~James~
Ich musste eingeschlafen sein. Denn als ich meine Augen öffnete, stand neben mir etwas zu essen und ich bemerkte einen Schatten. Mühsam rappelte ich mich auf und sah eine verschwommene Person an der Wand. Ich blinzelte, doch die Person blieb unscharf. "Du bist wach?",fragte die Person und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Unsicher nickte ich und hielt meinen Kopf. Verdammt, warum tat das bloß so weh? Warum konnte man nicht einfach nichts spüren? Dann wäre so vieles viel einfacher! "Wie geht es dir?", erkundigte sich die Person. Schweigend sah ich zu Boden. Die Person kam einen kleinen Schritt auf mich zu und hockte sich hin, damit wir uns besser in die Augen schauen konnten. Erst jetzt erkannte ich Leon. Er war mein Pflegevater. "Du kannst mir ruhig sagen, was passiert ist! Mir kannst du vertrauen! Das weißt du doch, oder?" "Sie haben mich wieder geschlagen", murmelte ich und starrte auf seine Füße. Leon seufzte. "Zeig mal!", forderte er mich auf. Vorsichtig zog ich mein T-Shirt hoch. Mein ganzer Rücken und Bauch waren von den Abdrücken der Schläge übersäht. Teilweise hatte sich Kruste auf meinen Wunden gebildet. "Das tut mir leid!", meinte er und schaute weg. "Das du uns ja mal wieder besuchen könntest, war meine Idee. Ich wollte unbedingt wissen, wie es dir geht und wie das Internat so ist. Schließlich haben wir uns ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen", erklärte er mir mit gesenktem Kopf. "Dafür kannst du doch nichts. So sind sie nun mal. Da kann man nichts machen", erwiderte ich. Leon sah mir wieder Augen. "Übermorgen machen wir ganz alleine einen Ausflug, ok?", schlug er vor. Ich willigte ein und ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen. Ich mochte Leon total gerne. Doch hätte ich gewusst, was am Samstag passieren würde, hätte ich nicht eingewilligt... Lange saßen wir da. Er hatte mir etwas zu essen gekocht und so aßen wir zusammen auf meiner Matratze. Ich erzählte ihm vom Internat und von der Geschichte von Maik und Lucie und er erzählte mir von seiner Arbeit. Irgendwann legten wir uns beide schlafen.
Am nächsten Tag wurde ich von Marco aufgeweckt, weil er sich ohne Vorwahnung auf mich schmiss. Ich zwang mich dazu einen Schmerzensschrei zu unterdrücken. Alles brannte. Dieses Arschloch! Was dachte der sich? Der ist nämlich kein bisschen leicht, auch wenn er jünger ist als ich. Der ist verdammt fett und ebenso schwer. Mindestens im hohen zweistelligem Bereich... Mühsam stand ich auf und nahm mir neue Sachen aus meiner Tasche. Ein Wochenende würde ich schon irgendwie überleben, bzw musste ich irgendwie überleben. Schnell huschte ich unter die eiskalte Dusche. Die Kälte machte mir schon lange nichts mehr aus. Nach zehn Minuten stand ich fertig in der Küche . "Guten Morgen!",begrüßte ich die Anderen, die schon am essen waren. Keiner antwortete mir. Lediglich Leon drehte sich zur mir um und schenkte mir ein leichtes Lächeln. Schweigend setzte ich mich dazu und würgte zwei vertrocknete Scheiben Brot herunter. Danach sollte ich Holz hacken. Ich ging in den Garten. Auf dem Rasen lag ein Holzhaufen mit riesigen Klötzen. Ich stöhnte. Die wollten mich doch verarschen! Ich sollte ernsthaft Holz hacken mit ner bescheuerten Axt! Alter, ging's eigentlich noch? Das war ne Arbeit für nen Holzfäller oder so was in der Art, aber nicht für mich. Ich hatte total keinen Bock mehr und wünschte mich zurück ins Internat. Da würde ich lieber Maik und Lucie aushalten, als das hier zu machen! Wutentbrannt schnappte ich mir den ersten Klotz und stellte ihn optimal hin. Mit voller Wucht zerteilte ich diesen anschließend mit der Axt. So ging das einige Zeit ohne Probleme, doch dann machte sich meine Übermüdung immer deutlicher bemerkbar. Meine Sicht verschwamm immer öfters und ich musste Pausen machen, die nicht unbestraft blieben. Erschöpft ließ ich mich am Mittagstisch auf meinen Stuhl fallen. Ich genoß jeden einzelnen Bissen und trank gierig mein Wasser aus. Nach dem Essen musste ich weiter arbeiten. Inzwischen herrschte eine Affenhitze, die das Holz hacken nahe zu unerträglich machte. Ich stöhnte und ließ mich auf den Rasen fallen. Ich konnte und wollte nicht mehr. Das konnte man doch nicht erwarten! Ich war auch nur ein normale Mensch, auch wenn ich auf ein Sportinternat ging. Warum waren manche Menschen so unmenschlich? Ich verstand das einfach nicht. Ich hatte ihnen doch nichts getan. Warum also? "Ey, du Faulpelz", zischte jemand hinter mir, "Du sollst arbeiten und nicht rumsitzen." Mit diesen Worten trat er mir mit voller Wucht in den Rücken. Ich unterdrückte einen Aufschrei und versuchte aufzustehen. Doch ein erneuter Tritt gegen mein Schienbein zwang mich in die Knie. Marco benutzte einen Holzscheit, um auf mich einzuprügeln. Bald schon spürte ich den Schmerz nicht mehr. Ich erinnerte mich an damals und unbändige Wut kalmte erneut in mir auf. Ich stieß ihn von mir weg und begann ebenso auf ihn einzuschlagen. Wir verwandelten uns in ein wild umherrollendes Knäul, während wir uns gegenseitig bissen, schlugen und kratzten. Irgendwann traf mich etwas hartes am Hinterkopf. Ich ließ ab und erkannte verschwommen Marcos Mutter. Erneut schlug sie auf mich ein. Blut sickerte durch mein T-Shirt und ich keuchte. Es raubte mir die letzte Kraft. Zwei weitere Male schlug sie auf mich ein, bevor ich das Bewusstsein verlor und in ein dunkles Loch glitt...
War ich jetzt endlich tot? Fühlte es sich so an, wenn man tot war? Konnte ein Toter überhaupt denken? Warum spürte ich diesen unerträglichen Schmerz? Ich wollte schreien, doch kein Laut kam aus meiner Kehle. Ich wollte tot sein, doch mein Herz pumpte weiterhin das Blut durch meinen Körper. Ich wollte meine Augen öffnen, doch mir fehlte die Kraft. Wo war ich hier bloß? War das der Übergang zur Hölle? Tausende Fragen wirbelten durch meinen Kopf, doch keine konnte ich mir beantworten.
Was war überhaupt passiert? Ich konnte mich an nichts außer einem heftigen Schlag auf den Rücken und den Hinterkopf erinnern...Ich musste das Bewusstsein verloren haben. Aber wo war ich jetzt? Nach mehreren Anläufen schaffte ich es schließlich die Augen zu öffnen, um es direkt wieder zu bereuen. Mein Kopf schmerzte noch höllischer und ich begann mich wieder an alles zu erinnern. Ich lag in dem Kellerraum auf der harten Matraze und stöhnte leise auf. "Selber Pech, wenn du dich wehrst!", lachte Marco mit rauer Stimme, "Ich dachte, du hättest damals etwas gelernt, als du hier noch warst! Aber anscheinend wirst du viel zu sanft dort behandelt." Mit Abscheu und Missgunst sah er mir ins Gesicht. "Du bist echt erbärmlich!" Mit diesen Worten knallte er die Tür hinter sich zu. Mein Kopf brummte noch mehr und ich stöhnte leise. Irgendwann fiel ich schließlich in einen unruhigen Schlaf...
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Who are you?
Fiksi RemajaJames, 16 Jahre, geht auf ein Internat. Eigentlich ist sein Leben perfekt, doch dann kommt diese Lucie und stehlt alles auf den Kopf. Sie ist definitiv nicht normal. Und ausgerechnet er muss sich auch noch um sie kümmern...