Kapitel 13

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~James~

Mein Wecker riss mich unsanft aus dem Schlaf. Müde rieb ich mir die Augen. Ach man. Warum konnte dieser verdammte Wecker nicht einmal die Klappe halten? Ich war so was von Ferien reif! Mühsam stand ich auf und watschelte zur Dusche. Ich ließ kaltes Wasser auf meine Haut prasseln und merkte, wie langsam etwas mehr Lebenskraft in meinen Körper strömte. Nach circa zehn Minuten stellte ich die Dusche wieder ab und zog mir eine kurze Hose und ein schwarzes Oberteil an. Ich mag schwarz irgendwie total gerne. Schwarz ist so mysteriös, kalt und angsteinflössend, bietet aber auch Schutz. Ich schnappte mir meine Schultasche und ging zum Frühstück. Normalerweise wachte ich immer vor dem Wecker auf. Ich wusste auch nicht so recht, was mit mir heute los war. Normalerweise nahm ich auch nie meine Tasche mit zum Essen, sondern holte sie nachher erst, da ich normalerweise vorher joggen ging. Heute war alles durcheinander! Maik sah mich schief an. "Gibt's was besonderes?", fragte er und musterte mich erneut kurz. Ich zuckte mit den Schultern und ging ans Buffee. Dort schnappte ich mir drei Brötchen und eine Käseschleife. Mit meiner Beute lief ich zu unserem Stammtisch. "Hast du Lucie schon gesehen?", erkundigte sich Maik und runzelte nachdenklich die Stirn, "Sie kommt doch sonst immer zum Frühstück..." "Keine Ahnung", brummte ich und aß weiter. Mich juckte das gerade herzlich wenig! Ich hatte Hunger! Da war mir alles andere egal. Maik seufzte und biss von seinem Brötchen ab. "Manchmal würd ich zu gerne wissen, was andere denken!", murmelte Maik. "Waas?", rief ich und verschluckte mich an meinem Brötchen. Hustend trank ich ein hastigen Schluck Wasser, um gleich einen neuen Hustenanfall zu erleiden. Als ich mich endlich wieder beruhigt hatte und das Gefühl hatte, dass A uns alle anglotzten und B ich knallrot war, sah ich Maik einfach nur baff an. Vielleicht hatte ich mich auch einfach nur verhört und das ganze war einfach nur ein Missverständnis. "Was ist denn daran so schlimm?", wollte er wissen, "Ich will doch nur manchmal gerne wissen, was andere denken. Das ist doch nichts schlimmes!"  Ich schüttelte nur ungläubig den Kopf. Meine Kinnlade klappt auf und wieder zu, doch es kam kein Laut heraus. Maik verdrehte die Augen und aß gemütlich weiter, als wäre nichts geschehen. Ich schüttelte erneut den Kopf und tat es ihm schließlich gleich. Ratz fatz war mein Frühstück Geschichte und befand sich auf dem besten Weg zur Verdauung. Lucie hatte sich immer noch nicht blicken lassen. "So langsam mache ich mir echt Sorgen um Lucie", meldete sich Maik. Nachdenklich fuhr ich mir durch die Haare. Was macht die bloß so lange? "Naja", beruhigte ich ihn etwas, "Vielleicht machen wir uns ja auch einfach viel zu viele Gedanken und sie ist schon in der Klasse oder hat einfach verschlafen und kommt erst zum Unterricht. Schulterzuckend lief ich Richtung Klassenraum. "Wenn du meinst?", brummte Maik wenig überzeugt von mir. Schweigend betraten wir die Klasse. Doch auch da war Lucie nicht. Oh man. Dieses Mädel konnte echt nervtötend sein. Es waren nicht einmal mehr fünf Minuten bis zum Unterrichtsbeginn. Was trieb die bloß schon wieder? Die konnte doch nicht einfach den Unterricht schwänzen! Ich ließ meine Tasche auf meinen Stuhl fallen und setzte mich mal wieder auf den Tisch. Das Schellen zum Unterrichtbeginn riss mich unsanft aus meinen Gedanken. Ich schaute neben mich, doch der Platz war leer. Verdammt. Wo war die bloß? War es jetzt auch noch meine Aufgabe, die zum Unterricht zuzerren?  Unsere Deutschlehrerin betrat den Raum. "Guten Morgen!", begrüßte sie uns wie immer freundlich. Ihr fiel sofort auf, dass Lucie fehlte. Fragend sah sie mich an. Ich seufzte und zuckte die Schultern. "Holst du sie bitte? Vielleicht hat sie ja einfach verschlafen", forderte mich meine Lehrerin auf. Ich nickte und stand auf. Eilig lief ich das Treppenhaus hoch. Was dachte die sich bloß da bei?  Vor ihrer Tür hielt ich kurz inne. Was war das? Ich musste mich getäuscht haben. Erneut lauschte ich an ihrer Tür. Tatsächlich, das war ein Schluchzen. Was mach ich denn jetzt bloß? Ich bin doch kein Seelsorger! Langsam drückte ich die Klinke herunter. Die Tür war unverschlossen. Überrascht öffnete ich die Tür ein kleines Stückchen. Dort saß sie auf dem Fensterbrett. Sie wandte mir den Rücken zu. Ich ging auf sie zu. Doch sie schien mich nicht zu bemerken. Dann geschah das, womit ich unbewusst schon gerechnet hatte. Sie rutschte vom Fensterbrett. Aber nicht zurück ins Zimmer sondern... Schnell rannte ich auf sie zu und griff nach ihrem Arm, während sie erschrocken aufschrie. Ich bekam ihr Handgelenk zu fassen. "Zieh dich hoch!", schrie ich panisch und sah sie geschockt an. Mein Herz raste wie verrückt. Ich nahm meine zweite Hand dazu und zog sie vorsichtig hoch. Sie stand immer noch unter Schock. "Willst du dich umbringen?", fragte ich immer noch schockiert. Lucie zuckte die Schultern und hielt sich die Hände vors Gesicht. "Wir haben Unterricht", sagte ich und sah sie auffordernd an, doch sie reagierte nicht. "Jetzt komm!" So langsam wurde ich ungeduldig. Was war bloß los mit ihr? Sie schüttelte den Kopf umd weinte hemmungslos weiter. Verdammt! Lass dir was einfallen, du Idiot. Du kannst sie doch nicht einfach weinen lassen! Ich seufzte und setzte mich schließlich neben sie. "Dann erzähl mir doch wenigstens, was los ist", murmelte ich. "Hau ab!", schniefte sie, "Das geht dich nichts an!" Alter! Da will man der mal helfen und dann schickt die einen einfach weg. So nicht! Das kann sie vielleicht bei anderen machen aber nicht bei mir. Ich warf sie einfach aufs Bett, setzte mich auf ihre Beine und riss ihr die Arme weg. "Entweder du kommst jetzt auf der Stelle mit in den Unterricht oder du sagst mir gefälligst, was mit dir los ist!", zischte ich und betonte dabei jedes einzelne Wort. Sie drehte ihren Kopf weg. "Schau mich an, wenn ich mit dir rede!", befahl ich. Ich nahm ihre Hände mit einer Hand und drehte ihren Kopf zu mir, sodass sie mich wieder anschauen musste. "Jetzt sag mir endlich, was los ist!", brüllte ich, "Wegen dir krieg ich jetzt wieder richtig Anschiss!" So langsam verlor ich echt die Geduld mit ihr. Wie konnte man bloß so stur sein? Na gut, ich war selber häufig nicht besser. Seufzend sah ich sie an. "Sorry", brummte ich und ließ sie los. Langsam ging ich zum Fenster und schloss dieses. "War nicht so gemeint!" Sie blieb einfach so liegen und starrte die Decke an. "Mein Bruder ist heute vor fünf Jahren verbrannt!", murmelte sie. Erschrocken sah ich sie an. Hatte ich das gerade wirklich richtig gehört? Ich hatte meine Augen weit aufgerissen. Tränen liefen über ihre Wangen. Eilig ging ich wieder zu ihr, zog sie in eine Sitzposition und nahm sie einfach in den Arm. Ich kniete vor ihrem Bett und versuchte ihr einfach etwas Geborgenheit zu geben. Ich hätte nie gedacht, dass so viel Flüssigkeit aus den menschlichen Augen entweichen kann. "Das tut mir leid", meinte ich mitfühlend. Ich schaute an die Wand. Sie musste circa 10 gewesen sein... Das ist schon hart. "Du warst dabei, stimmt's?", fragte ich vorsichtig. Sie nickte und löste sich wieder von mir. Nur um mir zu bedeuten, sich neben sie aufs Bett zu setzten. Ich folgte ihrer stummen Aufforderung. Da saßen wir nun eine ganze Weile. Vorsichtig musterte ich sie von der Seite. Sie hatte sich wieder etwas beruhigt und schaute gerade auf ihre Hände. "Eigentlich wollte mein Bruder an dem Tag bei seinem Freund übernachten, aber ein paar Jungs haben ihn verprügelt und so ist er wieder nach Hause gelaufen. Meine Eltern wussten nichts davon und waren fest davon ausgegangen, dass er nicht da war. Nur ich wusste es! In dieser Nacht fing unser kleines Holzhaus Feuer. Meine Eltern retteten mich aus den Flammen. Das ganze Haus brannte lichterloh. Als ich merkte, dass mein Bruder fehlte, war es bereits zu spät. Die Feuerwehr war machtlos. Das letzte, was ich von ihm hörte, war mein Name und danach ein markerschütternder Schrei", erzählte sie, "Ich ich konnte ihn nicht retten. Ich konnte meinen Bruder nicht retten. Ich hatte niemand anderes!" Während der Erzählung hatte sie wieder angefangen zu weinen. Erneut nahm ich sie einfach in den Arm. 'Manchmal ist es besser nichts zu sagen' Diese Stimme! Wer war das? So saßen wir einfach da und sie weinte sich in meinen Armen aus. Als sie sich endlich beruhigt hatte, überredete ich sie, sich abzuduschen. Ich glaubte, so langsam zu verstehen, warum sie so war. Wenn ihr Bruder wirklich ihr ein und alles war, musste das ein sehr schmerzvoller Verlust gewesen sein!

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