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Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war der Raum nur noch schwach durch eine kleine Stehlampe in der Ecke beleuchtet. Ich lag mit hoch gelegten Beinen auf dem abgenutzten Sofa, auf dem ich zuvor schon gesessen hatte. Auch den Raum hatte ich schon gesehen, bevor mich das schwarze Nichts verschlungen hatte. Allem Anschein nach befand ich mich noch immer bei Leah zuhause. Doch ich war allein.
Warum lag ich hier eigentlich? Es dauerte eine Weile, bis sich die Ereignisse des Abends in meinem Geist wieder zusammen geführt hatten und ich die ganze Situation erfasst hatte.
Mein Vater hatte mich mitten in La Push ausgesetzt, bei einen absoluten Sau-Wetter. Leah und Seth hatten mich gefunden und hier her gebracht. Und dann? Dann hatte ihre Mutter meine angerufen!
Völlig unerwartet stand sie plötzlich vor mir und nahm mich in den Arm. Allein bei dem Gedanken an sie begann mein Herz wieder zurasen und mein Atem beschleunigte sich.
Doch wo war sie jetzt? Und wo waren Leah und ihre Mutter? Wie lange war ich weg gewesen?
Diese und noch so unendlich fiele andere Fragen kreisten in meinem Kopf, während ich ganz leise, aber deutlich Stimmen aus dem Raum nebenan vernahm.
Jemand schien sich leise zu unterhalten.
„Stella, wusstest du, dann sie kommt?", das war eindeutig die Stimme von Leahs Mum.
„Nein", das schien dann die Angesprochene Stella zu sein, „Er hatte gesagt, dass ich sie frühestens dann wieder sehen werde, wenn sie Volljährig ist. Aber ich hatte selbst dann nur wenig Hoffnung, dass sie mich sehen wollen würde."
„Warum das denn? Immerhin bist du ihre Mutter."
„Mag ja sein Sue, aber ich kenne John. Er wird ihr nicht gesagt haben, warum ich nicht da war. Was soll sie nur von mir denken?", die Stimme gehörte definitiv meiner Mutter. Es klang so, als würde es ihr Mühe kosten zu sprechen. Aber immerhin wusste ich nun, dass Leahs Mutter Sue hieß.
Langsam richtete ich mich auf, in der Erwartung, dass der Raum um mich herum sofort wieder zu drehen begann. Doch der erwartete Schwindel blieb aus und ich stand zögerlich auf. Sollte ich jetzt einfach in das Gespräch der beiden Frauen rein platzen? Aber hier zu bleiben und heimlich zu lauschen, war für mich nicht wirklich eine Alternative.
Ich seufzte innerlich einmal auf und straffte die Schultern. Jetzt würde ich wohl zum ersten Mal meiner Mutter begegnen. Die halbe Minute die ich sie gesehen hatte, bevor ich Ohnmächtig geworden war, konnte man ja nicht zählen.
Langsam und vorsichtig ging ich auf die angelehnte Türe zu, die mich von den beiden trennte. Ganz kurz hielt ich inne und drückte sie dann mit einem Ruck auf. Sofort trat mir grelles Licht entgegen. Die beiden saßen an einem runden Tisch in mitten einer kleinen, gemütlichen Küche. Beide eine dampfende Tasse vor sich, die auffällig gut nach Kaffee roch. Noch bevor die Tür ganz geöffnet war, hatten die Frauen mich schon bemerkt und sich mir zu gewandt.
„Lucy, wie geht es dir?", fragte mich Leahs Mutter und zog mir sofort einen Stuhl zwischen ihnen zurecht. Meine Mutter sah mich nur mit großen, Tränen unterlaufenden Augen an.
„Keine Ahnung", antwortete ich ihr ehrlich und setzte mich auf den mir zu gewiesenen Stuhl. Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich zwischen den beiden, was ihnen nicht zu entgehen schien.
„Ähm..", begann Sue, „möchtest du auch einen Kaffee, oder lieber was anderes."
„Kaffee wäre super!", ich konnte nicht verhindern, dass ein wenig Begeisterung in meiner Stimme mit schwang. Ich liebte Kaffee!
Mit einem freundlichen lächeln stand sie auf, füllte eine weiter Tasse, reichte sie mir und setzte sich wieder.
„danke", erwiderte ich ihr Lächeln, als ich die Tasse fest mit beiden Händen umschloss.
Da ich nicht so recht wusste, was ich jetzt sagen oder tun sollte und es den andern beiden ähnlich zugehen schien, breitete sich ein unangenehmes Schweigen in der Küche aus. Unwillkürlich wurde mein Griff um den Kaffeebecher noch etwas fester und ich starrte verlegen in die schwarze Flüssigkeit darin.
Noch vor einem Tag, waren mir, allein bei dem Gedanken an meine Mutter, tausende von Fragen in den Kopf geschossen. Doch jetzt, wo sie nicht mal einen Meter von mir entfernt saß, war ich einfach zu feige, mit ihr zu sprechen. Geschweige denn, dass ich den Mut dazu auf brachte, meinen Blick zu heben und sie an zu sehen.
„Also...", war es wieder Sue, die als erste ihre Stimmer wieder gefunden hatte, „Ich gehe mal davon aus, dass es einen Grund hat, warum du hier bist, Lucy?"
Erschrocken davon, dass sie mir als erstes die Frage stellte, vor der ich am meisten Angst hatte, zuckte ich ein wenig zusammen. Einen Moment war ich nicht dazu in der Lage zu reagieren, dann zwang ich mich aber zumindest zu einen schwachen Nicken.
„Okay...", sie schien einen Augenblick zu überlegen, wie sie das Gespräch in Gang bekommen könnte, „Wie wäre es, wenn Stella uns erst einmal erzählt, warum du überhaupt bei deinem Vater groß geworden bist?"
Reflex artig hob ich den Kopf und sah der Indianerin ins Gesicht. Noch immer lächelte sie aufmunternd. Und was tat ich? Ich nickte wieder nur. Dann hörte ich wie meine Mutter einmal tief durch atmete, bevor sie mit ihrer Erzählung begann. Und wenn ich auch nur die Hälfte davon gewusst hätte, hätte ich meinen Vater eigenhändig um gebracht!
„Also, ich fang am besten mal ganz am Anfang an, denn ich denke nicht, dass Mike dir die ganze Geschichte erzählt hat.", sie begann sich nervös die Haare aus dem Gesicht zu streifen und nahm mich dann mit in ihre Vergangenheit, „ Ich war gerade mit der High School fertig geworden und freute mich riesig auf den Sommer mit meinen besten Freunden. Es war ein ungewöhnlich warmer Sommer für La Push und wir verbrachten die meiste Zeit am Strand. Sue war schon damals meine beste Freundin und immer an meiner Seite, außerdem waren noch Lena, Billy, Harry und Quil immer mit von der Partie. Es war wieder einer der normalen Nachmittage am Strand. Wir Mädchen lagen in der Sonne, während die Jungs sich auf dem Surfbord versuchten. Der First beach war schon immer sehr beliebt bei Surfern, von daher waren auch wieder viele Jugendliche aus den umliegenden Städten da. An dem Tag habe ich ihn das erste Mal gesehen. Er sah einfach unglaublich gut aus, wie er durch die Wellen flog. Ich konnte nie genau sagen was es war, aber von dem Tag an, zog er mich immer mehr in seinen Bann. In den darauf folgenden Tagen, verbrachte ich noch mehr Zeit am Strand als ich eh schon tat. Nur in der Hoffnung, er würde mich irgendwann bemerken. Vielleicht sogar mit mir sprechen. Ich war halt ein typisches 18 jähriges Mädchen, dass sich von einer Fassade blenden ließ."
Meine Mutter unterbrach sich kurz, um einen Schluck von ihrem Kaffee zu nehmen und ihre Gedanken zu sortieren. Ihre Augen hatte mittlerweile einen Abwesenden Ausdruck an genommen.
„Eines Tages hatte ich Glück, wie es mir schien, und wir kamen in ein Gespräch. Mit jedem Wort, das er sprach wuchs mein Interesse an ihm. Er kam aus Portland und war mit ein paar Freunden für zwei Wochen hier. Danach wollte er sich auf den Weg nach Washington machen um dort Jura zu studieren. Er wusste genau, wo er im Leben einmal stehen wollte und auch das zog mich nur noch näher zu ihm. Ich war dumm und naiv, als ich all seinen Versprechungen und Lügen glaubte. Doch ich war so verliebt, dass ich selbst die Warnungen meiner besten Freundin ignorierte. Als er nach den zwei Wochen ab reiste, versprach er mir, dass er so schnell wie möglich zu mir zurück kommen würde und ich glaubte ihm. Immerhin trug ich seinen Ring, als versprechen. Wir führten eine perfekte Fernbeziehung. Telefonierten Täglich für mehrerer Stunden. Kurz nach seiner Abreise erfuhr ich von meiner Schwangerschaft. Als ich ihn zwei Monate später wieder sah und ihm erzählte, dass ich schwanger sei, änderte sich alles. Er begann mich zu kontrollieren. Stellte Regeln auf, an die ich mich zu halten hatte. Selbst wenn er nicht da war, so sorgte er immer dafür, das ich ihm stündlich Nachrichten schrieb. Es ging sogar so weit, dass ich nicht einmal mehr zu Sue ging, ohne ihn vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Handelte ich gegen seinen Willen, dann bestrafte er mich. Zunächst noch mit Kleinigkeiten, er nahm mir mein Telefon für Tage weg, oder ähnliches. Ich denke es war so etwa in der Mitte der Schwangerschaft, als er mich das erste Mal schlug. Ich war jedes Mal froh, wenn er wider an die Uni musste, dann hatte ich ein paar Wochen weniger Angst. Seine Semesterferien verbrachte er hier, da diese sich mit meinem Entbindungstermin deckten. Am Abend vor eurer Geburt hatten wir einen fürchterlichen Streit. Es ging um irgend etwas völlig unbedeutendes, doch er rastete total aus. Schubste mich gegen den Türrahmen, schlug mich, immer und immer wider. Und als er mich wimmernd zu seinen Füßen liegen hatte, sagte er, dass ich mein Kind nie zu Gesicht bekommen würde. Ich zweifelte keine Sekunde an der Ernsthaftigkeit seiner Worte. Völlig verzweifelt, wartete ich bis er schlief und rief dann Sue an und bat sie um ihre Hilfe. Mir war klar, dass ich gegen ihn und seine Familie keine Chance hatte. Eine kleine Indianerin gegen die besten Anwälte des Staates? Ich würde verlieren."
Ohne darüber nach zu denken, griff ich nach ihrer Hand und drückte sie leicht. Sie schien nicht einmal zu bemerken, dass ihr die Tränen übers Gesicht rannen.
„Sue arbeitete zu der Zeit schon im Krankenhaus und wollte mir helfen. Wenige Stunden später lies ich mich dann von Mike in den Kreißsaal bringen. Ich weiß bis heute nicht, wie Sue es geschafft hatte, dass die Ärzte uns halfen, aber sie waren auf unserer Seite. Also versicherte man uns Glaubhaft, dass ein Kaiserschnitt von Nöten wäre. Im OP ging dann alles ganz schnell. Du warst immer halb weniger Minuten da und lagst auf meiner Brust. Mein perfektes kleines Wunder. Doch ich wusste, dass ich nicht viel Zeit hatte, also legte ich dir schnell meine Kette um und gab dir deinen Namen, bevor du von den Ärzten hinaus getragen wurdest. Dicht gefolgt von Mike. Von da an, hab ich dich und ihn nie wieder gesehen. Sue und ich hatten darauf spekuliert, dass er keine zeit verlieren würde, um mit dir zu verschwinden und genau das war unsere einzige Chance. Wenigstens seinen Bruder zu retten. Denn ich hatte Mike nie gesagt, dass du ein Zwilling warst. Wenigstens einen von euch musste ich einfach retten."
ihre Stimme wurde zum Ende hin immer zittriger und brach hin und wider weg. Sie litt unheimlich und die Tränen flossen nur so über ihr Gesicht.
Ich war geschockt, von dem was sie mir erzählt hatte. Das mein Vater ein Schwein war wusste ich, doch das hatte ich nicht erwartet. Und dann war da noch die Sache mit dem Zwilling! OMG!!
Doch als ich meiner Mutter in die verweinten Augen sah, war all das nicht von Bedeutung. Wir waren beide eine schweren Weg gegangen. Hatten Gelitten. Mussten Opfer bringen.
Doch jetzt waren wir hier. Wir beide!
Meinem inneren Drang nach gebend stand ich auf und warf mich ihr in die Arme. Auch ich konnte die Tränen nicht länger zurück halten.
Als sie dann zögerlich ihren Arme um mich legte und ich meinen Kopf an ihre Schulter legte, fühlte es sich so richtig an, als wäre es nie anders gewesen.
Ich war zuhause!
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live sucks
FanficAugen, die noch vor wenigen Stunden so viel Wärme, Geborgenheit und Liebe ausgestrahlt hatten. Jetzt waren sie matt, fast schon leblos, als wäre nichts mehr in ihnen. Krampfhaft versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen. Das Chaos in meinem Inne...