24-So und du suchst also einen Marius

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"Und ihr seid euch sicher, dass ich nicht mitkommen soll?", fragte ich zum gefühlt tausendsten Mal und beobachtete Ju und Passi, die gerade Stative und Softboxen in's Auto luden. "Immer noch so sicher wie vor einer Minute.", versicherte mir Ju, "Eigentlich solltest du lieber zu Hause sein und dich um deine Wohnung kümmern. Sei froh, dass ich dich überhaupt in's Bamhaus lasse, auch wenn wir ausgemacht hatten, dass du erst komplett eingezogen bist." "Ich bin schon eingezogen, ich muss nur noch streichen und alles einrichten.", gab ich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ju sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. "Außerdem komme ich so wenigstens mal unter Menschen und hocke nicht mehrere Wochen in meiner Wohnung.", legte ich noch einen drauf und grinste siegessicher. "Wenn's nur für's Schneiden ist...", warf Passi ein und zwinkerte mir zu, bevor er in den Wagen stieg. Aha, er hatte wohl kurzzeitig die Seite gewechselt. Von wegen Verschwörung. Verabschiedend winkte ich den Beiden noch einmal, während sie die Straße entlangfuhren, bevor ich mich umdrehte und wieder in's Haus marschierte. Ich hatte schließlich noch ein paar Szenen vom gestrigen Vlog zu schneiden, bevor ich mich wieder nach Hause begab. Ein, fast schon sinnloses, hin und her, aber ich brauchte auch mal eine Pause von Pinsel und Farbe. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich komplett allein im Bamhaus war. Naja kein Wunder. Heute war Samstag und die Crew drehte jetzt schon am nächsten Video, da sie viele aufwendige Visual Effects geplant hatten und Marius genug Zeit lassen wollten, sodass er nicht allzu sehr unter Druck geriet. Apropos Marius, er hatte sich seit seiner Krankschreibung immer noch nicht blicken lassen. Wir hatten gestern kurz mit ihm telefoniert und er hatte uns versichert, dass es ihm schon wieder ganz gut ginge und er die nächsten Tage wieder anfangen könnte zu arbeiten. Und nein, ich hatte ihn nicht besucht. Erstens, hatte ich keine Zeit gefunden oder wollte keine finden. Zweitens, wusste ich nicht genau wo er wohnte und ich hatte keine Lust Ju oder Passi oder Vince nach seiner Adresse zu fragen. Drittens, suchte ich schon seit Tagen nach den richtigen Worten um mich bei ihm zu entschuldigen. Ich fühlte mich echt schlecht dabei, immer noch kein Wort wegen dem Streit herausgebracht zu haben, doch ich wollte es mit ihm persönlich klären und irgendwie hatte sich das mit seinem plötzlichen Kranksein etwas verschoben. Oha, ich suche ja schon wieder Ausreden. Na klasse. aber jetzt sollte ich die Gedanken für's Erste bei Seite schieben und mich auf den Vlog konzentrieren. Vielleicht fielen mir dann auch die richtigen Worte ein. Irgendeine Melodie vor mich hin summend, setzte ich mich an meinen Pc und startete ihn, während ich mir meine Kopfhörer aufsetzte. Ich hatte gar nicht wahrgenommen, dass die ganzen Streichaktionen so viel Zeit in Anspruch genommen hatte, doch jetzt fiel mir auf, dass ich ganz schön lange gearbeitet hatte. Schließlich hatte ich hier Schnittmaterial von mehreren Stunden. Eine Stunde verging auch, in der ich alle Szenen schnitt, das Einzige was ich hörte, waren meine Kommentare, die ich im Laufe des Tages gesagt hatte und ich mir nun wieder anhörte.

Plötzlich wurden mir meine Kopfhörer von den Ohren gezogen, als ich gerade eine Szene am anschauen war. Jetzt bräuchte man einen Marius, jaja. Dummerweise war die Lautstärke doch etwas hoch, weswegen es ein Leichtes für mich war, den Satz zu verstehen, auch wenn ich keine Kopfhörer auf hatte. Und die Person hinter mir hatte ihn wahrscheinlich ebenfalls gehört. Peinlich berührt schloss ich die Augen. Die Szene wollte ich eigentlich rausschneiden. Jetzt durfte ich Passi, Ju oder Vince irgendwie eine vernünftige Ausrede auftischen, damit sie nicht auf falsche Gedanken kamen. Verlegen drehte ich mich zu der Person hinter mir um und für einen Moment setzte mein Herz aus. Da stand weder Vince, noch Ju, noch Passi. Da stand Marius, immer noch mit den Kopfhörern in der Hand, den Blick leicht verdutzt. Musste er unbedingt dann auftauchen wenn dieser Satz fiel? "Können wir reden?", fing Marius an und legte die Kopfhörer beiseite, während er Jus Schreibtischstuhl neben mich zog und sich darauf niederließ. "Klar.", murmelte ich nur und sah auf die Tischplatte vor mir. Na toll, jetzt musste ich mich also doch stellen und genau jetzt hatte ich alle Sätze, die ich mir schon halbwegs zurecht gelegt hatte, vergessen. Okay Hanna, jetzt oder nie, das bist du ihm schuldig. "Es tut mir leid!", platzte es aus mir heraus und ich sah ihm flehend in die Augen. Einfach mal mit der Tür in's Haus fallen, mal sehen wie er darauf reagiert. "Ja, genau darüber wollte ich mit dir reden.", nuschelte er und legte eine Hand in seinen Nacken, "Aber warum entschuldigst du dich?" Verwirrt sah ich ihn an: "Weil ich komplett überreagiert habe? Weil ich einfach mal so in Aachen war, ohne euch auch nur ein Fünkchen davon zu erzählen und dann auch noch beleidigt bin, wenn ihr euch vor den Kopf gestoßen fühlt? Und dann habe ich nicht einmal das Rückgrat, auch noch irgendein Wort zu dir zu sagen?" Wortlos sah er mich für einen kurzen Moment an, bevor er antwortete: "Ich wollte mich eigentlich bei dir entschuldigen..." Fragend blickte ich ihn an. "Das war wirklich nicht in Ordnung, dass ich dir unterstellt hätte, dass du was mit Ju haben könntest. Es war...einfach die falsche Schlussfolgerung, die ich daraus gezogen habe. Ich hätte dir glauben sollen.", entschuldigte Marius sich, "Ich wollte dich noch aufhalten, aber du hast mir klar und deutlich gemacht, dass du allein sein willst. Irgendwie habe ich mich dabei echt schlecht gefühlt, weil ich wusste dass es falsch war." "Naja und ich habe danach deine Anrufe und Nachrichten ignoriert.", gab ich zu bedenken. "Kann ich verstehen. Ich hätte es auch so gemacht.", gab er mir Recht. Ein winziges Lächeln legte sich auf meine Lippen: "Einigen wir uns einfach darauf, dass wir beide Mist gebaut haben?" "Klingt gut.", erwiderte er und rückte ein Stück näher zu mir, "Vergessen wir es einfach?" 

"Liebend gern."

Eine kurze Stille enstand, in der jeder überlegte, was er als nächstes sagen sollte. "Ich bin froh, dass wieder alles gut zwischen uns ist.", murmelte ich und ließ meinen Kopf gegen seine Schulter fallen. "Ich auch.", flüsterte Marius und legte seine Wange auf meinem Hinterkopf ab.

"Hanna?

"Ja?"

"Kann es sein, dass du geweint hast, als du gegangen bist?" 

Nachdenklich spielte ich mit dem Bändchen seiner Jacke, die von der Kapuze herabhingen. Sollte ich ihm die Wahrheit sagen und ihm damit wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen bescheren? Oder sollte ich es lieber lassen? "Ein wenig.", brachte ich schließlich heraus. "Verdammt, ich wollte das wirklich nicht.", seufzte Marius und umarmte mich etwas unbeholfen, aufgrund unserer Haltung. Eine Minute des Schweigens entstand, bevor er sich wieder räusperte: "So und du bist also momentan am Einziehen?" "Ich bin auch hoffentlich bald fertig.", erwiderte ich. 

"Und du brauchst einen Marius?"

"Du hast den Satz also auch gehört?"

"Natürlich."

Effekt meines HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt