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Die Erinnerungen kamen lebhafter zurück, als ich dachte. Es ist fast so, als würde ich sie noch einmal erleben; die Angst in mir aufflammen spüren und die Erkenntnis, dass alles meine Schuld ist. 

,, Ich hatte Aves im Sommer kennengelernt. Er war auf einmal neben mir aufgetaucht und hat angefangen mit mir zu sprechen, so als würden wir uns Jahre kennen. Am Anfang fand ich das merkwürdig, aber ich spielte mit und auf einmal waren zwei Wochen um und ich war auf einem Date mit ihm.", fange ich meine Erzählung an und versuche den kleinen Erinnerungsfilm zu entkommen. Jedoch gibt es dafür kein Entkommen. 

,, Wenn es nicht geht, kannst du jeder Zeit aufhören, Vio. Ich sehe, dass es dir nicht gut geht.", sagt Devin besorgt und streicht mir über die rechte Wange. 

Ich schaue zu seinem Gesicht rauf. Seine Mimik ist neutral, jedoch sprechen seine Augen Bände. In ihnen ist Neugier, jedoch auch Sorge und Wut zu erkennen. Es ist offensichtlich, dass er die ganze Geschichte hören möchte und diese werde ich ihm erzählen. 

Ich kann die Geschichte sich nicht wiederholen lassen und vielleicht kann er mir helfen. 

,, Du weißt, dass meine Familie und ich für einige Monate weggezogen waren?", fragte ich und warte auf ein Zeichen von ihm. Er nickt. ,, Es war weil meine Großmutter krank wurde. Ist sie immer noch und meine Eltern sind öfter da, aber wir konnten nach der Sache nicht mehr dort bleiben."

Ich atme aus und schließe meine Augen. Mein Kopf fängt an zu schmerzen und der Fernseher lässt mich die ganze Zeit den Faden verlieren. 

,, Kann ich den Fernseher ausschalten?", frage ich weinerlich und räuspere mich, um meine Stimme wiederzufinden. 

Ohne mir zu antworten greift Devin nach der Fernbedienung und schaltet den Fernseher aus. Dann legt er seinen Arm wieder um mich und zieht mich enger an sich. 

,, Danke.", murmel' ich und lehne meinen Kopf gegen Devin's Schulter. ,, Weiter im Text. Aves war die ganze Zeit ein Vorzeige Freund und hat alles gemacht, damit ich mich in ihn verliebe. Ob er mich je geliebt hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall ging dies einige Monate so weiter. Wir würden uns treffen und er würde sich von seiner beste Seite zeigen. Ich war so verliebt in ihn, dass ich zugestimmt habe, Partnertattoos machen zu lassen. Nicht von einem Tätowieren sondern von einem seiner Freunde. Als ich ihm dann erzählt habe, dass meine Eltern gegen unsere Beziehung sind, hat er lediglich gesagt, dass er sich drum kümmern würde. Das nächste was ich weiß war, dass ich nach Hause komme und einer seiner Freunde da steht und meine Eltern mit einer Waffe bedroht.", erzähle ich den letzten Rest und atme tief durch. Das Stechen in meiner Brust und den Kloß in meinem Hals versuche ich so gut es geht zu ignorieren. 

,, Was ist danach passiert?", fragt Devin durch zusammengepresste Lippen. Sein Griff um mich hat sich verstärkt. 

,, Anscheinend haben Nachbarn mitbekommen, was passiert ist und haben die Polizei gerufen. Sie kamen, haben Steve verhaftet und uns befragt. Wie ich mitbekommen habe, hat Steve Aves verraten und beide sind in die Jugendstrafanstalt gekommen. Meine Eltern haben nie erfahren, dass es Aves' Schuld war. Sind aber trotzdem Ausgerastet, haben unsere Sachen ins Auto gepackt und wir sind wieder hier her gezogen.", beantworte ich seine Frage und schließe wieder die Augen. Auf einmal steigen Tränen in meine Augen und ich schluchze laut auf. 

Devin reagiert sofort, lockert seinen Griff im mich und fängt an, über meinen Rücken zu streichen und mir beruhigende Sachen ins Ohr zu flüstern. 

,, Ich hab eine letzte Frage und dann ist das Thema vorerst beendet, Versprochen.", fängt Devin an, als ich mich halbwegs beruhigt habe. 

Mit einer schnellen Handbewegung wische ich mir über die Wangen. ,, Frag."

,, Du hast Aves in der Schule gedroht, dass du deinen Eltern erzählst, dass er wieder da ist. Aber sie wissen nichts von seiner Schuld.", erklärt Devin und stellt eigentlich keine Frage.

,, Es war ein Bluff.", antworte ich und zucke mit den Schultern. ,, Er braucht die Wahrheit nicht unbedingt wissen."

Devin lacht leicht auf und steht auf einmal auf, wobei er mich immer noch im Arm hält. Ohne mir etwas zu sagen, lässt er mich wieder zurück auf die Couch fallen. Ich setze mich auf und schauen ihn fragend an.

,, Bin gleich wieder da.", sagt er und verschwindet aus dem Wohnzimmer. Irritiert schaue ich ihm hinterher. Wenige Minuten später kommt er wieder zurück.

,, Und was hast du gemacht?", frage ich interessiert und muster' ihn. 

,, Pizza bestellt. Ich bin am verhungern.", erklärt er lachend und lässt sich neben mich auf die Couch fallen. ,, Keine Sorge, ich hab dir auch eine Bestellt. Auch wenn du sie nicht ganz schaffst."

,, Du hast dir bestimmt zwei Pizzen bestehlt so verfressen, wie du bist.", erwidere ich leicht beleidigt und verschränke die Arme vor der Brust. 

,, Das habe ich wirklich, aber die eine ist für Moon. Sie hat mir geschrieben, dass sie auch nach Hause kommt.", erklärt er besserwisserisch und greift nach mir, um mich wieder näher zu sich zu ziehen. Jedoch springe ich von der Couch auf und setze mich auf den Sessel, welcher rechts neben der U-förmigen Couch steht. Schadenfroh strecke ich ihm die Zunge raus und grinse ihn unschuldig an. 

Devin legt sich ausgestreckt hin und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. ,, Gut, mehr Platz für mich.", himmelt er vor sich hin und schließt die Augen. 

,, Tu nicht so, ich weiß, dass du mich lieber neben dir hast.", sage ich gespielt eingebildet und werfe -für den Effekt- meine Haare nach hinten. 

Devin und ich schauen uns für einige Sekunden an, verfallen jedoch beide in einen Lachanfall. 

,, Wow, ihr seid so süß, dass ich mich am liebsten Übergeben würde.", unterbricht uns Moon und kommt ganz ins Wohnzimmer. Grinsend bleibt sie vor uns stehen und stellt die Pizzen auf den Couchtisch ab. 

,, Wow, die waren schnell hier.", sage ich und starre dabei auf die Pizzakartons. ,, Wie lange war das jetzt? 5 Minuten? 10 Minuten?"

,, Wechsel nicht das Thema, Violet Jean Black!", schreit Moon und zeigt mit dem Zeigefinger auf mich, während Devin nach den Kartons greift. 

Unschuldig schaue ich sie an. ,, Was hab ich gemacht?", frage ich und reiße meine Augen etwas auf. 

,, Gibst du meinem Lieblingsbruder nun eine Chance?"


Violet ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt