Schattenmädchen

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IN DEN NÄCHSTEN Tagen bekomme ich Kaspian kein einziges Mal zu Gesicht

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IN DEN NÄCHSTEN Tagen bekomme ich Kaspian kein einziges Mal zu Gesicht. Bei der Versammlung des Rates wurden anscheinend viele Fragen aufgeworfen und die Verhandlung über das Schicksal Lord Rivens und Lord Balrens wurde bis zu deren Klärung vertagt. Der König und seine Minister sind täglich vom frühen Morgen bis spät in die Nacht auf den Beinen, beraten sich und diskutieren die Sachverhalte im großen Ratssaal. Diese Versammlungen sind kräftezehrend, sogar an Trumpkin gehen sie nicht spurlos vorbei. Ich versuche, das Beste daraus zu machen, und kümmere mich nicht nur um die Belange der Assassinen, sondern auch um jene der Soldaten – Jared ist als neuer Hauptmann des Öfteren ebenfalls zu den Versammlungen berufen. Die verbleibende Zeit verbringe ich entweder draußen – zum Beispiel besuche ich die großen Mäuse – oder sitze mit Lady Valess zusammen im Salon. Nicht im Damensalon, in dem sich vorwiegend die Ehefrauen der Ratsmitglieder aufhalten, sondern in einem anderen – klein und gemütlich. Valess und ich pflegen mittlerweile ein freundschaftliches Verhältnis und die Lady hat begonnen, mich in verschiedenen Dingen zu unterrichten, die ich als Königin brauchen werde und die sie als Adelige bestens beherrscht. Das betrifft beispielsweise das Tanzen oder andere Feinheiten der gesellschaftlichen Etikette. All das habe ich zwar oberflächlich gelernt, aber als Kriegerin braucht man eben nicht zu wissen, wie eine Dame aus gutem Hause ihre Teetasse zu halten hat. Im Gegenzug bringe ich ihr ein paar Kniffe mit dem Dolch bei, immerhin sollte sich auch eine Lady zu verteidigen wissen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn Valess ist äußerst sanftmütig und kann keiner Fliege etwas zu leide tun. Doch alles in allem verstreicht die Zeit nicht ungenützt, nein, ganz im Gegenteil. Ich habe nun endlich das Gefühl, wieder zu Hause angekommen zu sein. Wenn man etwas mehr als ein Jahr nicht anwesend war, braucht es doch eine ganze Weile, bis man sich wieder eingewöhnt hat. Außerdem vergeht auch der Drang, alles nachholen zu müssen, was in der Zwischenzeit geschehen ist. Nicht nur, dass das vollkommen unmöglich ist, sondern auch nicht nötig. Jeder geht seinen eigenen Lebensweg, manchmal vereinen sich diese Wege eine Zeit lang und trennen sich irgendwann wieder – und man ist immer genau da, wo es einem zu sein vorherbestimmt ist.


» Was hältst du hiervon? «, Valess' Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich wende meine Aufmerksamkeit ihr zu. Die Braunhaarige sitzt zusammen mit Rhea und mir auf meinem Bett und hält ein Buch mit verschiedenen Zeichnungen von Kleidern und Stoffen in Händen. Begonnen hat all das damit, dass Valess auf Mode zu sprechen kam und mich daraufhin tadelte. Ich solle mehr Kleider tragen – und wenn schon keine Kleider, dann wenigstens edle Tuniken. Daraufhin beschloss sie kurzerhand, meine Garderobe zu durchforsten. Ich habe das gezwungenermaßen über mich ergehen lassen. Als dann meine Zofe und gute Freundin Rhea hereinkam, um Tee und Gebäck zu servieren, blieb sie natürlich, um der Lady zur Hand zu gehen. Die beiden verstanden sich auf Anhieb prächtig und verbrachten Stunden damit, meinen Kleiderschrank und die Truhe durchzusehen, Kombinationen zusammenzustellen und einige – wenige – Stücke auszusortieren. Während sie sich austobten, saß ich am Tisch und las. Das brachte Valess und Rhea auf die Idee, in der schlosseigenen Bibliothek einige Bücher zu besorgen und sie gemeinsam durchzusehen. Nach diesem Streifzug kehrten wir mit einem ganzen Stapel in mein Gemach zurück, den wir nun seit geraumer Zeit durcharbeiten. Valess suchte hauptsächlich Werke wie jenes, in dem sie gerade blättert. Rhea bevorzugte Schriften mit Backrezepten oder allerlei Geschichten – romantische Märchen beispielsweise. Ich hingegen mag Bücher über Abenteuer mit Bildern aus der Natur. Wie dem auch sei, ich werfe einen Blick auf die Zeichnung eines Kleides, auf welche Valess deutet und mich fragend ansieht. Es ist ein ziemlich pompöses Ballkleid mit weitem Rock und Puffärmeln. Dazu trägt die gezeichnete Dame einen federbesetzten Hut. Dass solch ein Kleid - oder so ein Hut – tatsächlich getragen wird, kann ich mir nur schwer vorstellen...obwohl, ich meine, Lady Benchheim trug etwas Derartiges. Ich muss mich zusammenreißen, um das Gesicht nicht zu verziehen.

Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt