~James~
Stundenlang saßen wir da und ich hörte ihr zu, nahm sie in den Arm und versuchte sie zu trösten. Der Verlust ihres Bruders schien hart an ihr zu nagen, obwohl es nun schon fünf Jahre her waren. Ich versuchte mir ihren Bruder vorzustellen. Schließlich holte Lucie eine kleine Truhe aus ihrem Nachttischchen. Sie öffnete sie vorsichtig und holte ein paar Bilder heraus. Auf dem ersten Foto war ein kleiner Junge zu sehen, der ein großes Eis in den Händen hielt. Er war verdammt süß und lächelte in die Kamera. Kein Wunder, dass sie ihn so vermisste. Dieser kleine Junge hatte eine enorme Ausstrahlung auf dem Bild. Ich konnte es nicht wirklich beschreiben, aber es war unglaublich. Auf dem nächsten Bild umarmten sich die Beiden. Sie standen am Strand und lachten zusammen. Lucie seufzte.
In dem Moment klopfte es an die Tür. Oh scheiße! Das hatte ich total verpeilt. Scheiße! Wie sollte ich das jetzt bloß erklären? Na super! Das gab ordentlich Anschiss! Ich hasse mein Leben! Kann nicht mal etwas gut laufen? Warum muss gleich immer alles an mir hängen bleiben? Warum steckte ich immer in der Scheiße? "Ja?", fragte Lucie. Ihre Stimme zitterte immer noch leicht. "Man, der Unterricht ist schon längst vorbei!", rief Maik, "James, du sollst sofort zum Schulleiter!" Scheiße! Das klang verdammt nach Ärger! Ich stand auf. "Geh nen bisschen raus und lenk dich ab!", sagte ich ihr noch, bevor ich den Raum verlies. "Was habt ihr euch dabei gedacht, einfach zu schwänzen?", knurrte er mich an. "Alter, ich hab nicht geschwänzt. Lucie gings nicht gut, da bin ich bei ihr geblieben", erwiderte ich und lief Richtung Treppenhaus. Maik pfiff kurz durch die Zähne. "Ooho, läuft da etwa was? Du bist doch sonst nie so!", erkundigte er sich sofort. Ich verdrehte die Augen. Alter. Konnte der einmal nicht auf die Nerven gehen? Warum dachten gleich alle, dass man mit jemandem zusammen ist, wenn man mal sozial ist? Ich hasse das! Als ob ich jemals jemanden lieben könnte, wenn ich nicht einmal weiß, was das ist! "Du verstehst echt gar nichts", zischte ich sauer. "Alter, komm mal runter", versuchte er mich wieder zu beruhigen. "Ich muss mich um die kümmern!", brüllte ich ihn an, "Also halt die Klappe!" "Ganz ruhig Blut!", beschwichtigte er mich, "Ich hab dir nichts getan!" "Gehn wir gleich noch joggen?", fragte er und tat dabei so unschuldig, dass ihm am liebsten eine gescheuert hätte. Doch ich riss mich zusammen und ging einfach weiter, ohne auf seine Frage einzugehen. "Dann eben nicht!", meinte Maik. "Bis morgen", fügte er noch bissig hinzu und lief weg. Toll! Soll er doch alleine joggen gehen. Mir war die Lust daran vergangen. Ich hatte zu nichts mehr Bock! Und da stand ich nun vor dieser bescheuerten Tür, die jeder Schüler wenn möglich mied. Ich klopfte. "Herein!", kam es von drinnen. Ich öffnete die Tür und hätte sie am liebsten sofort wieder zu geschlagen und wäre abgehauen. "Ähm, ich wollte nicht stören", nuschelte ich und wandte mich wieder zum Gehen. "Nein, nein! Genau auf dich haben wir gewartet", rief Müll. Ich ließ die Schultern fallen und schloss die Tür hinter mir. Kurz schaute ich zwischen den dreien hin und her. Boah das war jetzt echt das letzte, was ich brauchte! "Setzt dich ruhig", bot mir der Schulleiter an. Doch ich schüttelte den Kopf. "Was gibt's?" Meine Laune war im Arsch und ich zeigte dies auch deutlichst. "Was bist du denn so schlecht gelaunt?", fragte sie und tat da bei so unschuldig. Diese Hexe! Was wollte die jetzt schon wieder von mir? Sie sollte sich verdammt nochmal verpissen! Ich hatte kein Bock auf sie! "Ach komm schon, Schätzchen! Schau doch mal ein bisschen freundlicher!", zog sie mich auf und lächelte dabei auch noch so. Am liebsten hätte ich sie zusammen geschrien! Was fiel der ein, einfach hier aufzutauchen? Und dann auch noch so zu tun? Ich hasse sie! Sie hat mein Leben geschrottet! "Wir wollten dich mal wieder zuhause haben", sagte sie, als wäre es das normalste der Welt. Ernsthaft?! Mein Blick wurde glasig. Nein bitte nicht! Ich wollte nicht. "Ich kann leider nicht! Ich muss auf Lucie aufpassen!", murmelte ich und starrte zu Boden. LASS MICH DOCH EINFACH IN RUHE! Tränen bildeten sich in meinen Augen, doch ich blinzelte sie weg. Ich hatte Angst, verdammte Angst! Ich wollte nicht! Nicht noch einmal! "Ich hab mit Maik gesprochen. Er übernimmt das", mischte sich Müll. NEIN! VERDAMMT! Erschrocken starrte ich ihn an. Das konnte nicht sein. Das war ein schlechter Scherz. Nein, es musste ein Alptraum sein! Ich wollte aufwachen. Verzweifelt kniff ich mir in den Arm. Ein Arm legte sich auf meine Schulter. "Wir holen dich morgen ab", lächelte sie. Nein! Haut ab! Ich will euch niewieder sehen! Ich drehte mich um und verlies den Raum. Erst ging ich noch ganz normal, doch dann begann ich zu rennen. Ich rannte durch das Gebäude zu meinem Zimmer. Ich schloss auf und knallte die Tür hinter mir zu. Schnell schloss ich ab. Ich wollte niemanden gerade sehen. Warum? Warum musste ich immer Pech haben? Warum bloß? Tränen liefen über meine Wangen. Wütend fing ich an, die Wand mit meinen Fäusten zu bearbeiten. Es dauerte nicht lange, da hatte die Wand ihre neusten roten Flecken. Meine Fäuste brannten, doch ich hörte nicht auf. "James!", schrie Maik vor der Tür und hämmerte dagegen. "Lass mich in Ruhe!", brüllte ich ihn an. "Verdammt, mach die scheiß Tür auf!", rief Maik, doch ignorierte ihn. "Ich brech die Tür auf", drohte er, doch wieder reagierte ich nicht. Ich hörte wie die Tür sich öffnete. "Spinnst du?", herrschte er mich an und warf mich mit voller Kraft auf mein Bett. Ich versuchte mich zu befreien und stieß ihn von mir runter. "Alter, was ist los mit dir? Harkt es eigentlich bei dir? Geh nach unten, wenn du Wut abbauen willst, aber hör endlich auf die Wand zu schlagen! Du bist doch kein Psycho!", brüllte er mich an. "Lass mich einfach in Ruhe!", zischte ich. "Was ist bloß los mit dir, Bro?", wollte er wissen. Ich schaute weg. Ich wollte nicht, dass er sah, dass ich Tränen in den Augen hatte.
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Who are you?
Teen FictionJames, 16 Jahre, geht auf ein Internat. Eigentlich ist sein Leben perfekt, doch dann kommt diese Lucie und stehlt alles auf den Kopf. Sie ist definitiv nicht normal. Und ausgerechnet er muss sich auch noch um sie kümmern...