Die Jungen tauschten einen Blick und schienen sich stumm darauf zu einigen wer anfing zu sprechen. Koa holte tief Luft und blickte mir durch die vor Hitze flimmernde Luft tief in die Augen. Kleine Aschepartikel tanzten zwischen uns, unterdessen er zu sprechen begann: „Wir befinden uns hier in der Spiegelwelt, einer jeder Manns persönlichen Hölle, wenn du so willst. Das weißt du ja schon. Die Spiegelwelt ist schwer zu erklären, sie scheint kein Ende und keinen Anfang zu haben, außerdem scheint sie kein Planet zu sein, sie ist einfach alles. Es ist, als wäre der Nachthimmel" Er blickte nach oben und ich folgte seinem Beispiel. „eine Projektion. Und auch, wenn die Spiegelwelt so unendlich groß erscheint ist sie es nicht. Denn wenn man so darüber nachdenkt, eigentlich ist die Spiegelwelt nur dieser Teil hier. Wenn man die anderen Spiegelwelten mit bedenken würde, dann-"
Mir schwirrte jetzt schon der Kopf: „Moment, es gibt noch mehr Spiegelwelt?" Dann konnte Lou noch an einem anderen Ort sein...
Castor nickte und übernahm das Wort: „Natürlich, was Koa glaube ich, gerade versucht hat so umständig zu erklären, ist, dass wir uns hier quasi in einer Art Hauptwelt befinden. Wir sind sozusagen der Hauptverkehrsknoten, von hier aus, kannst du in noch mehr Welten gelangen, allerdings sind sie nicht wirklich andere Welten, eher so etwas wie ein anderes Land. Nur dass es schwerer ist zurückzukommen als man denkt. Hinzuzufügen wäre auch, dass sich nicht immer hinter demselben Spiegel dasselbe verbirgt. So kannst du zum Beispiel an einem Tag in die Schlucht der ewigen Quallen bringen oder am nächsten zum Meer. Niemand weiß, nach welchem Konzept sich die Reiseorte ändern, feststeht tut nur, dass sie es tun. Deshalb solltest du nie versuchen durch einen Spiegel zu reisen, dessen genauen Zielort du nicht kennst."
„Kurzer Überlebenstipp am Rande: Halte dich von spiegelnden Wasseroberflächen fern. Es gibt genug Nixen, die dich zu gerne mit unters Wasser ziehen würden. Und vermutlich würden sie so Süße kleine Rotschöpfe wie dich als willkommende Abwechslung zu dem sonstigen Fisch entgegen nehmen.", warf Koa ein.
Ich überging seinen Kommentar: „Und was ist mit trinken? Wie wascht ihr euch denn?"
Meine Gegenüber warfen sich belustigte Blicke zu.
„Sie können dich nur mitziehen, wenn du dein Spiegelbild im Wasser siehst oder es von jemand anderem gesehen werden kann. Am Besten du wirfst einen Stein oder so etwas ins Wasser, bevor du dich im wirklich näherst. Wenn du schon im Wasser bist, schlägt das Wasser um dich herum auch genug Wellen, dann ist das Wasser nicht als Spiegel für die Nixen nutzbar. Verstehst du? Sie sind nicht wirklich im Wasser, sondern benutzen nur die glatte Oberfläche als Spiegel. Nur so können sie dich bekommen.", beantwortete Castor meine Frage.
Einen Moment dachte ich nach und versuchte die eben errungenen Informationen zu verarbeiten. Nicht durch Spiegel reisen, deren Zielort du nicht kennst. Nicht auf ruhige Gewässer zugehen.
„Und was ist, wenn es ein Krug oder eine Schale mit Wasser ist? Oder ein Fluss, können sie mich durch eines der Beiden ziehen?", fragte ich nachdenklich.
„Nein, ein Krug oder eine Schale sind zu klein, ich kann dir nicht genau sagen, wann eine Wasseroberfläche groß genug ist, allerdings würde ich es nicht austesten. Und der Fluss ist zu sehr in Bewegung, es funkzoniert ja nur bei stehenden Gewässern.", erklärte Castor erneut.
Langsam nickte ich. „Wer sind sie?", fragte ich und fixierte Koa. Diesem war bei der Frage sichtlich unwohl, er schien sich innerlich zu winden.
Jedoch riss er sich am Riemen und setzte zum Sprechen an: „Sie sind Verfechter des Systems. Sie stehen alle unter dem Kommando der Konsulin. Eine schreckliche Frau, am Rande bemerkt." Koa verzog das Gesicht, während er von ihr sprach. „Sie ist diejenige, die sich das neue System ausgedacht hat. Die Konsulin versucht die Spiegelwelt nach ihren Vorstellungen zu formen und räumt jeden, der ihr auch nur ansatzweise in die Quere kommt, aus dem Weg. Die Person wird von den Gardisten der Konsulin ausfindig gemacht, gefangen genommen und in den Kerker geworfen. Dann wird darüber entschieden, ob die Person öffentlich oder im geheimen hingerichtet wird. Meistens sind es Unschuldige, Menschen die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Männer, Frauen, Kinder, sie ist gnadenlos. Gefühlskalt. Einige werden auch nur hingerichtet, weil sie ausversehen einen Spiegel benutzt haben. Die Menschen, die von der Konsulin ins Visier genommen worden sind, sind dazu gezwungen ein Leben im Untergrund zu führen, oder hier im Wald. Abgeschnitten von der Außenwelt, ohne jeglichen Kontakt zu Menschen." Koa betrachtete seine Hände.
Trotz des wärmenden Feuers bekam ich eine Gänsehaut. Koa war einer dieser Menschen. War er wie er gesagt hatte einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen?
„Bekommen die Menschen denn keine Gerichtsverhandlung?", fragte ich vorsichtig.
Koa lachte bitter auf: „Nein. Wenn dich das Staatsoberhaupt für schuldig erklärt hat, wiederspricht niemand mehr. Alle anderen haben doch Angst, dass sie als nächstes dran sind. Und wenn dann ein Sündenbock gebraucht wird, ist er einfacher zu finden als du denkst, Rebecca."
Wut wallte in mir auf. Das konnte diese Konsulin doch nicht machen! Sie konnte doch nicht einfach unschuldige Menschen zum Tode verurteilen und andere zwingen im Untergrund zu Leben!
„Aber man muss doch etwas gegen sie tun können!", rief ich aus.
Traurig blickte Koa mich an: „Das denkt man oft, nicht? Doch man kann sie nicht aufhalten, sie ist schon zu mächtig. Man hätte sie vor Jahren stürzen müssen." Wieder starrte er in die Flammen, er schien in Gedanken irgendwo anders zu sein.
„Castor? Hat Koa Recht?"
„Leider ja.", auch Castors Miene war bedrückt. „Sie hat gegen jeden von uns etwas in der Hand und wenn es keine geliebten Menschen sind, dann ist es etwas anderes. Sie kontrolliert und manipuliert, wo sie nur kann. Und dass ist leider überall."
Mir wurde kalt. Auch wenn ich noch nie mit dieser Frau in Kontakt getreten war, so war sie mir aus den Erzählungen der Beiden schon schrecklich genug. Hoffentlich würde ich ihr nie begegnen. Und doch wünschte ich es mir irgendwie, schon allein wegen dem was ich gerade über sie erfahren hatte, hätte sie es verdient getötet zu werden. Ich glaubte nicht, dass ich dazu in der Lage wäre, doch was ich mich bei solchen Menschen so häufig fragte, war das Warum. Warum taten sie das, was sie taten?
Ich kniff die Augen zu. „Koa?"
„Ja?", seine Stimme klang immer noch abwesend.
„Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, ist etwas über uns geflogen. Da hast du gesagt, dass es sie sind. Haben sie da dich gesucht?", unweigerlich zitterte meine Stimme.
„Mach dir keine Sorgen, sie werden dich nicht kriegen, Rebecca. Das habe ich dir doch versprochen.", teilte er mir sanft mit.
Auch wenn er meine Frage nicht beantwortet hatte, nickte ich nur.
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Spiegelwelt
Ciencia FicciónStell dir vor, deine Schwester verschwand vor sechs Jahren. Stell dir vor, du wünscht dir nichts sehnlicher, als sie wieder zurück zu haben. Stell dir vor, du begibst dich in dasselbe Haus in dem sie damals verschwand. Stell dir vor, dort passiere...