18-Hanna, beschreibe mal deinen Traummann

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Nachdenklich eilte ich den Bürgersteig entlang. Heute war Montag und nachdem ich gestern wieder zurück nach Berlin gefahren war, war ich nun auf dem Weg zu ein paar Freundinnen, die für mich eine Art Abschiedsfeier organisiert hatten. Gut, eigentlich war es eigentlich nur ein Mädelsabend, aber sie hatten es Abschiedsfeier getauft. Apropos Abschied, Marius und ich hatten mittlerweile immer noch nicht miteinander geredet. Auch wenn er mehrmals versucht hatte mir zu schreiben und mich anzurufen, war ich auf seine Nachrichten und Anrufe nicht eingegangen. Irgendwie war ich einfach zu feige und dafür konnte ich mich im Moment auch selbst nicht leiden, doch das war meine Art. Den Problemen aus dem Weg gehen und hoffen, dass sie irgendwann verschwanden. Nicht sehr effektiv, ich weiß.
Schließlich kam ich an meinem Ziel an und klingelte bei dem richtigen Namen. Sekunden später knackte die Sprechanlage: "Hallo?" "Ich bin's, Hanna.", antwortete ich und schon öffnete sich mit einem Surren die Tür. "Da bist du ja endlich. Wir warten alle auf dich.", begrüßte mich meine alte Mitschülerin Tess und umarmte mich zur Begrüßung. Ich lächelte kurz. Alter Erinnerungen kamen wieder hoch. Ohne Tess hätte ich wahrscheinlich nie mein Abitur geschafft, doch sie hatte mich immer wieder ermutigt und mir geholfen, dass es am Ende doch geklappt hatte. "Jetzt komm schon. Die Anderen wollen dich auch noch begrüßen.", erklärte sie und zog mich tiefer in ihre Wohnung. Freudige Begrüßungsrufe schalten durch den Raum, als wir das Wohnzimmer betraten und ich blickte in eine Menge vertrauter Gesichter. Oha, es waren doch so viele gekommen. Nachdem ich von allen begrüßt wurde, bekam ich ein Weinglas in die Hand gedrückt und wurde auf dem Sofa neben, meiner Cousine, Lena platziert. Gespielt missmutig starrte ich auf das Glas: "Ich wollte ja eigentlich heute nüchtern bleiben..." "Du bist aber viel lustiger, wenn du betrunken bist. Das können wir heute Abend noch gebrauchen.", grinste Tess. Lächelnd verdrehte ich die Augen: "Wegen einem Mal."
Versteht mich nicht falsch, ich trank eigentlich nie Alkohol, doch an Lenas 18. Geburtstag vor fast einem Jahr, hatten sie es doch irgendwie geschafft mich abzufüllen. Angeblich hätte ich auch ziemlich verrückte Sachen gesagt und getan, doch ich selbst wusste gar nichts mehr. Filmriss.
"Was haben wir heute Abend noch vor?", versuchte ich ein neues Thema anzuschneiden und sah in die Runde. "Wir quatschen ein wenig und danach gehen wir noch feiern.", grinste Nina, eine weitere ehemalige Mitschülerin. "Ahja.", lächelte ich und nahm einen Schluck von meinem Wein. "Also dann, was gibt es so für Neuigkeiten?", fragte Lena und prompt fing das aufgeregte Gerede an. Viele würden jetzt bald ein Studium anfangen, Andere würden ebenfalls bald umziehen, jedoch blieben sie in Berlin und Tess hatte sogar von einer neuen Beziehung zu berichten. "Im Ernst? Glückwunsch!", rief ich und umarmte sie freudig. Ich freute mich wirklich für sie, da ihr letzter Freund sie von vorne bis hinten verarscht hatte und sie das echt nicht verdient hatte. Hoffentlich klappte es dieses Mal. Sofort wollten alle so viel wie möglich wissen und Tess beantwortete auch geduldig alle Fragen. Vor allem das Aussehen spielte bei den Mädels eine große Rolle und ich verdrehte lächelnd die Augen. Darauf kam es nun wirklich nicht hauptsächlich an, aber irgendwo konnte ich sie schon verstehen. Interessiert hörte ich Tess' Schilderung zu, als sich plötzlich Lena zu Wort meldete: "Sag mal, Hanna, was ist eigentlich so dein Männergeschmack? Das ist ja nie so wirklich bekannt geworden." Nun war die volle Aufmerksamkeit auf mich gerichtet und ich sah verwirrt zwischen Allen hin und her: "Ist das wirklich so wichtig." "Ja.", brachten Tess und Nina im Chor heraus und Lena grinste triumphierend. "Also dann, beschreibe doch einmal deinen Traummann.", forderte sie und ich seufzte ergeben. Schön, wenn sie unbedingt wollten... "Er sollte...keine Ahnung...herzlich sein. Und fürsorglich.", fing ich stockend an, "Ich weiß nicht, jeder Mensch ist einzigartig und ich will mich nicht so wirklich festlegen..." Genervt seufzte Tess: "Manchmal bist du echt anstrengend. Dann stellen wir die Frage mal um und da du dich ja nicht auf bestimmte Charaktereigenschaften festlegen willst: Was findest du an Männern äußerlich attraktiv?" Oh Gott, dieses Thema wieder. "Puh, da muss ich überlegen.", murmelte ich und blickte nachdenklich in mein Weinglas. "Naja, braune Haare finde ich ganz hübsch und wenn sie so schön fluffig sind.", brachte ich heraus. "Augenfarbe? Klein oder groß? Muskulös?", forderte Nina weitere Informationen. "Ich mag eigentlich grüne Augen. Und er kann schon relativ groß sein. Und naja...er muss nicht muskelbepackt sein, das ist mir wirklich völlig egal." Verträumt versuchte ich mir die beschriebene Person vorzustellen, als unwillkürlich ein Bild in meinem Kopf aufblitzte und mir auffiel, dass ich wirklich eine Person beschrieben hatte oder wohl eher gesagt meine Beschreibung irgendwie unterbewusst nach ihr gerichtet hatte. Panisch nahm ich noch einen Schluck von meinem Wein, damit ich in Ruhe nachdenken konnte. Hatte ich gerade wirklich...? Nein, das war bestimmt nur ein Zufall...oder doch nicht? Meine Gedanken spielten verrückt, doch ein Satz bahnte sich in meinem Kopf an und füllte ihn langsam ganz aus.

Du hast gerade Marius beschrieben.

"Und? Gibt es da jemanden?", grinste Lena und wackelte mit den Augenbrauen. "Nein.", erwiderte ich schnell, doch eine innere Stimme in meinem Kopf erzählte mir da was ganz Anderes. Und diese innere Stimme nannte sich leider Unterbewusstsein.
War es doch möglich, dass ich Marius in letzter Zeit näher gekommen war, als ich anfangs glauben wollte? Zumindest würde es erklären, warum mich sein mangelndes Vertrauen so verletzt hatte...Und wenn ich ehrlich war, machte es mir nichts aus, dass Marius den äußerlichen Idealen meines "Traummanns" entsprach. Und auch seine Charaktereigenschaften mochte ich wirklich sehr. Also möglich wäre es schon...
Konnte es wirklich sein, dass ich eventuell einen Crush auf Marius hatte? 

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