DER ABEND SCHREITET voran und das Fest findet seinen Ausklang. Rhea begleitete mich in meine Gemächer und bürstet nun mein langes Haar, während ich sie im Spiegel dabei beobachte. Plötzlich klopft es zweimal an der Tür. Die Geschehnisse, das Fest und die Gemeinschaft haben mich ausgelaugt und ich bin müde. Als das Klopfen ertönt, zeige ich deshalb keine Reaktion. Mein Tag – auch wenn es ein siegreicher war – ist zu Ende. Rheas Blick trifft im Spiegel auf den meinen. Sie lächelt leicht, legt die Bürste auf den Tisch und geht zur Tür.
» Eure Majestät! «, höre ich sie überrascht – beinahe erschrocken – ausrufen und wende den Kopf. Sehen kann ich Kaspian allerdings nicht, denn Rhea hat die Tür nur so weit geöffnet, dass sie den entstandenen Spalt ausfüllt. Meine Zofe macht auch keine Anstalten, sie weiter oder ganz zu öffnen. Was macht Kaspian denn überhaupt so spät noch hier?
» Würdet Ihr uns bitte allein lassen? «, fragt Kaspian höflich. Ich kann mir vorstellen, dass er Rhea gerade erwartungsvoll ansieht, ich tue dasselbe. Sie rührt sich allerdings nicht vom Fleck und verdeckt weiterhin die Sicht.
» A-aber, Eure Majestät, bei allem Respekt, das Brautpaar sollte sich vor der Hochzeit so lange wie möglich nicht sehen...u-und...und es bringt schließlich Glück... «, stottert sie – in Kaspians Gegenwart war sie schon immer so nervös. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man tatsächlich meinen, sie hätte ihn gerne.
» Ab morgen werden wir uns auch daranhalten «, verspricht Kaspian,
» So ist es Tradition «. Damit richtet er sich zu voller Größe auf. Bis jetzt hat der den Widerspruch der Zofe geduldet und milde hingenommen, doch nun hat er anscheinend genug. Entsprechend der späten Stunde wird sein Geduldsfaden wohl auch nicht mehr ganz so lang sein wie gewöhnlich. Ich lächle in mich hinein. Natürlich könnte ich ihm helfen. Auf mein Wort hin würde Rhea in dieser Angelegenheit zwar auch nicht sofort kleinbeigeben, aber gegen uns beide würde sie sicherlich schneller den Kürzeren ziehen. Allerdings ist die Szene doch recht amüsant mitzuverfolgen und ich habe nicht vor, das zu unterbinden. Kaspian bekommt das schon hin.
» Nun? «, fragt er und seine Stimme ist ein wenig tiefer als sonst.
» Wie Ihr wünscht, Eure Majestät «, Rhea knickst steif und wirft mir einen letzten Blick zu, bevor sie sich an Kaspian vorbei aus dem Zimmer schiebt. Jetzt kann ich den Besucher sehen. Er hat sich mit einem Arm an den Türrahmen gelehnt und bleibt dort noch einen Moment stehen. Ich drehe mich auf meinem Hocker in seine Richtung und sehe ihn abwartend an. Er schüttelt müde lächelnd den Kopf und zieht eine Augenbraue hoch.
» Vielen Dank für deine Hilfe «, meint er ironisch, tritt ein und schließt die Tür hinter sich. Ich lächle verschmitzt zurück, gehe jedoch nicht weiter darauf ein. Stattdessen sehe ich ihm in die Augen, während er näherkommt.
» Ab morgen werden wir uns daranhalten? «, frage ich nach und ein seltsames Gefühl von Einsamkeit schwappt über mich hinweg. Eigentlich bin ich daran gewöhnt, ihn länger nicht zu sehen, aber bei dem Gedanken daran, ihn vor unserem großen Tag nicht noch einmal in die Arme schließen zu können, zieht sich mein Herz zusammen. Kaspian seufzt und reibt sich über den Nacken
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Die Reise des Löwen | Eine narnianische Geschichte
Fanfiction"An deiner Seite bin ich immer bereit." Lunas Reise über Narnias Grenzen hinaus führt sie nicht nur zum äußersten Osten; sie findet eine Bestimmung, die über ihre Aufgabe, den König zu schützen, hinausgeht. März 2022: 3. Platz in FanFiction (The Bor...