54-Rede jetzt mit ihm

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Still saß ich auf dem Beifahrersitz und starrte aus dem Fenster. Passi fuhr, während sich Marius, Kiko und Bao hinten auf die Rücksitzbank gequetscht hatten. Nachdem wir noch zusammen essen waren, wurde Ju von Vince nach Hause gefahren. Der Arme tat mir jetzt schon leid, Ju hatte nämlich ein Glässchen Wein zu viel getrunken, wie man seinem aufgedrehten Verhalten entnehmen konnte. Währenddessen hatte Passi sich bereit erklärt, uns nach Hause zu bringen. Da war es nun wieder praktisch, dass Kiko und Bao die Nachbarn von Marius waren. Während die Anderen lachten und herumalberten, sah ich nur gedankenverloren aus dem Fenster, die Gedanken bei dem heutigen Abend. Ich musste und wollte mit Marius reden, doch er gab mir nicht eine einzige Chance dazu. Während des Essens hatte ich ihn einige Male beobachtet und immer wenn er dachte, ich würde ihn nicht ansehen, hatte er mir verbitterte und traurige Blicke zugeworfen. Es beschäftigte ihn, das wusste ich. Und nicht nur mir war das aufgefallen, sondern auch Kiko hatte mir immer wieder verständnissvolle Blicke zugeworfen. Hauptsächlich, weil er versuchte so neutral wie möglich zu mir zu sein, doch auch weil mich es ziemlich mitgenommen hatte. "Da wären wir.", unterbrach mich Passis Kommentar und verwirrt blickte ich auf. Wir hielten von dem Haus in dem die drei wohnten und die gerade dabei waren, aus dem Auto zu steigen. "Bis morgen.", verabschiedete sich Marius, während er Passi kumpelhaft auf die Schulter klopfte, während er mir kurz zunickte. Sofort schnürrte sich meine Kehle zusammen und ich realisierte, was ich verloren hatte, weil ich in dieser wichtigen Situation nicht reagiert hatte. Bao beugte sich über die Mittelkonsole und umarmte erst mich, dann Passi zum Abschied und stieg ebenfalls aus. Die Einzige, die sich kaum bewegt hatte, war Kiko. Bestimmt schloss sie die Tür hinter Bao und bedeutete ihm mit ein paar Handzeichen kurz zu warten. "Hanna, du tust mir leid.", stieß sie hervor. "Schon gut. Es ist ja meine Schuld.", murmelte ich und versuchte Passi zu ignorieren, der uns interessiert beobachtete. "Aber das kann so doch nicht weitergehen!", protestierte sie. Hilflos zuckte ich die Schultern: "Was soll ich denn machen?" "Du machst gar nichts mehr. Ich habe da eine Idee.", lächelte sie und zwinkerte mir verschwörerisch zu. "Offiziell weißt du es aber gar nicht.", gab ich zu bedenken, doch sie winkte schnell ab: "Das ist mir echt egal. Ihr werdet nicht wegen so etwas nicht zusammenkommen. Tschau." Damit stieg sie aus und Passi fuhr los, während ich perplex auf die Stelle starrte, an der sie verschwunden war. Doch wirklich weit fuhr Passi nicht, denn er bog in eine Seitenstraße ein und parkte am Straßenrand. Abwartend trommelten seine Finger auf dem Lenkrad, während ich stumm neben ihm saß. Was genau wollte er jetzt? Nach einer Minute des Schweigens, in der er geduldig gewartet hatte, dämmerte es mir langsam und plötzlich kam alles wieder hoch. Verzweifelt legte ich den Kopf in den Nacken und versuchte die Tränen zurückzuhalten, während sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. "Ich weiß einfach nicht was ich machen soll!", brach es aus mir heraus, "Er lässt ja nicht mit sich reden. Ich habe einen Fehler gemacht und nicht reagiert und ich will mich einfach nur erklären und entschuldigen..." Wortlos saß Passi neben mir und starrte nach vorn, als mir auffiel, dass er ja gar nicht wusste um was es ging. "Passi...", wollte ich gerade zu einer Erklärung ansetzen, doch er unterbrach mich.

"Rede jetzt mit ihm."

"Was?"

"Einfach hochgehen und mit ihm reden. Ich hab zufällig einen Ersatzschlüssel hier und er kann ja schlecht aus seiner eigenen Wohnung abhauen.", damit hielt er mir das silbrige Ding vor die Nase. "Ich hab dir gesagt, dass ich dir helfe.", lächelte er leicht und im nächsten Moment fiel ich ihm um den Hals. "Du bist der Beste!", schluchzte ich, angesichts seiner Hilfsbereitschaft. Ein kleines Lachen entwich ihm: "Lass das bloß nicht Marius sehen, sonst wird er noch eifersüchtig." "Sehr witzig.", murmelte ich, bevor ich mir den Schlüssel schnappte und aus dem Auto sprang, "Schönen Abend noch...und danke." Kaum war die Tür in's Schloss gefallen, sprintete ich auch schon los. Vor der Haustür blieb ich kurz stehen und überlegte, ob ich vorher klingeln sollte, doch entschied mich schließlich dagegen. Hastig rannte ich die Treppen nach oben und stoppte vor seiner Tür. Etwas außer Atem drückte ich hier doch auf die Klingel. Ich wollte ja nicht in seine Wohnung einbrechen...vorher wollte ich ihm noch eine Chance lassen. "Hanna?!", fragte Marius irritiert und ich trat einen Stück vor. "Wir müssen reden.", erklärte ich, bevor ich es irgendwie schaffte zwischen seinen Armen hindurch in die Wohnung zu schlüpfen. Wortlos schloss er wieder die Tür und schon waren wir allein.

Effekt meines HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt