„Radan, du Idiot!", schimpfte Jetin auf albanisch und gab seinem Kapuzen-Freund eine kräftige Kopfnuss. „Jakov wollte die Kleine unversehrt!"
"Das ist sie sowieso nicht...sieh sie dir doch an", verteidigte er sich dann. "Wenn ihr Onkel da mal nicht seine Finger im Spiel gehabt hat"
Ich musste wohl kurz weggewesen sein, denn ich bemerkte erst jetzt, dass man mich gemeinsam mit Miriam und dem Notarzt aus dem Haus zerrte. Ich erhaschte einen Blick auf den Notarzt, als Jetin mich durch den Schnee schleifte. Er baumelte über Radans Schulter und hinterließ einige Blutstropfen auf der Schneedecke. Ich wusste nicht, wo Jetin ihn getroffen hatte. Jedenfalls nicht am Kopf, denn er war bei Bewusstsein. Ich vermutete das Schlimmste, als ich sein Husten hörte. Sein Atem rasselte und immer wieder japste er nach Luft. Sein Kopf war bläulich angelaufen und seine Halsschlagadern traten deutlich hinter dem Kragen der roten Sicherheitsjacke hervor.
„So wird uns Keiner aufhalten", meinte Jetin, als er uns in den Rettungswagen verfrachtete.
„Der Notarzt braucht dringend medizinische Hilfe und Miriam auch", protestierte ich entsetzt und wollte wieder aus dem Wagen springen, doch meine Verletzung hielt mich in Schach.
„Was für eine Ironie", lachte Jetin. „Soll er sich doch selbst helfen"
Mit diesen Wochen schlug er mit die Tür vor der Nase zu und wenig später hörte ich, wie die Sirene aufheulte.
Ich war kurz davor in Tränen auszubrechen. Hastig wandte ich mich dem Arzt zu. Er hatte aufgehört zu husten. Sein Atem ging schnell und tief, dass Bewusstsein hatte er schon verloren. Ich fühlte seinen Puls. Er raste. Das Einschussloch lag im rechten Brustbereich. Ich hatte genug Bücher über Notfallmedizin gelesen, aber ob mein Wissen reichte, ihn vor dem Tod zu bewahren, wusste ich nicht, schließlich war ich erst im sechsten Semester.
Das Stechen an meiner Seite blendete ich völlig aus, als ich mir die nötigen Utensilien aus dem Krankenwagen zusammensuchte. Jeder Handgriff musste in so einem Fall sitzen, dabei hatte ich so etwas noch nie gemacht. Ich schloss den Monitor an und schnappte mir ein Stethoskop. Die Sauerstoffsättigung war deutlich reduziert und auf der Seite des Einschusses war kein Atemgeräusch zu hören. Verzweifelt suchte ich die Informationen abzurufen. Ich hatte es doch gelesen. Ich würde das hinbekommen. Sterben würde er ohne meine Hilfe sowieso.
Nachdem ich mir Handschuhe übergezogen hatte, legte ich ihm einen Venenzugang und verabreichte ihm die Medikamente, die für eine Intubation nötig waren. Vorsichtig setzte ich den Tubus ein und prüfte, ob er richtig saß.
Ich holte tief Luft und legte ein Lochtuch über seinen rechten Brustkorb. Heilige Maria Mutter Gottes, hilf mit und diesem Mann.
Mit dem Skalpell setzte ich einen kleinen Schnitt am oberen Rippenrand. Sofort quoll das Blut aus der Wunde und benetzte meine Handschuhe. Dann stieß ich mit dem Finger die Pleura durch und führte fieberhaft den Drainageschlauch des Heimlichventils ein. Hoffnungsvoll starrte ich auf den Monitor, da stabilisierte sich tachykarde Herzschlag und auch der Blutdruck stieg wieder in den normalen Bereich.
Erleichtert wischte ich mir den Schweiß vom Gesicht. Halleluja! Ich hatte gerade erfolgreich eine Thoraxdrainage gelegt und ich konnte es kaum glauben. Offensichtlich hatte ich ihn vor dem schlimmsten bewahrt, doch der Blutverlust durch die Schussverletzung gab mir trotzdem zu denken. Eine Kompresse half nicht viel, wenn Gefäße verletzt waren. Würde er innerlich verbluten?
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So, liebe Leute,
Danke für eure Votes. Ihr wisst nicht wie sehr das motiviert. Ich hoffe ich hab die Situation im Krankenwagen richtig geschildert und wenn nicht, dann tut es mir leid. Ich hab zwar schon etwas Erfahrung im medizinischen Bereich, aber dann auch nicht wieder so viel, dass man sich auf meine Informationen verlassen könnte.
Wer von euch hat auch schon mal ein Praktikum gemacht? Wenn ja, was habt ihr dort so für Erfahrungen gesammelt?
Alles Liebe
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Im Namen des Kanun (Frederik Seehauser/Klinik am Südring)
FanfictionDie 22-jährige Rita lebt mit ihren Eltern im Kosovo. Sie studiert in einer der angesehensten Privatuniversitäten in Pristina Medizin. Jedoch gerät sie in Gefahr, als sie Jakov, den Besitzer der Uni, dabei ertappt, junge Studentinnen ins Ausland zu...