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Die kommenden Wochen verbrachte ich schön artig in meinem Bett, oder auf dem Sofa, so wie es der Doc. Angeordnet hatte. Ich hatte auch keine andere Wahl, denn ich war einfach nie alleine. Irgendwer war immer da und besuchte mich. Ja klar! Die passten eher auf, dass ich mich auch schön an die Anweisungen hielt.
Den Vormittag über stand ich unter persönlichem Schutz der Wölfe. Irgendeiner war immer da. So wie es aus sah, schwänzten sie abwechselnd die Schule, um bei mir zu sein. Was ich ehrlich gesagt einfach nur hasste.
Ich wusste beim Aufstehen nie, wen ich unten in der Küche antreffen würde. Aber mindestens drei Mal in der Woche war es Paul, welcher mich gut gelaunt begrüßte. Wie er immer so gute Laune haben konnte, war mir ein Rätsel. Immerhin hatte sich unser Verhältnis etwas entspannt, aber wir waren noch Meilen weit davon entfernt, wieder wie vorher miteinander umgehen zu können.
Meistens gammelten wir im Wohnzimmer vor dem Fernseher rum. Die Spannung, die fast schon greifbar zwischen uns lag, war in der Enge meines Zimmers, für mich nicht zum Aushalten gewesen.
Und als er mich, etwa eine Woche nach den Ereignissen beinahe geküsst hätte, ergriff ich die Flucht nach unten. Zwar war ich in dem Moment, als er mir immer näher kam zurück gewichen. Doch eigentlich hatte ich nichts anderes tun wollen, als mich ihm hin zu geben. Ganz ohne Bedenken und Zweifel. Tja, aber ich wäre nicht ich, wenn ich es mir einfach machen würde. Ich hatte mir geschworen, mich nicht auf ihn ein zu lassen, bevor ich mir nicht sicher war, dass ich mit den Konsequenzen leben konnte.
Paul nahm das hin, auch wenn er alles andere als glücklich damit wirkte. Er war ein guter Schauspieler, so dass er seine Trauer über meine Zurückhaltung gut verstecken konnte. Aber hin und wieder hatte ich ihn dabei erwischt, wie sie an die Oberfläche gelangt war. In kleinen Momenten, in denen er sich sicher war, dass ich es nicht sehen würde.
Meine Freundinnen waren fast jeden Nachmittag da und hielten mich auf dem Laufenden, was die Schule an ging. So verpasste ich immerhin nicht ganz so viel. Samy erwies sich als äußerst hilfreich. Mit ihr an meiner Seite war es einfacher, in Pauls Nähe zu sein. Die Spannung war dann nicht so geladen. In den Stunden, die wir zu dritt verbrachten, war es fast wie früher. Ich konnte in Paul den Mann sehen, den ich so sehr liebte und der mir einfach nur der beste Freund war, denn man sich wünschen konnte. Wir alberten viel herum und lachten über die merkwürdigsten Dinge. Samy und Paul schienen sich auch sehr gut zu verstehen, so das es den Eindruck machen konnte, wir wären einfach nur beste Freunde, die ihre Zeit miteinander verbrachten.
Sie sorgte dafür, dass die Jungs mir nicht zu sehr auf die Pelle rückten und speiste nervige Mitschüler direkt an der Türe ab. War vielleicht nicht gerade nett, aber ich hielt dies dauerhaften Bekundungen, wie schreckliche das alles doch war und wie leid es ihnen allen tat, einfach nicht mehr aus. Wer in der Schule erzählt hatte, was genau passiert war, wusste ich zwar nicht, aber alle wussten es nach nicht einmal einer Woche. Ab den Tag an, verging nicht ein Tag, an dem nicht irgendwer her kam, um nach mir zu sehen.
Als wäre ich das neuste Weltwunder. Das alle irgendeinen „Gute Besserung" Kitsch mitbrachten, erleichterte die Sache auch nicht. Ich wollte das alles am liebsten einfach nur vergessen.
Noch so ein Punkt, in dem Samy ein Engel war, sie drängte mich nie darüber zu sprechen. Erwartete nicht, dass ich mich bei ihr aus heulte und lenkte mich ab, so gut es ging.
Doch die Tage zerrten auch an meinen Nerven und Kräften. Immer war jemand da. Nie war ich alleine. Musste mich sogar rechtfertigen, wenn ich aufs Klo ging.
So war ich jeden Abend aufs neue Erleichterte, wenn Mom von der Arbeit kam und meine persönliche Leibgarde Feierabend machte.
Die Nächte waren fast so anstrengend wie die Tage. Stunden lag ich immer wach und suchte nach einem Weg, wie ich mich und Paul haben konnte. Mich nicht zu sehr aufgeben musste und ihn möglichst noch näher an mich ran lassen konnte.
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live sucks
FanfictionAugen, die noch vor wenigen Stunden so viel Wärme, Geborgenheit und Liebe ausgestrahlt hatten. Jetzt waren sie matt, fast schon leblos, als wäre nichts mehr in ihnen. Krampfhaft versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen. Das Chaos in meinem Inne...