Alpträume

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Ich schlage die Augen auf und sehe

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Ich schlage die Augen auf und sehe...mich. Ich stehe da, gerade und aufrecht, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Das prächtige rot-goldene Kleid scheint meinen Körper hinab zu fließen. Meine langen Haare fallen in leichten Wellen über meine Schultern und wiegen sich im Wind hin und her. Sie werden nur von einer feingliedrigen, silbrig-gold-schimmernden Krone festgehalten, die mit blutroten Edelsteinen besetzt ist. Das Seltsame an diesem anderen Ich ist der stechende Blick. Ich wusste nicht, dass meine braunen Augen einen solch furchterregenden Ausdruck annehmen können. Es scheint fast, als könnten sie bis in die tiefsten Tiefen der Seele hinabblicken, alle Geheimnisse ergründen und als läge das Wissen der Welt in dem dunklen Braun versteckt. Bereits einen Atemzug später muss ich mich abwenden, denn ich ertrage diesen Blick nicht mehr. Ich drehe mich herum und sehe das geöffnete Fenster. Die Vorhänge werden zur Seite geweht und geben den Blick nach draußen frei. Was ich sehe, lässt mich erstarren. Auf einem weiten Feld stehen sich zwei Armeen gegenüber. Sie setzen sich in Bewegung. Zuerst langsam, dann immer schneller. Dann prallen die Fronten aufeinander. Die grüne Wiese färbt sich rot und das Land rundherum versinkt in einem Flammenmeer. Je länger ich dort stehe, desto mehr gesichtslose Krieger fallen. Nun entdecke ich eine Gestalt in einer silbernen Rüstung auf einem Ross. Mein Herz stockt als ich erkenne, wer es ist. Kaspian auf meinem Hengst Donnerwind. Ihm gegenüber, ein Ritter in schwarzer Rüstung. Die beiden gehen aufeinander los. Metall klirrt auf Metall als ihre Schwerter niedersausen und aneinanderprallen. Ich kann die Augen nicht von den Kämpfenden abwenden. Nur aus dem Augenwinkel bemerke ich die Bewegung neben mir. Ich fahre herum und stehe wieder mir selbst gegenüber. Nur sieht mir dieses andere Ich diesmal nicht durch den schweren, goldumrahmten Spiegel entgegen. Sie lächelt. Es ist kein schönes Lächeln.

» Siehst du, was du anrichtest? «, fragt die andere Luna,

» Du bist Schuld an alledem! «. Sie deutet nach draußen, ich folge ihrem ausgestreckten Arm. Kaspian geht genau in diesem Moment zu Boden. Der schwarze Ritter beugt sich über ihn und hebt das Schwert zum letzten Stoß. Ich schreie und will nach meinen Waffen greifen, doch sie sind nicht an meinem Gürtel. Zu meinem eigenen Schrei mischen sich nun viele andere. Überall um mich herum nichts als Schreie. Nur eine Person lacht. Es ist diese andere, mir so ähnlich und doch nicht gleich. Sie lacht immer weiter. Der Ton wird lauter und dröhnender. Tränen rinnen über meine Wangen und mein Schrei bricht ab.


Ich schrecke hoch. Mein Herz rast, mein Atem geht unregelmäßig. Ich fühle etwas Nasses an meinen Wangen. Es sind Tränen. Es war nur ein Traum, versuche ich mir einzureden. In meinem Kopf meldet sich ein leises Stimmchen. Was, wenn es kein Traum war? Nun ist an Schlafen sowieso nicht mehr zu denken. Ich vergewissere mich, dass Lucy ruhig in ihrem Bett liegt, dann stehe ich auf. Leise streife ich mein Nachtgewand ab und ziehe mich an. Hastig verlasse ich die Königskajüte, die Lucy und ich uns teilen. Mit noch immer klopfendem Herzen lenken meine Füße meine Schritte wie von selbst zum hinteren Teil des Schiffes, wo die Matrosen in ihren Hängematten schlummern. Ganz hinten am Fenster schlafen die beiden Könige. Auch ihre Träume scheint das Böse heimzusuchen, denn sie werfen sich unruhig hin und her. Kaspian murmelt etwas Unverständliches. Sachte lege ich eine Hand auf sein Herz. Ich fühle es schlagen und atme beruhigt aus. Mit der anderen Hand streiche ich ihm die Haare aus dem Gesicht. Plötzlich schlägt er die Augen auf. Schnell will ich meine Hände zurückziehen, doch er hält sie fest und haucht einen Kuss auf meine Finger.

» Luna, was machst du denn hier? «, fragt er schließlich leise.

» Alpträume «, flüstere ich. Kaspian setzt sich auf. Mit der einen hält er meine Hand über seinem Herzen fest, mit der anderen zieht er mich enger zu sich. Dann verschließt er meine Lippen mit den seinen. Es fühlt sich an als würde ich auf Wolken laufen, ein wunderschönes Gefühl. Nachdem wir uns wieder voneinander lösen, lehnt er seine Stirn an meine und spielt mit einer Strähne meines offenen Haares. Auf einmal tauchen wieder die Bilder des Traumes vor meinem geistigen Auge auf. Ich sehe ihn, tot und in sich zusammengesunken. Ein Schauer rinnt meinen Rücken hinab. Was, wenn ich ihn einmal in Gefahr bringe? Was, wenn dieses andere Ich Recht hat? Im Grunde bin ich nicht da, um den König zu lieben, sondern um ihn zu schützen. Das ist das Einzige, das zählt. So gerne ich mich auch in seine Arme kuscheln würde, wo ich mich geborgen fühle und wo ich einmal nicht ständig aufpassen muss, einmal nicht die Leibwächterin sein muss...Nein, ich bin aber genau das. Ich bin die Leibwächterin der drei Könige hier an Bord der Morgenröte und meine Aufgabe ist es, sie zu schützen. Sollte es mein Leben fordern, so gilt es, nicht zu zögern.


Vorsichtig löse ich mich aus seiner Umarmung und stehe auf.

» Du solltest versuchen, noch etwas zu schlafen. Wir werden in den nächsten Tagen viel Kraft brauchen «, sage ich entschuldigend. Kaspian sieht mich eine Weile an, dann nickt er.

» Du hast Recht «, meint er, zieht mich aber trotzdem noch einmal zu sich herunter und küsst mich sanft.

» Ich liebe dich «, haucht er. Da ist es! Mein Herz macht einen freudigen Hüpfer, doch ich mahne es zur Ruhe. Statt meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, lächle ich nur und sage nichts weiter. Erwidere es nicht. Noch im selben Moment habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich höre, was mein Herz sagt. Es drängt mich dazu, ihm dasselbe zu sagen, doch mein Verstand kämpft dagegen an. Schnell drehe ich mich um und husche durch die Dunkelheit davon. 

Die Reise des Löwen | Eine narnianische GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt