ich hoch und sah mich um. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und lies mir mein Blut in den Ohren rauschen. Ich hatte das Gefühl, das etwas mich beobachtete. Doch auch so sehr ich mich anstrengte, ich konnte nichts zwischen den Schemen der Bäume erkennen. Zittrig atmete ich aus. Wann würde dieser Albtraum enden? Tränen stiegen mir in die Augen, als mir ein anderer Gedanke kam. Was wenn das gar kein Albtraum war, sondern real? Aber das war nicht möglich. Das hier alles war nur ein Streich, ein dummer kindischer idiotischer Streich, bei dem sich die Macher höchstwahrscheinlich gerade in die Hose machten, weil ich kurz davor war wie ein kleines Kind anzufangen zu heulen. Doch diesen Gefallen würde ich ihnen nicht tun. Wütend zog ich die Nase hoch und kämpfte mich, trotz Schwindel, wieder auf die Beine. Zornig sah ich mich noch einmal nach allen Seiten um, und schwor mir, demjenigen, der für das alles hier verantwortlich war gehörig in die Kronjuwelen zu treten, wenn ich ihn zu fassen bekam. Dann torkelte ich weiter, auf der Suche nach Wasser, dem Ende dieses Waldes oder einer Menschenseele.

Jedoch wurde ich das Gefühl beobachtet zu werden nicht los. Langsam aber sicher wurde es immer stärker, bis es so stark wurde, dass ich alle paar Schritte stehen blieb und mich panisch umsah. Die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer und ich glaubte ein paar Mal einen Schatten in meinen Augenwinkeln wahrgenommen zu haben, doch immer, wenn ich mich nach ihm umwandte, war er verschwunden.

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Meine Beine waren zerkratzt, von den Ästen und Zweigen, die mir im Dickicht den Weg versperren wollten, ich war komplett orientierungslos, Hilflosigkeit schnürte mir die Luft ab, meine Kopfschmerzen waren ins unermessliche gestiegen und meine Paranoia erleichte mir das vorrankommen auch nicht gerade, da bahnte sich ein hysterisches Lachen seinen Weg aus meiner Kehle in die Außenwelt seinen Weg.

„Komm raus!", kreischte ich und raufte mir dabei die Haare „Ich weiß, dass du da bist! Ich habe dich gesehen!"

Eine kleine Stimme in meinen Kopf sagte mir, dass ich eindeutig nicht mehr in einer guten psychischen Verfassung war, doch ich wischte den Gedanken beiseite und lachte weiter, bis sich das Lachen in ein Schluchzen verwandelte und meine Beine unter mir nachgeben.

Was sollte der Scheiß?

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