Kapitel 22

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Gequält zog ich Augenbrauen zusammen, als mich der grelle Gesang einer weiblichen Stimme aus dem Schlaf riss. Mein Kopf dröhnte und lag auf einer kalte Fläche, die leicht vibrierte und ein merkwürdig mechanisches Surren von sich gab. Schlaftrunken fasste ich mir an die Stirn und richtete meinen schmerzenden Nacken auf, der wohl schon einige Zeit in dieser Position lag, so steif wie er war. Die grelle Stimme wurde plötzlich durch einen lauten Krach übertönt, der gedämpft an mein Ohr drang. Erschrocken riss ich die Augen und blickte durch eine regenüberströmte Windschutzscheibe auf eine großen Lastwagen, der auf der nächtlichen Schnellstraße überholt hatte. 

Verwirrt sah ich mich um und bemerkte, dass ich mich in einem Auto befand. Panik machte sich in mir breit, da fuhr ich hoch und saß keinen Augenblick später kerzengerade in dem beigen Ledersitz. Die grelle Stimme drang wohl aus dem Autoradio und ich konnte sie als Helene Fischer identifizieren, die so abstoßend wie immer, "Atemlos durch die Nacht" sang.

„Ein Wunder, dass die noch immer im Radio läuft", hörte ich plötzlich ein Gemurmel neben mir, das mir einen riesigen Schrecken einjagte, aber in dem Moment so ziemlich meine Gedanken wiedergab. 

Mit weit aufgerissenen Augen hastete mein Blick auf die Seite und traf Doktor Seehausers Gesicht, das ich im schwachen Licht zuerst nicht erkennen konnte. Als ich dann jedoch seine Brille im Licht der Straßenlaternen aufblitzen sah, wusste ich, dass es nur er sein konnte. Sein Blick war konzentriert auf die Straße gerichtet und seine großen Hände lagen etwas verkrampft auf dem Lenkrad. Man konnte ihm ansehen, dass seine Gedanken ihm keine Ruhe ließen, da er angestrengt die Stirn runzelte, wie er es immer tat, wenn er vertieft war. Er trug ein blaues T-Shirt, das wohl sonst von dem Kittel verdeckt wurde und seine weiße Arzthose. Eine Weile musterte ich ihn so von der Seite, da bemerkte er endlich, dass ich wach war. Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, als er in mein völlig verwirrtes Gesicht blickte. Erst als ich in seine Augen schaute, die er aber sofort wieder auf die Straße richtete, fiel mir ein, was vor meiner Ohnmacht passiert war. 

Panischer als zuvor blickte ich in den Rückspiegel, nur um feststellen zu können, dass uns niemand folgte. Ich rutschte paranoid auf dem Sitz herum und beobachtete nervös das Straßengeschehen. Jakov war wahrscheinlich in dem Moment auf der Jagd nach mir.

„Sie wissen nicht, was Sie damit angerichtet haben", hauchte ich kaum hörbar, doch als ich Herrn Seehausers Blick wieder auf mir spürte, wusste ich, dass er es gehört hatte.

„Ich hatte Sie doch ausdrücklich darum gebeten, der Polizei nichts zu sagen", sagte ich nun etwas lauter und schüttelte aufgeregt den Kopf. 

Als ich im Augenwinkel einen großen schwarzen Van im Rückspiegel vernahm, sauste mein Blick sofort nach hinten. Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen, doch zu meiner Erleichterung überholte uns der Van nur und verschwand zwischen den vielen Autos vor uns. Da mein Fluchttrieb aber nun endgültig erweckt war, öffnete ich hektisch den Sicherheitsgurt. Wenn der Doktor nur wüsste, wie sehr er mich damit in Gefahr gebracht hatte und je länger ich bei ihm war, desto mehr war auch er in Gefahr.

„Fahren Sie bitte rechts ran", bat ich ihn. „Lassen Sie mich sofort raus"

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Lieber Leser/Innen, 

Sorry, dass ich euch gestern so mit dem fiesen Cut gequält habe xD Dafür kommt heute vielleicht noch ein Kapitel.

Adieu, euer Sinusrhythmus

Im Namen des Kanun (Frederik Seehauser/Klinik am Südring)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt