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Er stutzt seine Lippen und tippt mit seinem Zeigefinger gegen. ,, Mal überlegen.", fängt er an und legt seinen Kopf leicht schräg. ,, Seitdem du gegangen bist."

Ich konnte förmlich spüren, wie das Lächeln von meinem Gesicht verschwand. Beinah zwei Jahre. So lange ist unsere letzte Begegnung, beziehungsweise der Abend an dem einer seiner Freunde meine Eltern bedroht haben. Zwei Jahre voller schlafloser Nächte, Albträume und Angst. Berechtigt, wie sich gerade heraus gestellt hat. 

,, Was, habe ich dir die Sprach verschlagen?", lacht er amüsiert und stemmt seine Ellbogen auf die Tischplatte. ,, Du dachtest nicht wirklich, dass du einfach gehen könntest?"

Ich schüttel' den Kopf. ,, Wieso?", hinterfrage ich, um seine Versessenheit Ansatzweise verstehen zu können. Aber seihen wir mal ehrlich: Ich werde ihn niemals verstehen; ich kann ihn nicht verstehen. 

,, Weil ich es kann.", erklärt er mir. Desinteressiert und irgendwie gelangweilt greift er nach einer Speisekarte und mustert diese. Ich bin überrascht, dass noch keiner der Kellnerinnen an unserem Tisch war, um uns zu fragen, ob wir etwas zu trinken haben möchten.

,, Das ist keine Antwort.", erwidere ich leicht genervt und verdrehe die Augen. Mein Blick fällt auf die Kellnerinnen. Sie stehen an der Theke und plaudern muntern vor sich hin, kümmern sich nicht um ihre Gäste.

Er zuckt mit den Schultern. ,, Es ist eine Antwort.", sagt er und hebt seine Hand. Sofort unterbrechen die Kellnerinnen ihr Gespräch und eine von ihnen kommt zu uns gerannt. 

Ohne ihr eine Chance zum Reden zu geben, fängt er an zu bestellen. 

Verängstigt schreibt sie mit, wobei ihre Hände ziemlich stark zittern und ich mich wirklich frage, ob sie es in wenigen Sekunden überhaupt noch entziffern kann. Sie sagt kein Wort, macht keinen Mucks als Aves bestellt. Als er ihr sagt, dass es alles war, dreht sie sich zu mir und fragt mich mit schwankender Stimme, was ich haben möchte. 

Ich antworte nicht direkt. Ich schaue mich im Diner um und als keiner der weiteren Gäste zu uns schaut, wobei auch er Koch und die anderen Kellnerin überall hinschauen außer zu uns, frage ich mich, was los ist. Normalerweise würden Menschen nicht so verängstigt reagieren und wenn so etwas passiert, dann gaffen andere. Hier kümmert sich jeder um seinen eigenen Kram. 

,, Was hast du gemacht, Aves?", frage ich ihn direkt und ignoriere die wartende Kellnerin. 

Tadelnd schaut er mich an und macht 'tsk, tsk, tsk'. ,, Du solltest zuerst bestellen. Es ist unhöflich einfach Personen zu ignorieren.", erklärt er mir. 

Ich verdrehe die Augen und wende mich zur Kellnerin, welche mich mit aufgerissenen Augen anstarrt. ,, Ich nehme einen Chickenburger mit Pommes, danke.", bestelle ich und drehe mich dann wieder zu Aves. ,, Beantworte meine Frage."

Wieder schüttelt Aves den Kopf. ,, Du hast wirklich keine Manieren.", tadelt er gespielt fassungslos, verkneift sich gleichzeitig ein Lachen. 

Die Kellnerin nutzt den Moment aus und verschwindet in Richtung Küche. Wäre das hier ein Zeichentrickfilm würde noch eine Rauchwolke in Form ihrer Figur noch am Tisch stehen, so schnell ist sie verschwunden. 

,, Aves, ich habe die Spielchen satt. Sag mir endlich, was hier eigentlich los ist.", bettel' ich beinah schon und höre mich ungewohnt weinerlich an. 

Er lacht leise auf und verschränkt die Arme vor der Brust, lehnt sich zurück. ,, Was möchtest du wissen?", fragt er gespielt aufgebend. 

,, Was hast du den Menschen hier angetan?", frage ich und schaue mich noch einmal um. Wie zuvor meidet man den Blick zu uns, obwohl das Interesse der anderen zu spüren ist. 

,, Den Kellnerinnen habe ich nichts getan. Sie arbeiten in einem meiner Etablissements- guck nicht so, ich habe ihnen wirklich nichts getan. Das war alles Asher. Nur wissen sie, wer der Boss ist.", erklärt er mir und  lehnt sich wieder nach vorne. ,, Dem Koch und den Gästen habe ich vorhin gesagt, dass wenn sie uns stören, ich ihre Familien verschwinden lasse."

,, Du bist ein widerwärtiges Monster. Die Familien anderer zu bedrohen.", spuke ich verachtend und schaue aus dem Fenster. Ich möchte gerade nicht in Aves' Gesicht schauen.

Sein Lachen erfüllt den ruhigen Verkaufsraum. ,, Irgendwie muss ich ja sichergehen, dass niemand die Bullen ruft.", erklärt er belustigt und mein Kopf schnellt sofort in seine Richtung. 

,, Wie meinst du das?", hinterfrage ich und reiße meine Augen wieder auf. Was hat er getan?

,, Deine Eltern haben dich als vermisst gemeldet. Wenn dich jemand erkennt und die Bullen ruft, wird es nicht gut enden.", erklärt er mir stolz. 

,, Wieso tust du das alles?", frage ich weiter und ignoriere die aufkommende Freude, als er gesagt hat, dass meine Eltern nach mir suchen. 

Er bleibt kurz still und schaut auf die Tischplatte. ,, Du bist die erste Person, die mich gefordert hat.", fängt er an und atmet genervt aus. ,, Ich kann nicht glauben, dass ich dir das jetzt erzähle, aber bevor ich dich kennengelernt habe, habe ich stets meine Befehle ausgeführt und alles bekommen, was ich haben wollte. Du hingegen bist anders. Selbst jetzt, nachdem ich dich durch die Hölle und zurück geschickt habe, bist du die selbe."

Ich muster' sein Gesicht. Er lässt jedoch nicht erkennen, was er gerade fühlt. Seine Mimik ist starr und ausdruckslos, sein Blick auf den Tisch gerichtet und die Stimmlage monoton. 

,, Du hast mich richtig Schuften lassen.", lacht er. ,, Wegen dir habe ich mich Ruth widersetzt."

Überrascht schaue ich ihn an. ,, Ruth.", wiederhole ich ihren Namen. ,, Worauf willst du hinaus, Aves?"

,, Du hast mich lebendig fühlen lassen. Und ich war ein besserer Mensch als ich bei dir war.", erklärt er zusammengefasst.

Die Kellnerin kommt mit unseren Essen an den Tisch und ist ganz schnell wieder verschwunden. 

,, Aves.", fange ich an, werde jedoch mit einem Blick von ihm verstummt.

,, Du hast mein Tattoo überstechen lassen.", erwähnt er, wobei ich überrascht bin, dass er es bemerkt hat. 

,, Schlechte Erinnerungen.", erwidere ich kühl.

Er lacht und schüttelt den Kopf leicht. ,, Weißt du, wärst du nicht du, würde ich dich nicht so reden lassen. Das müssen wir übrigens auch ändern.", sagt er und grinst wissend. 

Ein Schauer fährt über meinen Rücken, ein ungutes Gefühl macht sich in meinem Magen breit. ,, Wie meinst du das?"

,, Das wirst du früh genug erfahren."

Violet ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt