Kapitel 14

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Gemeinsam mit Herrn Seehauser und den wenigen Schwestern, die sich nicht schon vor Angst in der Schwesternkanzel verkrochen hatten, lotste ich die Patienten aus der Cafeteria in ihre Zimmer. Aufmerksam lauschte ich in den menschenleeren Gang. Nur das Klirren von Herrn Seehausers Schlüsselbund und das Rauschen der Klimaanlage war zu hören. Er war gerade dabei die restlichen Schwestern, in die Putzkammer zu sperren, da steuerte ich heimlich auf den Lift zu. Ich befand es als besser, dass er mich bereits in einem Zimmer vermutete. Würde er von meinem Vorhaben erfahren, würde er mich ohnehin nicht gehen lassen. Verstohlen drückte ich den Liftknopf, doch ganz zu meinem Unglück gab der Lift einen Ton von sich. Innerlich fluchte ich wie ein Rohrspatz und spähte ertappt zu dem Arzt, der mir einen verwirrten Blick zuwarf.

„Was machen Sie denn?", begann er und ging eiligen Schrittes auf mich zu, während er sich beunruhigt umschaute. „Ich dachte Sie sind schon in der Schwesternkanzel"

„Ich muss da runter...", stotterte ich und starrte dabei auf einen Punkt auf seiner Stirn, um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen.

„Das ist doch nicht Ihr Ernst, Rita?", fragte er dann wütend. „Was soll denn das? Das können Sie vergessen"

Er packte mich am Handgelenk und wollte mich gerade in Richtung Kanzel schleifen, da rückte eine schwarze Gestalt in mein Sichtfeld. Er trug eine Kapuze wie eh und je. Ein teuflisches Grinsen lag auf seinen Lippen und in der einen Hand hielt er eine Schalldämpfer-Pistole. Sofort fing mein Herz an zu rasen und meine Nackenhärchen stellten sich unwillkürlich auf. Während ich ihn anstarrte und keinen Ton herausbrachte, hob er langsam die Pistole, doch ehe er abdrücken konnte, gab der Lift wieder den Ton von sich und die Tür öffnete sich. Ach wie schön der Ton doch war! Blitzschnell griff ich nach dem Hemdkragen des Herrn Seehausers und stolperte mit ihm rückwärts in den Lift. Die Tür schloss sich und ich prallte gegen sie kalte Metallwand.

Ein zweites Mal an diesem Tag, war ich ihm so nahe, dass kein Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte, doch diesmal versetzte es mich in Panik. Es erinnerte mich an die schrecklichen Momente mit Onkel Laza, wenn er mich gegen die Wand drückte und ich seinen grausamen Gestank nach Alkohol und Zigarettenrauch riechen musste - Dann, wenn er meine Handgelenke mit seinem groben Griff fesselte, bis ich bewegungsunfähig war und vor Schmerzen zischte. Dann, wenn er meinen Hals mit seinen rauen Lippen küsste und ich seine abscheulichen Laute hören musste, wenn er sich an mir vergnügte. 

Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter und mir wurde übel. Ein panischer Laut entwich meiner Kehle. Nach dem Bruchteil einer Sekunde hatte sich Herr Seehauser schon von mir entfernt, doch die Erinnerungen versetzten mich in eine Starre. 

"Rita?", fragte der Arzt besorgt. 

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So hier ist wie versprochen schon der nächste Teil:) Morgen kommt der nächste

Im Namen des Kanun (Frederik Seehauser/Klinik am Südring)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt