Effekt meines Herzens

52-Der erste Schritt

Nichts. Rein gar nichts. Kein einziges Wort. Frustriert und verwirrt klatschte ich das Mehl in die Schüssel und sofort wurde ich von einer weißen Wolke umgeben. Ich hatte einen Fehler gemacht. Einen verdammt großen Fehler. Marius hatte mich geküsst, ja. Und was hatte ich gemacht? Richtig, gar nichts.

Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, riss ich die Augen auf und starrte Marius an. Seine Lippen lagen immer noch auf meinen, während er wartete. Auf eine Reaktion. Von mir. Doch ich war wie gelähmt, spürte kaum noch meine Hände und Füße. "Und cut!", wurden wir von Passis Ruf unterbrochen und erschrocken drehte ich den Kopf. Unser Kollege und Freund stand mit der Kamera vor uns, während er konzentriert auf das Display starrte. "Das sieht echt gut aus...", murmelte er, während ich einen kurzen Blick zu Marius wagte. Er sah mich immer noch an, doch dieses Mal enttäuscht. Unbehaglich verkrampfte ich meine Finger. "Marius, ich...", flüsterte ich und setzte zu einer Erklärung an, doch er unterbrach mich mit einem Kopfschütteln. "Lass gut sein, ich verstehe schon.", damit trat er von mir zurück und lief zu Passi, um sich ebenfalls die Szene anzusehen. Meine Hand fuhr fast automatisch hoch zu meinen prickelnden Lippen und ich versuchte zu realisieren, was gerade passiert war. Marius...er...hatte mich...geküsst. Marius hatte mich geküsst! Wie ein elektrischer Schlag durchfuhr mich die Erkenntnis und ich sah bedauernd zu Marius. Hatte ich gerade alles vermasselt...?

Hustend trat ich einen Schritt zurück, bevor ich langsam auf den Boden sank und meine Knie an meinen Körper heranzog. Schluchzend sah ich vor mir auf den Boden. Ich war so verdammt dämlich! Wie lange wusste ich schon, dass ich in Marius verliebt war? Und dann schaffte ich es nicht im entscheidenden Moment den Kuss zu erwidern? Was war verdammt nochmal mit mir los? Nachdem er, deutlich enttäuscht, meine Nähe bis zum Ende des Tages gemieden hatte und mir auch keine Chance gegeben hatte, mich zu rechtfertigen, hatte ich zwar versucht ihn zu erreichen, Anrufe, alle Social Media Kanäle, doch er reagierte nicht. Tränen rannen meine Wangen hinab, bevor sie von meinem Kinn tropften und ich hielt mir die Hand vor den Mund. Warum machten wir es uns eigentlich so schwer? Es war doch vorher alles so schön gewesen... Durch heftige Schluchzer geschüttelt, griff ich nach meinem Handy und wählte eine Nummer. Nicht die von Marius, da würde ich sowieso nichts erreichen. "Hallo?", erklang eine verschlafene Stimme und sie tat mir schon in diesem Moment leid. Schließlich war es schon morgens um 3. "Er hat mich geküsst.", flüsterte ich, bevor ich wieder aufschluchzte. Stille herrschte am anderen Ende der Leitung, bevor ein leises Knarzen ertönte. "Er hat was?!", fragte Kiko nach, jetzt anscheinend hellwach. "Er hat mich geküsst. Heute beim Dreh.", fing ich an zu erklären, "Es sollte eigentlich nur ein Schein-Kuss werden, aber das war es nicht." "Und?!", fragte Kiko gespannt nach und ich spürte, wie meine Unterlippe bebte: "Ich hab nichts gemacht." Ein resigniertes Seufzen erklang von ihr: "Lass mich raten...jetzt redet er nicht mehr mit dir?" "Scheint so.", murmelte ich und schniefte kurz. "Man Hanna, du musst dran bleiben. Ich hab dir gesagt, dass Marius dich auch liebt. Er hat den ersten Schritt gemacht, jetzt bist du dran.", forderte Kiko. Verdammt, sie hatte sowas von Recht. "Pass auf, wir sehen uns ja morgen und ich schau mir das Ganze mal an.", fuhr sie fort, "Und wenn ich euch morgen zusammen in einen Raum sperren muss. Das kann doch nicht sein, dass ihr wegen einem Missverständnis nicht zusammen kommt!" "Ich will ihm seine Laune zu seinem Geburtstag nicht vermiesen...", murmelte ich, doch Kiko ließ mich gar nicht erst weiterreden. "Das tut nichts zur Sache. Und ganz ehrlich: Euch wird es beiden besser gehen, wenn ihr euch aussprecht. Ich muss jetzt wieder in's Bett. Schlaf gut und bis morgen." "Bis morgen...", flüsterte ich, bevor sie auflegte. Kiko hatte Recht. Ich musste mit Marius reden...ob er wollte oder nicht.