~54~

797 39 14
                                    

"Stegi, warum bleibst du stehen?" fragte Tim, der sich zu mir umgedreht hatte.

Ich hatte meine Gründe...

...und als Tim in die Richtung sah, in welche ich schaute, verstand er sie auch. Mit Mühe riss ich meinen Blick von dem vor mir und ließ ihn an Tim haften. Er atmete angespannt. Seine Fäuste waren geballt und sein Blick war hart. Das Glitzern aus seinen Augen war verschwunden und das leichte Lächeln auf seinem Lippen glich nun einem Strich. Tim schaute nur einmal kurz zu mir, dann wandte er sich wieder der Person auf der anderen Straßenseite zu. Beide lieferten sich einen Blickkampf.

Das würde nicht gut ausgehen.

Ich wusste es, doch konnte mich nicht rühren. Er durfte hier eigentlich nicht sein. Nicht alleine. Er musste rund um die Uhr eine Aufsichtsperson um sich haben. Das konnte nicht sein. Das war nicht legal. Er durfte nicht alleine sein. Das konnte nicht real sein. Wo sind die Aufsichtspersonen? Marek durfte nicht alleine sein! Das geht nicht. Nein! Das war falsch. Er konnte nicht da stehen. Das war nicht möglich. Er...

"Stegi! Beruhig dich." Tim hatte sich zu mir runtergebeugt und sah mir beruhigend in die Augen. "Es wird nichts passieren. Ich bin doch da." Seine Augen hatten ihren Glanz wieder gefunden. Doch plötzlich wurde mir eines klar. "D...du hast dein Blickduell verloren. Marek hat gewonnen. Gegen dich!" Tim lachte. Seine Reaktion verwirrte mich. Was war daran witzig? "Ja, ich habe verloren, aber das wird das einzige sein, was ich heute verliere. Das verspreche ich dir." Seine Überzeugung beruhigte mich etwas.

Doch als ich hoch sah, war jene Person nicht mehr auf der anderen Straßenseite. "Na, Stegilein?" Ertönte seine gehässige Stimme hinter uns. Ruckartig drehte ich mich zu ihm um. Er stank. Das roch ich schon von meiner Position. Er stank nach Alkohol. Hatte er etwa schon getrunken?

Plötzlich schlang sich ein Arm um meinen Bauch und drückte mich nach hinten. Tim hatte sich beschützerisch vor mir aufgebaut. "Wenn du schlau wärest, solltest du verschwinden." warnte ihn Tim. Seine Stimme schien gefasst, doch war sein Unterton alles andere als harmlos. "Halt dich da raus, Hund." lallte Marek. Tim schaute kurz auf seine Uhr. "Wow, um 2 Uhr schon betrunken. Armselig..." "Du bist armselig. Beschützt so ein Weichei. Der hält nicht einmal ein paar harmlose Schläge aus." Er macht ein abfälliges Geräusch.

Mir wurde schwindelig. Ich wollte diese Szene nicht sehen. Ich suchte Halt an der Hauswand neben mir, doch sie bot nur wenig Unterstützung. Tim schaute sorgenvoll zu mir, doch ich ließ ihn durch ein Nicken wissen, dass ich 'okay' sei.

"Du solltest jetzt schleunigst gehen, sonst werde ich mich nicht zurückhalten." Tim sprach durch zusammengepresste Zähne. Seine Wut war deutlich herauszuhören. "Haha, als ob ich Angst vor dir hätte, Riese." "Das solltest du aber." Grinste Tim provozierend. "Das letzte Mal bist du vor mir weggerannt." "D...daran erinnere ich mich nicht. Du lügst!" Seine Stimme ist unsicherer geworden, etwas panisch.

Was hatte ich verpasst? Wann waren sie aufeinander geprallt?

"Jetzt geh zur Seite! Ich will nichts von dir. Nur von Blondie." Er taumelte ein paar Schritte auf uns zu, doch Tim rührte sich keinen Millimeter. Er stand wie eine Mauer zwischen mir und dem Monster. Ich war ihm so dankbar dafür.

"Hau ab! Sonst ver...verprügel ich dich." lallte Marek.

Tim hatte Recht. Er war armselig. Sehr sogar.

"Dann schlag mich doch." Meinte Tim locker. Es wirkte schon fast, als würde Tim scherzen. Als stelle Marek für ihn gar keine Bedrohung dar.

Naja, wenn ich Tim wäre und seine ganzen Muskeln hätte, wäre ich auch nicht vor einem schwabbel-bäuchigen Typen weggerannt. Hinter Tim fühlte ich mich sicher. Mir würde nichts passieren. Tim war stärker als Marek,... in allen Bereichen. Er könnte niemals gegen ihn verlieren. Solange Tim es ernst meinte.

Plötzlich holte Marek mit seinen Pranken aus und packte Tim an seinem T-Shirt. "Hör mir mal zu, du Hund." sagte er und versuchte dabei, sein Gleichgewicht wieder zu finden. "Der da..." Er zeigte auf mich. "...gehört mir. Und nur mir. Also geh weg oder es wird schlimm für dich ausgehen."

Jetzt war Tim an der Reihe. Er riss Mareks Hände von seinem T-Shirt und packte ihn mit einer Hand an seinem Kragen. "Jetzt hörst du mir zu, Zwerg. 'Der da'..." Er setzte seine Worte in Anführungszeichen."...gehört dir nicht. Nicht einmal ein bisschen. Er gehört zu mir. Also hau ab, wenn dir dein Leben wichtig ist."

Mein Gesicht wurde nach seinen Worten rot. Süß...

Auf einmal holte Marek aus, doch es erklang kein Klatschen. Tim hatte Mareks flache Hand mit seiner freien Hand gestoppt. "Hey! Das ist nicht fair." Tim lachte nur und verdrehte Mareks Hand leicht, sodass dieser leise aufstöhnt, dann ließ er sie jedoch los. Ein Tritt von Marek folgte, doch nachdem Tim nicht ein Anzeichen von Schmerzen zeigte, verwandelte sich sein Gesichtsausdruck von Bosheit in Schock.

"W...wie machst du das?" lallte er. "Tja,... Du kommst nicht gegen mich an." sagte Tim überlegen.

Marek ballte seine rechte Hand und zielte auf Tims Bauchgrube, doch wurde sie wie zuvor aufgehalten. "W...was bist du?" fragte er ehrfürchtig. Seine Fahne konnte ich sogar von meiner Position deutlich riechen.

"Jemand gegen den du niemals gewinnen könntest."

"Niemals?!" Mit großen Augen schaute er Tim an. "Das werden wir ja sehen." Marek holte erneut aus, dieses Mal mit links, da seine rechte immer noch in der von Tim ruhte. Mit Leichtigkeit wurde diese von Tim aufgehalten.

"Das kann doch nicht wahr sein. Mich hat noch nie jemand im Kampf besiegt. Du bist nicht menschlich." Tim lachte, jedoch wurde er schnell wieder ernst. "Verschwinde jetzt." "Vergiss es. Das kleine Stegilein muss erst einmal mit mir kommen. Gib ihn mir und ich verschwinde."

"Nein." sagte Tim nur.

"Aber er hat es verdient."

"Niemand verdient das, was du ihm angetan hast." Tims Stimme wurde zorniger.

"Schau ihn dir an. Er verdient es."

Tim ließ seine Hände wieder frei und drehte sich zu mir um. Ich zuckte zusammen als ich seine Augen sah. Sie waren fast schwarz.

"Darf ich?" fragte Tim leise, bemüht seine Stimme ruhig zu halten. Marek schaute verwirrt zwischen uns hin und her. Ich nickte...

...und Tim holte augenblicklich aus. Seine geballte Faust traf Marek mitten ins Gesicht. Ich wusste, er hätte noch härter zu schlagen können. Doch für das erste reichte dies aus.

Neues Leben:( ~StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt