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Pünktlich eine Stunde später tauchte der Doc auf. Wieder wurde er von dem wandelnden Kleiderschrank begleitet, welcher mich nur frech an grinste, bevor er sich in den Sessel uns gegenüber fallen ließ.
„Na, wie ich sehe, geht es meiner Patientin ja schon um einiges besser.", stellte der Arzt zufrieden lächelnd fest, als er sich an seiner Tasche zu schaffen machte. Ich brummte nur etwas zustimmendes und beobachtete ihn misstrauisch. Ich traute Ärzten nicht, egal wie gut sie auch aus sahen. Das dieser hier von einem Kerl begleitet wurde, der eher ein Türsteher sein konnte, trug nicht grade dazu bei, dass es mir leichter fiel ihm zu vertrauen.
Nach einer kurzen Stille, tauchte auf ein mal ein grelles Licht vor meinen Augen auf. Erschrocken wich ich davor zurück, was den laufenden Schrank zum kichern brachte. Wie war noch mal sein Name? Ich war mir sicher, dass er ihn mir am Vortag genannt hatte.
Eine gefühlte Ewigkeit lang, begutachtete der Arzt jede meiner Verletzungen. Jeden Verband nahm er ab, um die darunter liegende Wunde genau zu betrachten, bevor er eine Salbe auf trug und den Verband wieder an legte. Anschießend spritzte er mir noch etwas gegen die Schmerzen und gab mich dann endlich wieder frei.
„Scheint so weit alles in Ordnung zu sein. Der Rest braucht einfach ein wenig Zeit um zu heilen.", stellte der Arzt fest, nachdem er mich, ein letztes Mal, einer eingehenden Musterung zu unterziehen. Als seine eisig kalten Finger meine Haut streiften, zuckte ich ein wenig zusammen, was er mit einem entschuldigenden Lächeln bemerkte.
„Was geht denn hier ab?", platzte Paul ins Wohnzimmer. Dem angespannten Gesichtsausdruck nach, passte es ihm überhaupt nicht, dass ich aufgestanden war. Oder aber, er hatte ein ernsthaftes Problem mit dem, meiner Meinung nach, sehr freundlichen Arzt, der gerade seine Utensilien wieder in den kleinen Koffer packte.
„Carlisle hat noch einmal nach Lucy gesehen", klärte Emily ihn freundlich auf. Einen Moment lang, wurde die Anspannung in Pauls Gesicht noch größer, bevor er sich zusammen zu reißen schien. Er brummelte etwas unverständliches, bevor er sich in den Sessel mir gegenüber fallen ließ. Ich war dankbar dafür, dass er sich nicht zu mir auf Sofa gesetzt hatte. Irgendwas war komisch zwischen uns, seid ich wusste, was er war. Noch war ich mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, auch wenn ich mich gestern etwas anders ihm gegenüber verhalten hatte. Das schrieb ich jetzt einfach mal dem Schock zu, den ich nach den Ereignissen wohl gehabt hatte.
„Kann mir einer von euch sagen, wie ich hier her gekommen bin?", fragte ich zögerlich.
Die drei Männer im Raum warfen sich schnelle Blicke zu, aus denen ich nicht schlau wurde. Doch bevor sie sich stumm darüber einig werden konnten, wer die überaus ehrenhafte Aufgabe übernehmen durfte, mich auf zu klären, trat Sam in den kleinen Raum.
Schnell ging er die paar Schritte zu Emily rüber, hob sie vom Sofa hoch, setzte sich und ließ sie auf seinem Schoß nieder. Diese vergrub sofort ihr Gesicht an seinen Hals. Die beiden waren unerträglich süß zueinander.
„Deine Mom hat uns angerufen, weil du nicht nachhause gekommen bist. Aber da warst du schon fast einen Tag verschwunden. Aber Paul dachte einfach du brauchtest ein wenig Zeit für dich und deine Mutter dachte du wärst hier, darum ist es keinem früher auf gefallen.", während er sprach strich er abwesend über Emilys Arm, „Paul und die Jungs sind dann sofort los um nach dir zu suchen. Allerdings konnten sie dich nicht finden. Auch als Wölfe haben sie schnell deine Spur verloren. Es war, als wärst du vom Erdboden verschluckt. Nach zwei Tagen, in denen wir rund um die Uhr nach dir gesucht haben, haben wir uns dazu entschieden, Carlisle um Hilfe zu bitten."
„Wir haben natürlich sofort zu gesagt, bei der Suche zu helfen. Nach einem weiteren Tag ohne Erfolg, hat Alice dich endlich gesehen...", übernahm nun der Doc, „Du warst in einem kleinen Vorort von Seattle. Es hätte uns nur ein paar Stunden gekostet, zu dir zu kommen, aber Alice war sich sicher, dass es dann schon zu spät wäre. Emmett war gerade mit Jasper in der nähe und hat sich sofort auf den Weg zu dir gemacht. Zum Glück ist er gerade noch rechtzeitig gekommen und hat dich sofort hier her gebracht."
ER hatte so nüchtern gesprochen, als würde er mir den Wetterbericht der kommenden Tage schildern. Ich brauchte einen Moment, das gesagte zu verarbeiten. Dann fiel mir etwas entscheidendes ein.
„Aber wie hat Alice mich gesehen?", fragte ich den Doc eingeschüchtert. Hat das Arschloch die Sache etwa auch noch gefilmt und ins Netz gestellt?
„Alice bekommt immer mal wieder Visionen aus der Zukunft. Wenn sie sich stark genug konzentriert und je besser sie die betreffende Person kennt, um so einfacher kann sie es kontrollieren. Bei dir war es etwas schwieriger, weil du so eng mit den Wölfen verbunden bist, die sie einfach nicht sehen kann.", erklärte Carlisle. Gott, er klang genau so langweilig wie ein Mathelehrer.
„Aber...aber, das ist...", begann ich und schüttelte heftig den Kopf. So etwas gab es einfach nicht, das war unmöglich. Ich war mir zu 99,9 Prozent sicher, dass es so etwas wie Hellseherei nicht gab. Das ging einfach nicht.
„Luce, kleines", bei diesen Worten zuckte ich etwas zusammen. Kaum merklich, aber ich wusste, dass Paul es gemerkt hatte, wie ich vor ihm zurück schreckte. Ganz leise und unerträglich sanft fuhr er fort, „Carlisle und seine Familie sind ein wenig besonders. Sie können gewisse Dinge, die ein Mensch nicht kann. Sie sind anders als andere ihrer Art, etwas weniger gefährlich, vor allem für Menschen. Aber sie sind Vampire, wenn auch vegetarische."
Der Schock über seine Worte musste mir ins Gesicht geschrieben stehen, ich wich so weit zurück, wie es mir das schmale Sofa ermöglichte. Noch vor einer Woche, hätte ich ihn ausgelacht. Ihm gesagt, dass es so etwas wie Vampire nicht gab. Aber wenn es Menschen gab, die sich in Monster-Wölfe verwandeln konnten, warum sollte es dann nicht auch Vampire geben. Immerhin hatten sie mein gesamtes Weltbild eh schon total auf den Kopf gestellt. Anscheinend war einfach nichts so, wie ich es immer gedacht hatte. Ob das nun gut oder schlecht war, ließ ich erst einmal offen. Darüber würde ich nach denken, wenn ich nicht gerade von einer Horde magischer Wesen umgeben war. Fehlte ja nur noch, dass sie mir erzählten, Emily wäre eine Fee und im Schuppen lebt ein rosa Einhorn.
„Na klasse, du Hund!", mischte sich nun zum ersten mal Emmett ein, „jetzt hast du sie völlig verschreckt. Und ich hatte gehofft, wir könnten Freunde werden."
Die Gesten, die Dr. Cullen gemacht hatte, als er von meiner Rettung berichtet hatte, ließen keinen Zweifel daran, dass der komische Schrank Emmett sein musste. Immerhin kannte ich jetzt seinen Namen. Und wenn ich nicht so geschockt gewesen wäre, weil er ein Vampir war, dann hätte ich jetzt wahrscheinlich dankbar sein sollen.
Paul begann Emmett bedrohlich an zu knurren und am gesamten Leib zu Zittern. Emmett grinste ihn nur frech an, als war das genau die Reaktion, die er hervor rufen wollte.
„Denk nicht mal dran!", fauchte Paul so hasserfüllt, dass ich glaubte mich verhört zu haben.
„Warum denn nicht? Immerhin ist sie nicht dein Eigentum. Und wenn wir mal ehrlich sein wollen, ohne mich, wäre sie gar nicht mehr hier!", das siegessichere Grinsen auf seinem Gesicht wurde noch breiter. Genau wie Paul immer stärker zu zittern begann.
„Paul!", fuhr Sam dazwischen, wurde von ihm aber nicht weiter beachtet.
„Ach, kann der kleine Hund nicht mit der Wahrheit um gehen! Sieh es ein, du hast es versaut! Sieh dir doch an, wie viel Angst sie vor dir hat!", provozierte Emmett ihn noch ein wenig weiter. Ruckartig fiel Pauls Blick auf mich. Er schien angestrengt in meine Augen nach etwas zu suchen, doch ich konnte ihn immer noch nur ungläubig und entgeistert an starren. Ich war mir sicher, dass er die unterdrückte Angst in ihnen sehen konnte. Auch wenn ich es nicht zugeben würde und auch nicht wollte, der Riese hatte recht, ich hatte Angst! Emmetts unterdrücktes Lachen war das einzige Geräusch in der angespannten Stille, die sich nun über den Raum gelegt hatte. Als er sich von meinem Blick los riss, verließ er fluchtartig das Haus.
Irgendwo ihm Flur fiel etwas scheppernd zu Boden. Dann schlug eine Türe so heftig zu, dass ich mir fast schon sicher war, dass sie aus den Angeln gerissen wurde. Es folgte ein reißendes Geräusch, dann war es still. So still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Dann drang ein ohrenbetäubendes Heulen aus dem Wald zu uns rüber.
Der Doc seufzte einmal theatralisch auf.
„Super Emmett!", mahnte er seinen Begleiter.
„Was denn? Ich sag nur die Wahrheit.", der große zuckte nur mir den Schultern und ließ sich breit grinsend in den nun freien Sessel fallen.
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live sucks
FanfictionAugen, die noch vor wenigen Stunden so viel Wärme, Geborgenheit und Liebe ausgestrahlt hatten. Jetzt waren sie matt, fast schon leblos, als wäre nichts mehr in ihnen. Krampfhaft versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen. Das Chaos in meinem Inne...