28
Noch bevor ich einen Fuß auf den matschigen Weg setzten konnte, hielt mich Paul am Arm zurück. Wütend drehte ich mich in seine Richtung und funkelte ihn an. Was dachte er eigentlich wer er war? Was gab ihm das Recht, mich davon ab zu halten, zu gehen?
Bestimmt versuchte ich mich von dem eisernen Griff um meinen Arm zu befreien, jedoch hätte ich genau so gut gegen eine Wand laufen können.
Durch den Schwung den ich auf brachte, um mich los zu machen, wurde ich gegen Paul geworfen. Nun standen wir uns ganz nah gegenüber. Jetzt waren die leichten Blessuren in seinem Gesicht noch deutlicher zu erkennen und ließen mich innerlich zusammen zucken. Wütend sah ich ihm in die Augen, welche so schmerzerfüllt waren, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und die Tränen stiegen mir in die Augen. Paul litt ganz zweifelsfrei und ich wollte nicht, dass es ihm schlecht ging. Aber ich würde nicht den ersten Schritt machen, das schwor ich mir. Pauls flacher Atem traf mich heiß in meinem Gesicht und war schon wieder dabei mein Denken zu benebeln. Wenn ich es nicht irgendwie schaffte, meinen Blick von ihm ab zu wenden, dann würde ich, mal wieder, nachgeben. Super, warum hatte er auch nur so eine Macht über mich. Still hasste ich mich dafür, dass er mich so schwach machte.
„Lahote, wenn du mir nichts zu sagen hast, dann würde ich jetzt gerne gehen", sagte ich angriffslustig. Prima, Lu, als wäre die Situation nicht schon schwer genug, jetzt musste ich ihn ja auch noch reizen. Gedanklich schlug ich mir vor die Stirn. Paul musterte mich überrascht, bevor er scharf die Luft ein zog.
„Luce", flüsterte Paul mit brüchiger Stimme, „komm mit."
Ich trottete ihm in Richtung Wald hinterher. Als wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte. Noch immer hielt er mich eisern im Griff und zog mich unnachgiebig hinter sich her. Ich hatte für mich beschlossen ihm einfach zu folgen, ohne etwas dazu zu sagen. Ich war zur Zeit auch einfach nicht dazu im Stande, denn Paul rannte schon fast. Ich brauchte all meine Kraft um mit ihm Schritt zu halten und all meine Konzentration um nicht fürchterlich zu stolpern, oder das Atmen zu vergessen.
Ich kam mir vor wie ein kleines Kind, welches von seinem Vater zu seiner Bestrafung geführt wurde. Dieses Gefühl war mir so verhasst und doch so vertraut, dass ich nicht anders konnte, als zu zittern zu beginnen. Alles in mir war mit Angst erfüllt. Angst vor dem Gefühl des ausgeliefert seines.
Paul lief immer weiter, hielt keinen Augenblick inne, als hätte er ein klares Zeil vor Augen. Irgendwann, als sich der Wald lichtete und wir am Rand der Klippen ankamen, wurde sein Griff sanfter und seine Schritte langsamer.
Als er stehen bleib, wand er mir den Rücken zu. Von mir abgewannt machte er noch ein paar Schritte auf den Abgrund zu. Sein Körper wirkte noch immer angespannt und auch in mir war alles verkrampft. Eine ganze Zeit lang konzentrierte er sich auf die tosenden Wellen unter uns, welche sich lautstark an den Klippen brachen. Über uns braute sich etwas zusammen, vom Meer her machten sich tief dunkel Wolken auf den Weg zum Festland.
Paul nahm gar nicht wahr, dass ich ein paar Meter hinter ihm geblieben war. So langsam aber sicher kochte ich innerlich. Verarschen konnte ich mich echt alleine, dafür konnte er sich besser jemand anderen suchen. Ohne etwas zu sagen drehte ich mich um und ging den sandigen Weg zum Strand entlang. Zurück durch den Wald hätte ich mich alleine höchstens verlaufen. Entschlossen setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich hasste Paul für die Gefühle, die er in mir auslöste. Ich kam mir so klein und hilflos vor. Und denn noch liebte ich ihn.
Ich liebte ihn so sehr, dass ich meine Gefühle nie würde in Worte fassen können. Ich wusste, dass er der eine für mich war. Nie würde ich einen anderen so lieben können, wie ich ihn liebte. Aber das gab ihm noch lange nicht das Recht so mit mir um zu springen.
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live sucks
FanfictionAugen, die noch vor wenigen Stunden so viel Wärme, Geborgenheit und Liebe ausgestrahlt hatten. Jetzt waren sie matt, fast schon leblos, als wäre nichts mehr in ihnen. Krampfhaft versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen. Das Chaos in meinem Inne...