Jake war fertig mit Reden und ein Blick auf meine Armbanduhr zeigte, dass er fast zwei Stunden geredet hatte. Das hieß ich hatte die Bahn verpasst und wenn ich die nächste bekommen wollte, sollte ich mich beeilen. Sonst würde ich noch unglaubliche Schwierigkeiten mit meinen Eltern bekommen. Aber trotzdem wollte ich Jake nicht hier alleine zurücklassen. Er war sicher Müde und hatte keine Jacke oder etwas anderes das ihn hätte warmhalten können. Vielleicht würde er in der Kälte erfrieren? Also war meine einzige Lösung, ihn mit nach Hause zu nehmen. Das war natürlich gefährlich, aber ich vertraute ihm.
Er strahlte dieses gewisse etwas aus. Was mich natürlich nicht davor absicherte, dass er etwas von uns stahl, oder mich um Schlaf erwürgte. Aber ich wollte ihm einen Gefallen tun und meine Mutter hätte sicher auch gesagt, dass es das Richtige war. „Komm Jake, wir müssen zum Bahnhof." sagte ich und erhob mich von der Bank um meine Jacke anzuziehen. „Möchtest du nichts über mein Leben sagen? Dass ich mich falsch entschieden habe und eine Heulsuse bin?" fragte er, wobei ich bemerkte das seine Wangen wirklich nass waren. „Später vielleicht, aber wir müssen diese Bahn kriegen!" ich zog an seiner Hand und zusammen liefen wir in Richtung Bahnhof.
„Geschafft!" schrie ich erleichtert als wir noch rechtzeitig am Bahnhof ankamen. Ich kaufte von meinem Geld zwei Karten und drückte Jake eine davon in die Hand. „Warum?" er zog die Augenbraue hoch und schaute zwischen mir und der Fahrkarte hin und her. „Weil ich dich nicht einfach hierlassen kann und es meiner Mutter sicher nichts ausmacht, wenn du eine Nacht bei uns auf der Couch schläfst." erklärte ich ihm und zog ihn, bevor er protestieren konnte, in die Bahn. „Aber wie komme ich wieder zurück?" „Hier, fünf Dollar, die Fahrkarte kostet vier, den Rest kannst du behalten." ich drückte ihm die fünf Dollar in die Hand die er zögernd in seiner Hosentasche verschwinden ließ. „Ich hoffe deine Mutter hat wirklich nichts dagegen."
Meine Mutter hatte nichts gegen Jake, der sich gerade auf einem Stuhl in unserer Küche befand und eigentlich überhaupt nicht müde aussah. Oder zumindest nicht mehr als heute Morgen. „Junger Mann, warum kommst du fast drei Stunden zu spät nach Hause?" meine Mutter stand mit verschränkten Armen vor mir und schaute vorwurfsvoll zu mir herunter. „Sie sollten Josh nicht bestrafen Misses Anderson, ich bin schuld das er so spät kommt. Wir haben geredet und dann haben wir die Zeit vergessen." versuchte Jake mich zu verteidigen.
„Nimm nicht die Schuld auf dich Jake, ich kenne Josh, er hat dich sicher dazu überredet länger mit ihm zu reden! Aber wir können morgen darüber sprechen. Es ist Wochenende, Jake kann bleiben so lange er möchte." sagte meine Mutter noch bevor sie die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer ging. Ich hatte mir doch schon gedacht, dass sie nichts dagegen hatte, dass Jake hier schlief. „Man, deine Mutter ist echt nett!" Jake lächelte mich an, als er hinter mir die Treppe in den ersten Stock nach oben ging. „Und du natürlich erst recht!" diesmal zwinkerte er mir zu, und wenn es im Gang nicht so dunkel gewesen wäre, hätte er sehen können, wie ich rot wurde.
„Das ist mein Zimmer" ich öffnete die Türe und ließ Jake zuerst eintreten. Dann schloss ich sie wieder hinter mir und setzte mich auf mein Bett. Ich war Hundemüde und wollte mich nur noch in den wohltuenden Schlaf retten. Aber ich musste Jake noch eine Decke geben, damit er es sich auf meiner Couch bequem machen konnte. „Du kannst auch mit im Bett schlafen, wenn du willst!" versuchte ich das Problem aus der Welt zu schaffen, aber er schüttelte den Kopf. „Du kennst mich keinen halben Tag. Zwar weißt du mehr über mich als jeder andere Mensch der Welt, aber wir sollten das nicht machen." antwortete er.
Irgendwie fühlte ich mich ein bisschen beleidigt, aber ich gab trotzdem nach. Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn zumindest einmal ein hübscher Junge mit mir im selben Bett geschlafen hätte. Aber irgendwie war es auch ekelhaft, wenn man bedachte das er Prostituierter war und jeden Tag mit jemand anderem im Bett schlief. Ich suchte eine Decke für Jake und brachte ihm dann noch ein Kissen. Währenddessen hatte er sich schon bis auf die Boxershorts ausgezogen und ich konnte seinen nackten Oberkörper bestaunen. Er hatte Muskeln und obwohl er auf der Straße lebte, hatte er weder auf der Brust noch unter den Achseln Haare, was mich schon erstaunte. Wie machte man das bitte? Wann rasierte er sich?
„Soll ich mein letztes Kleidungsstück selber ausziehen oder willst du das machen? So wie du mich gerade ansiehst glaube ich eher Zweiteres!" lachte er und legte sich auf die Couch, während ich mich mit hochrotem Kopf ebenfalls bis auf die Boxershorts auszog und mich dann in mein Bett legte. Wie konnte er nur so offen mit mir reden? Und was hätte er getan, wenn ich auf seine Frage mit 'Ja' geantwortet hätte? Hätte ich sie ihm dann wirklich ausziehen dürfen? Oder würde ich vor ihm jetzt anders dastehen? Was denkt er überhaupt von mir? Dass ich ein Idiot bin, dem er das Herz ausgeschüttet hatte und der gar nichts dazu sagte? Oder dass ich ein Loser war, der froh darüber sein sollte, jemanden wie ihn in meinem Zimmer zu haben?
„Über was denkst du nach Josh?" fragte Jake. „Ich weiß das du noch wach bist!" diesmal lachte er. Wenn ich nicht atmete, bemerkte er vielleicht nicht, dass ich ihn hörte. „Naja, auch wenn du jetzt so tust als würdest du schlafen, ich wollte nur nochmal sagen, dass ich froh bin das du mich hier schlafen lässt. Du bist einer der nettesten Menschen den ich in meinem Leben kennengelernt habe. Und ich weiß nicht, warum ich bei dir so das Bedürfnis habe zu reden. Es tut mir leid, dass ich dich den ganzen Tag schon so voll labere. Deshalb höre ich jetzt einfach damit auf. Für heute. Gute Nacht Josh!" sagte er. Man, er war zwar echt heiß, aber auch ein komischer Vogel!
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Jakes Definition von Freiheit
Teen FictionJake und Joshua leben in verschiedenen Welten. Während Josh die Schule besucht, unter einem schützendem Dach schläft und von seinen Eltern versorgt wird, lebt Jake auf der Straße und hält sich dank Prostitution, Drogenverkauf und Stehlen über Wasser...