Volk

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SEITE AN SEITE schreiten wir zwischen den Reihen hindurch, während die Gäste weiterhin jubeln und uns mit gebührendem Abstand folgen

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SEITE AN SEITE schreiten wir zwischen den Reihen hindurch, während die Gäste weiterhin jubeln und uns mit gebührendem Abstand folgen. Meine Hand ruht auf Kaspians Arm und er führt mich zielstrebig aus dem Thronsaal hinaus. Aus dem Augenwinkel erkenne ich unsere Trauzeugen, die uns auf Schritt und Tritt folgen. Valess und Rhea zupfen auch noch rasch meinen Schleier zurecht. Auf dem Korridor steht beinahe das gesamte Schlosspersonal aufgereiht und ruft uns ebenso seine Glückwünsche zu. Viele der Bediensteten leben mit ihren Familien hier im Schloss und so sind auch einige Kinder dabei. Diese sehen uns mit großen Augen an und streuen weitere Blütenblätter auf dem Boden aus. Ich lächle und winke praktisch ständig, Kaspian tut dasselbe und doch setzen wir unseren Weg stetig fort. Es geht durch die Eingangshalle nach draußen und endlich bleiben wir stehen. Mir bietet sich ein Bild, das mein Herz vor Aufregung noch schneller schlagen lässt als es das ohnehin schon tut. Eine riesige Volksmenge hat sich auf dem Hof von Feeneden versammelt. Sobald Kaspian und ich ins Sonnenlicht treten, bricht eine Welle von Jubelrufen los. Es sind so viele Leute gekommen. Die meisten stammen wohl aus der Stadt und aus den umliegenden Dörfern, doch einige sind bestimmt auch mit Schiffen angereist – vermutlich als Begleiter der hohen Herrschaften aus Kalormen und von den Inseln vor Narnias Küste. Ich entdecke aber auch viele Soldaten – in Rüstung oder nicht – unter dem wartenden Volk. Nein, darüber will ich heute nicht weiter nachdenken. Ich mache mir eher Sorgen darüber, was diese Leute wohl von mir erwarten. In Anbetracht der großen Menge halte ich Kaspian also ein wenig fester und lasse mich von ihm bis zum Treppenabsatz leiten. Dort können wir die Anwesenden gut überblicken und sie wiederum haben freie Sicht auf uns. Eine Bewegung lenkt meine Aufmerksamkeit nach oben. Dort segelt etwas Weißes durch die Luft. Ich sehe genauer hin und erkenne ein Blütenblatt, dem viele weitere folgen. Weiße, rote und gelbe Blätter werden aus den Fenstern über uns aus großen Körben gestreut. Ein leichter Wind verteilt sie, sodass sie auch zu den Leuten auf dem Platz hingetragen werden. Daraufhin rollt eine neue Welle von Glückwünschen, Jubel und Trubel über uns hinweg.

» Hoch König Kaspian «,

» Hoch Königin Luna «,

» Hoch lebe das Königspaar «, rufen sie immer wieder. Ein angenehmes Schaudern läuft meinen Rücken hinunter und es fällt mir schwer, all das hier zu begreifen. Ich bin mit einem König verheiratet, wurde zur Königin von Narnia gekrönt...doch was viel wichtiger ist, ich habe ein Leben an der Seite meines Liebsten vor mir. Bei diesem Gedanken lächle ich noch mehr und lasse meine Augen über all die freudigen Gesichter wandern, die mich ansehen und winken und springen und einfach ausgelassen sind. Wir sind mittlerweile an allen Seiten umgeben von Narnianen, von...unserem Volk. Dies lässt mich erneut erschaudern und mein Blick fällt auf Kaspian. Er beobachtet mich bereits und ein warmes Lächeln spielt um seine Lippen. Er legt seine Hand auf meine und streicht mit dem Daumen über meinen Handrücken, bevor er sie hochhebt und einen Kuss auf meine Finger haucht. Es braucht dazu keine Worte, die Gesten sind genug. Wahrscheinlich gibt es auch nichts, das in diesem schier unglaublichen Moment die eigenen Gedanken und Gefühle auch nur annähernd ausdrücken könnte.


Nach und nach kehrt ein wenig Ruhe ein und es fallen nur noch wenig Blüten zu uns herab. Kaspian hebt die Hand wie zum Gruße und wirft mir nochmals einen liebevollen Blick zu.

» Narnianen und Gäste aus unseren geschätzten Nachbarländern «, er erhebt seine Stimme und ausnahmslos alle hängen an seinen Lippen,

» Seid gegrüßt und versichert, dass jeder hier willkommen ist. Nicht nur an diesem heutigen – besonders freudigen – Tag, sondern jederzeit. Das war schon immer Tradition und so soll es auch bleiben «. Ein zustimmendes Murmeln wandert durch die Reihen und einige nicken bekräftigend.

» Es ehrt mich, dass ihr alle gekommen seid, um mit uns zu feiern «, er hält kurz Inne und wendet sich mir zu,

» Aber ich spreche nicht mehr für mich allein. Heute wurde die Königin gekrönt und von nun an sprechen wir füreinander «. Kaspian drückt meine Hand und für einen Augenblick frage ich mich panisch, was ich nur sagen sollte, wenn ich dazu aufgefordert werde. Doch sein warmer Blick nimmt mich gefangen und lässt mich für einige kurze Sekunden alles andere um uns herum völlig vergessen. Ich weiß nicht wie, aber das beruhigt mich jedes Mal. Ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen, spricht er schließlich weiter

» Es ist schon lange her, dass Narnia eine Königin hatte, noch länger ein Königspaar. Doch wir werden unser Bestes geben. Das...ist ein Versprechen «.


Damit bricht erneut ein wahrer Sturm von allerlei Stimmen los. Kaspian legt einen Arm um mich und zieht mich so eng wie möglich an sich. Dann – plötzlich – beginnt sich das Stimmengewirr zu verändern. Einzelne Stimmen heben sich heraus, weitere folgen. Sie singen! Zunächst ist es nur ein Summen in allen Tonlagen, doch nach und nach beginnt die Melodie ganz klar zu werden. Es ist die Hymne Narnias, ein Lied zu Ehren Aslans und allen Königen und Königinnen. Es dauert nicht lange und das gesamte Volk stimmt in den Gesang ein. Einige beginnen, sich mit einem Partner im Takt zu wiegen, andere stehen stramm, manche legen die Hände über ihre Herzen und viele haben die Augen geschlossen. In meiner Nähe höre ich Trumpkins tiefe Stimme und Nalenyas klare in den Chor einstimmen. Auch Kaspian summt leise mit. Er hat die Augen geschlossen und lehnt seine Stirn an meine. Zaghaft beginne auch ich, den Text mitzusingen. Die Worte kennt jeder Narniane inn- und auswendig, auch die Archenländer, die Inselstämme und sogar der eine oder andere Kalormene können die Strophen zitieren. Schließlich beginnen verschiedene Instrumente, das Lied zu begleiten. Die Satyrn spielen auf Flöten und Leiern, irgendwo streicht jemand den Bogen über die Saiten seiner Fidel und ein Barde zupft auf den Saiten einer Mandoline. Mich überkommt ein unbeschreibliches Gefühl – so erhaben und wunderschön ist dies hier. Es ist unvergleichlich – vielleicht wie der Sonnenaufgang am Morgen nach einer stürmischen Nacht, eine Trompetenfanfare inmitten eines Orchesterstücks, das Rauschen des Windes durch die Baumkronen in einem Herbstwald oder das erste Glitzern der Sterne vor der Dämmerung. Nun, oder all das in einem.


Als die Hymne ihren Ausklang findet, hat sich das angenehme Gefühl einer Einheit, von Zusammengehörigkeit, breitgemacht. Ich nehme mir fest vor, dieses Gefühl immer in Erinnerung zu behalten und stets wieder neu zu beleben. Denn das gehört zu den Dingen, die in Zeiten von Not oder Bedrängnis Kraft geben. Kaspian hat die Augen nun wieder geöffnet und studiert meine Züge. Ich lächle leicht und verberge weder meine Freude noch meine Aufregung, während ich in seinem Blick dieselben Gefühle lese.

» Ich liebe dich «, flüstern wir beinahe gleichzeitig. Mit einem strahlenden Grinsen drückt er mir rasch einen Kuss auf die Lippen und meint

» Jetzt, Freunde, lasst uns ein Fest feiern «.

Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt