14. Kapitel

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„Danke.", brachte ich hervor. Castor blieb stehen und lies mich los, dann sah er mir ins Gesicht.

„Das was du da eben sagen wolltest, ging zu weit, wenn du es gesagt hättest, hättest du dich nur für den Moment gut gefühlt, danach hättest du dich selbst dafür gehasst. Das wusste ich, glaub mir, danach ist es immer schlimm."

Ich sah in seine blaugrünen Augen und erkannte auch in ihnen Schmerz.

„Hast du es schon einmal gemacht?", fragte ich. „Also jemanden gesagt, dass du ihm quasi den Tod wünschst?"

Castor fuhr sich durch die dunklen Haare, die ihm kurz darauf wieder vor die Augen fielen, sah mich dann wieder an und nickte.

„Wem?", fragte ich, da ich meine Neugierde nicht zügeln konnte.

Als er nicht sofort antwortete, sagte ich schnell: „Du musst es mir nicht sagen, die Frage war blöd, es geht mich nichts an, entschuldige."

Mein Gegenüber murmelte etwas Unverständliches.

„Was?"

„Koa.", sagte Castor emotionslos. „Ich habe es zu Koa gesagt."

„Warum?", flüsterte ich.

Kraftlos sah er mich an. „Das wird eine längere Unterhaltung, nicht?"

Ich zuckte mit den Schultern. Der Junge setzte sich auf den Waldboden und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum. Auffordernd sah er mich an. Ich lies mich neben ihm zu Boden gleiten, ich saß so dicht neben ihm, dass ich die Wärme, die von ihm ausging, spürte.

„Wir müssen dir unbedingt richtige Kleidung besorgen.", meinte Castor und betrachtete meine Beine, auf denen sich erneut eine Gänsehaut gebildet hatte.

„Ich hatte nicht vorgehabt hier zu landen.", gab ich zurück und betrachtete ebenfalls meine zerschrammten Beine.

Wir schwiegen beide und ich lauschte unseren Atemzügen, die mich auf seltsame Weise beruhigten. Irgendwann drehte Castor den Kopf und sah mich an, dann begann er leise zu sprechen: „Ich habe es damals nicht so gemeint, aber das ist mir erst später bewusst geworden. Ich meine, ich mag Koa immer noch nicht, allerdings komme ich mit ihm aus, für einen gewissen Zeitraum, wenn es sein muss. Ich habe ihm im Streit gesagt, dass ich ihn hasse und dass ich ihm wünschen würde zu sterben. Wir haben uns wegen irgendetwas unwichtigen Gestritten, Koa hatte Mist gebaut und das ganze ist etwas eskaliert. Sagen wir es mal so, Koa kann nicht sehr gut mit Stress umgehen, wir waren nie befreundet, eher Kollegen. Allerdings habe ich aufgehört mit ihm zu arbeiten, als ich bemerkte, dass er nicht ganz dicht ist, aber das ist meine Meinung, du solltest dir deine eigene bilden. Nun ja seit dem Tag haben wir uns nicht mehr gesehen, er hat seine Sachen gepackt und ist abgehauen. Wenige Monate danach ist er zu einem Gesuchten des Systems geworden, was genau er verbockt hat, weiß ich gar nicht und ich habe auch keine große Lust ihn danach zu fragen. Allerdings, wenn du es herausfinden würdest, hätte ich nichts dagegen, wenn du es mir verrätst."

Ich drehte mein Gesicht ihm zu, jetzt war ich ihm so nah, dass ich hätte die Sommersprossen auf seiner Nase zählen können. Doch, als ich ihn ansah hätte ich es wahrscheinlich noch nicht einmal geschafft bis zehn zu zählen, so schnell begann mein Herz zu klopfen, während ich hoffte, dass er es nicht hörte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf Castors Gesicht, gerade so, als würde er doch mein Herz schlagen hören.

„Ich glaube, Koa weiß, dass du es nicht so gemeint hast.", sagte ich tonlos.

„Ich hoffe es."

Es entstand wieder eine Pause, in der ich dagegen ankämpfte nicht seine Haare aus seinen Augen zu streichen. Sie sahen so weich aus. Castor hielt die Augen geschlossen und seine Miene war vollkommen entspannt.

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