40-Ein Stück Schokolade

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Zitternd verkrampften sich meine Finger in Marius' Jacke und ich schloss die Augen. Ich wollte das alles nur vergessen. Einfach die Zeit anhalten und weg. Ich wusste nicht, ob ich wirklich die Kraft hatte nach Berlin zu fliegen. Nur mit Mühe konnte ich die Tränen zurückhalten, während der Kloß in meinem Hals immer größer wurde. Ich durfte micht weinen, das half niemandem weiter. Weder meinen Eltern. Noch mir. Noch Marius. "Das wird schon.", flüsterte er und zog mich eng an sich heran. Ich glaube, wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich kaum lange stehen bleiben können. Ich hatte Angst um meinen Vater. Und dieses Gefühl zerrte an mir. Beraubte mich meiner Kräfte und benebelte meinen Verstand. "Ich hab Angst.", wisperte ich und eine einzelne Träne rollte nun doch meine Wangen hinab. "Hanna, hey...", flüsterte er und nahm mein Gesicht in seine Hände. Sein Blick war forschend, während sein Daumen sanft die Träne wegwischte.
"Es wird alles gut. Du bist nicht allein, vergiss das nicht.", flüsterte er weiter und zog mich wieder nahe zu sich. Stumm nickte ich nur und presste mich gegen ihn. Er war im Moment das Einzige was mir in diesem Moment wirklich Halt gab und auch ihn würde ich in wenigen Minuten verlassen müssen... Zitternd umschlossen meine Finger den Stoff am Rücken von Marius' Jacke und ich konzentrierte mich einfach nur auf die Wärme, die er auf mich übertrug. "Du solltest langsam los...", murmelte er, wobei auch bei ihm ein leichter Widerwille herauszuhören war. "Es wird alles gut.", flüsterte er noch, bevor ich mich von ihm löste und den Gang zum Flugzeugeingang hinunterlief. Kurz vor der Tür drehte ich mich noch einmal um. Da stand er. Die Arme schlaff an seiner Seite herabhängend. Die Haare verwuschelte, die Augen müde mit dunklen Ringen. Den Blick besorgt, doch er hatte ein aufmunterndes Lächeln aufgelegt. Mit einem letzten kurzen Nicken stieg ich in die Maschine, suchte meinen Platz und ließ mich einfach fallen. Ich war froh, dass ich überhaupt noch diesen Last-Minute-Flug bekommen hatte. Vorsichtig zog ich mir die Ärmel meines Pullovers über die Finger, als dieser meine Aufmerksamkeit erregte. Marius hatte Recht. Es war wirklich kalt. Und er hatte mal wieder mitgedacht und darauf bestanden, dass ich einen seiner Pullover anzog. Vorsichtig vergrub ich meine Nase im Kragen des Pullovers, während ich in meinem Sitz versank. Eine junge Frau ließ sich auf dem Platz neben mir nieder, eine Tafel Schokolade in der Hand. Als ihr Blick auf mich fiel, musterte sie mich mitfühlend. Erst jetzt fiel mir auf, was ich für einen Anblick abgeben musste. Verheult, allein, gekleidet in den Pullover eines Mannes, der mir viel zu groß war und wie ein Häufchen Elend auf meinem Sitz zusammengekauert. Plötzlich wurde mir die Schokolade hingehalten: "Wollen sie ein Stück?" Verdutzt sah ich zu der jungen Frau. Sie lächelte mich freundlich an: "Sie sehen aus, als könnten sie es gebrauchen." "So schlimm?", murmelte ich trocken und brach mir ein Stück ab. Schüchtern nahm sie sich ebenfalls ein Stück: "Es könnte schlimmer sein, denke ich. Sie sind trotzdem noch wunderschön." Über ihre lieben Worte schmunzelnd kuschelte ich mich noch mehr in Marius' Pullover. Ja, vielleicht würde wirklich alles gut werden....

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