Die LED-Anzeige warf den roten Schein der Benzinpreise auf den nassen Asphalt. 1,509. Seitdem es das letzte Mal geregnet hatte, waren sie um Einiges gestiegen. Kein Wunder, dass Vater pleite war. Auf der Autobahn herrschte reger Verkehr. Heute waren es mehr Albaner als Serben, kaum Bulgaren, keine Deutschen. Ja, Deutsche waren ein Phänomen, dabei hatten dort doch vor einer Woche die Ferien begonnen. Heutzutage war es eben selten, dass man mit dem Auto hunderte Kilometer in den Urlaub fuhr, gab es doch Flugzeuge. Und doch war zu dieser Zeit die Wahrscheinlichkeit am größten, dass ein Deutscher an unserer Tankstelle hielt. Jetzt wartete ich schon so lange. Wenn sie nur wüssten, wie dringend es war. Morgen früh wollten sie mich holen kommen und dafür gab es nur einen Ausweg - mein Onkel Laza. Er wohnte mit seiner Frau in Köln.
Im Kosovo galt schon seit Jahrhunderten der Kanun - ein jahrtausendealtes Gesetz, das bis ins Mittelalter zurückreichte. Er war wie ein Gespenst. Es war die unsichtbare Angst der Menschen, insbesondere der Frauen. Der Kanun erlaubte Selbstjustiz. Er nahm den Frauen jegliche Rechte und verletzte ihre Ehre. Unter anderem besagte er, dass ein Familienvater seine Tochter selbst gegen ihren Willen zu verheiraten hat.
Eigentlich wurden meine Eltern schon von früher Kindheit gegen den Kanun erzogen, doch als der Besitzer der angesehensten Medizinuniversität in Pristina meinen Eltern viel Geld für mich versprach, willigten sie ein. Sie dachten er wäre ein ehrbarer Mann und würde unseren finanziellen Problemen ein Ende bereiten, doch sie wussten nicht das, was ich mit eigenen Augen gesehen hatte.
Ivana, meine beste Freundin, hatte genau wie ich an dieser Uni studiert, bis sie vor meinen Augen von Jakovs Leuten verschleppt wurde. Und es war nicht das erste Mal gewesen, dass man eine junge, hübsche Studentin entführt hatte. Jakov verkaufte die Mädchen für viel Geld im Ausland.
Als er erfuhr, dass ich ihm auf die Schliche gekommen war, drohte er mich zu töten, würde ich nicht mit ihm kommen. Was er dann mit mir anstellen würde, wollte ich mir gar nicht ausmalen.
Vaters schmutzige Arbeitsschuhe warfen einen finsteren Schatten durch den Lichtspalt unter meiner Zimmertür, als ich meine Vorhänge und das Bettlaken zu einem langen Seil zusammenknotete.
„Hast du deine Sachen gepackt?", klang seine Stimme dumpf durch die Tür.
„Ja", antwortete ich und bangte schon, er würde eintreten.
Wenn er nur wüsste, dass ich meine Koffer nicht gepackt hatte, um morgen mit Jakov zu gehen. Ich war ihm nicht böse, für das was er getan hatte. Es tat mir nur leid, dass ich ihn enttäuschen musste.
Kurz vor Mitternacht fuhr ein grauer Mercedes zwischen die Tanksäulen. Auf dem Kennzeichen stand ein D für Deutschland.
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Liebe Leser/Innen,
ich hoffe der Prolog hat euch ein bisschen neugierig gemacht. Diese Fanficition ist ein reines Experiment, aber ich hoffe trotzdem, dass ich es durchziehen werde. Jeden Tag werde ich nicht hochladen können, aber ihr könnt gerne bei meinem Roman "Die Gaben des Drachen von Kelpetur" vorbeischauen. Dort lade ich jeden Tag ein Kapitel hoch :)
Liebe Grüße
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Im Namen des Kanun (Frederik Seehauser/Klinik am Südring)
FanfictionDie 22-jährige Rita lebt mit ihren Eltern im Kosovo. Sie studiert in einer der angesehensten Privatuniversitäten in Pristina Medizin. Jedoch gerät sie in Gefahr, als sie Jakov, den Besitzer der Uni, dabei ertappt, junge Studentinnen ins Ausland zu...