„Ich war also auf diesem Jungeninternat, die aus mir einen Menschen machen wollten der ich nicht sein wollte. Mir wurde verboten zu lesen, weil ich zu viel Zeit damit verbrachte. Die Bücherei durfte ich noch nicht einmal betreten. Auch meine Mitgebrachten Bücher wurden mir abgenommen und einfach wieder zurück nach Hause geschickt. Wenn man mich beim Zeichnen erwischte wurde mir das Blatt abgenommen und weggeworfen, außerdem musste ich nachsitzen. Die wollten mir mit Gewalt das beibringen was ich lernen sollte. Und das war nicht Homers Ilias, sondern der Satz des Thales. Nur leider hat mich das meiste von dem Zeug nicht im Geringsten interessiert und ich hab nicht nur einmal im Unterricht geschlafen." er machte eine kurze Pause um Luft zu holen und redete dann weiter.
„Ich war nie so wie die anderen Kinder da, ich fühlte mich nie als wäre ich etwas Besonders. Auch hatte ich nie den Drang besser zu sein als andere oder es ihnen zu Zeigen. Mir fehlte der Antrieb, weil mir meine Leistungen egal waren. Ich wollte nicht, dass die Menschen mich anhand meiner Schulischen Leistung in Fächern die ich nicht einmal interessant fand messen, sondern an den Dingen die für mich wichtig waren. Am Wissen das ich mir durch das Lesen angeeignet hatte, an den unzähligen Zeichnungen, die wirklich nicht schlecht aussahen, an den Geschichten die ich mir ausdachte um den grauen Mauern dieses Gebäudekomplexes zu entkommen und an meinem Charakter, meinem Wesen und der Einstellung. Nicht an Mathematischen Formeln die ich auswendig heruntersagen konnte. Und glaub mir, dass waren eine Menge! So viele Formeln kann kein anderer Mensch auf dieser Welt. Sogar beim Nachsitzen durfte ich sie lernen und wahrscheinlich wird mich die Scheiße bis an mein Lebensende verflogen! " wieder nippte er an seinem Kaffee.
„Eingesperrt an diesem schrecklichen Ort litt nicht nur meine unterdrückte Seite, sondern auch mein Gemüt, meine Seele und mein Lebenswillen. Ich wurde zu einem Zombie, wie die anderen Kinder auch und das war genau das was ich niemals wollte. Ich wollte eine Individualität sein, mich nicht anpassen müssen, sondern frei und glücklich leben so wie ich es wollte. Aber das lässt unsere Gesellschaft nicht zu. Man kann nicht so sein wie man sein möchte, man muss so sein wie alle anderen um Überlebenschancen zu haben. Man muss sich anpassen. Man muss arbeiten bis zum Umfallen. Man muss keine eigene Individualität bilden. Am besten passen wir in das System, wenn wir alle gleich sind. Gleiche kleine Roboter, die ihr Leben damit vergeuden zu arbeiten und Geld zu verdienen damit die Welt funktioniert. Wenn ein Mensch damit zufrieden ist, ist es ja gut so, aber ich bin kein Mensch der damit zufrieden ist! Ich möchte Individuell sein! Ich möchte nicht so leben! Ich möchte nicht in dieses System gezwängt werden! Ich möchte doch nur glücklich sein!" Jake schaute zu mir rüber und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Das wurde mir klar als ich zwischen neun und zwölf Jahren alt war. etwa um diese Zeit hab ich auch mitbekommen das ich nicht so bin wie andere. Auch in sexueller Hinsicht. Ich habe mich nie für Mädchen interessiert. Nach den Ferien, die wir zu Hause verbrachten, haben fast alle Schüler von ihren neuen Freundinnen erzählt und ich konnte nie mitreden, weil ich wusste das man für solche Dinge verurteilt wurde. Allerdings hatte ich auch jemanden dem ich vertraut habe. Er war als ich dreizehn war schon sechzehn und er hatte da so ein Privileg das sich Schülersprecher nannte. Er gehörte zu den Schülern die an der Schule studierten und war nur deswegen noch da. Aber die Direktorin mochte ihn und deswegen hatte er einige Vorteile. Er durfte am Wochenende raus, in die Stadt und auch jemanden mitnehmen. Außerdem besaß er als einziger Schüler einen Generalschlüssel mit dem er in jeden Raum konnte, auch in die Bücherei.
Ich war also dreizehn als ich Maik Jenkins das erste Mal traf und auf mich wirkte er wie ein Gott. Er war intelligent, nett, gutaussehend und beliebt. Einfach der perfekte Junge. Mit einem einzigen Makel, den nicht viele Menschen kannten. Er war schwul und mochte am allerliebsten Jungs, die introvertiert und still waren, mit denen man aber trotzdem reden konnte und die, wenn man mit ihnen alleine war mehr aufgeschlossen waren. Kurz gesagt, ich hatte einfach Glück das einer seiner besten Freunde mit mir zusammen Nachsitzen musste und uns kurz darauf einander bekannt machte. Und irgendwie schaffte ich es, dass Maik sich in mich verliebte. Was er ja eigentlich gar nicht dürfte, aus zweierlei Hinsichten. Erstens war er zu alt und ich zu jung und zweitens waren wir zwei Jungen, was zu diesem Zeitpunkt immer noch befremdlich für mich war.
Aber ich hatte verstanden, dass Maik alles für mich tun würde, wenn ich ihm im Gegenzug meine Zuneigung entgegenkommen ließ. Ich habe mit dreizehn Prostitution betrieben ohne es überhaupt wirklich zu wissen. Ich schlief oft bei ihm und er kuschelte sich an mich, ich befriedigte ihn mit der Hand und oral, und im Gegenzug besorgte er mir Bücher aus der Bücherei oder versteckte meine Zeichnungen in seinem Zimmer. Außerdem nahm er mich mit nach draußen und unter dem Vorwand mir Nachhilfe zu geben, ließ er mich in seinem Zimmer lesen." Jake setzte den Kaffee an die Lippen und grinste mich an. „Schon ein bisschen traurig, was für Menschen es auf dieser Welt gibt, oder?" fragte ich. Er schien ja beinahe kein Problem damit zu haben, dass dieser Maik ihm das angetan hatte.
„Ja, aber das sind wahrscheinlich auch nur Menschen, denen ein bisschen zu oft weh getan wurde. Einfach verlorene kleine Seelen, die im Leben keine anderen Freuden mehr haben. Sie brauchen nur Liebe und Zuneigung, wie jeder Mensch, um sich wohl zu fühlen. Und dann sind sie nicht anders als ich oder meine Freunde." antwortete er. „Freunde? Du bist nicht alleine?" ich schaute ihn überrascht an. Obwohl es eigentlich gar nicht so überraschend war. Jake war sicher ein Magnet für Menschen. „Nein, bei Gott nicht! Ich würde es alleine niemals aushalten! Das wäre mir viel zu langweilig! Dann müsste ich mich den ganzen Tag nur mit mir beschäftigen!" er lachte wieder, aber dann wurde es still zwischen uns.
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Jakes Definition von Freiheit
Teen FictionJake und Joshua leben in verschiedenen Welten. Während Josh die Schule besucht, unter einem schützendem Dach schläft und von seinen Eltern versorgt wird, lebt Jake auf der Straße und hält sich dank Prostitution, Drogenverkauf und Stehlen über Wasser...