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Paul schwieg. Ich ebenfalls, was hätte ich auch sagen sollen.
Mit geschlossenen Augen saß ich neben ihm und wartete auf eine Reaktion von ihm. Mein Atem ging etwas zu schnell und mein Herz raste unkontrolliert. Fast schon war ich mir sicher, dass er er hören konnte. Doch Paul schwieg.
Das Einzige Geräusch, dass ich bewusst wahr nahm, war das Rauschen der Wellen, die sich tosend an den Klippen brachen.
„Wie ich?", auch wenn ich meine Augen weiterhin geschlossen hatte, so konnte ich die Verwirrung doch ganz deutlich aus seiner Stimme raus hören.
Ich zuckte nur mit den Schultern, weil ich einfach nicht wusste, was ich noch dazu sagen sollte. Ich wusste wahrscheinlich schon, was ich sagen sollte, vielleicht ein kleiner Teil von mir sogar wollte, aber ich hatte Angst. Angst mich verletzbar zu machen. Angst, unsere Freundschaft kaputt zu machen. Angst, ehrlich zu sein. Denn wahrhaftig ehrlich sein hätte bedeutet, dass ich meine Gefühle offen legen müsste. Nichts auf der Welt machte mir mehr Angst.
Ich wollte mir erst gar nicht vorstellen, wie es mir gehen würde, würde er mich zurück weisen. Ich konnte mir nicht vorstellen, keine Zeit mehr mit ihm zu verbringen. Zu sehr hatte ich mich in der kurzen Zeit daran gewöhnt, ihn regelmäßig zu sehen. Ich genoss seine Wärme, wenn er bei mir war. Verlor mich nur zu gerne in seinen dunklen Augen, wenn er mich quer über den Schulhof ansah. Hatte mich schon zu sehr daran gewöhnt, dass ich mich auf ihn verlassen konnte, wenn ich seine Hilfe brauchte. All diese Dinge wollte ich nicht aufgeben. Ganz im Gegenteil, ich wünschte mir mehr davon. Mehr seiner Blicke, die auf mir lagen. Mehr Wärme, die er mir bereitwillig schenkte.
„Ich verstehe nicht? Wieso bin ich der Grund? Du sagtest doch Samy...", kam es von meiner linken Seite. Ich nahm all das bisschen meines verbleibenden Mutes zusammen und öffnete die Augen. Plötzlich fand ich den knirschenden Kies unter meinen abgenutzten Chucks unglaublich interessant. Denn um ihn an zu sehen, dafür war nicht genug Mut übrig. Es kostete mich schon meine ganze Kraft, den nächsten Satz aus zu sprechen.
„Samy wollte wissen, wie mein Wochenende war. Sie hatte gehört, dass wir zusammen weg waren."
„Ach so.", er klang erleichtert, „aber warum ist das denn ein Grund zu schwänzen? War doch ganz lustig am Wochenende."
„Hmm!", brummte ich nur, mit noch immer gesenktem Blick.
„Nicht? Also ich fand es schön. Mal abgesehen davon, dass du mich gestern mit den Idioten alleine gelassen hast.", witzelte er. Entweder war er sich nicht bewusst, wie sehr ich gerade mit mir kämpfte, oder aber er war einfach nur sehr gut darin, dass zu ignorieren.
„Sorry!", murmelte ich nun.
„Ach schon gut. Manchmal geh ich ihnen auch lieber aus dem Weg."
Noch immer sah ich auf meine Schuhe. Irgendwie hatte ich noch das Gefühl, dass das Thema unserer schnellen Flucht aus der Schule noch nicht durch war. Langsam schob ich ein paar Kiesel bei Seite, ohne ersichtlichen Grund. Mehr einfach so, damit ich mich etwas von meinen Gedanken ablenken konnte. Als wäre es so einfach, sie bei Seite zu schieben, wie einen kleinen Stein.
„Aber warum hast du Samy denn nicht einfach gesagt, dass es ganz lustig gewesen ist, am Samstag", blieb er weiter an dem so gefürchteten Thema dran.
„Sie hätte alles ganz genau wissen wollen," begann ich und rutschte unruhig auf dem Stamm hin und her.
„Und?", hackte er nach, als er bemerkte, dass so bald keine weiter Erklärung folgen würde.
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live sucks
FanfictionAugen, die noch vor wenigen Stunden so viel Wärme, Geborgenheit und Liebe ausgestrahlt hatten. Jetzt waren sie matt, fast schon leblos, als wäre nichts mehr in ihnen. Krampfhaft versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen. Das Chaos in meinem Inne...