27. Aggressionen

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Fuck! Was machte der denn so plötzlich hier? Wollte mich die ganze Welt verarschen? Das gab es doch nicht! Niemals! Das war einfach unmöglich. "James?", riss mich Lucie aus meinen Gedanken, "Du siehst so aus, als würdest du gerade jemanden in Fetzen reißen wollen." "Das ist irgendwie gruselig", fügte sie etwas leiser hinzu. Ich stöhnte genervt auf. "Halt einfach die Klappe und kümmer dich um deinen eigenen Scheiß!", knurrte ich und stand einfach auf. Schnell stiefelte ich die Treppen hoch in Richtung meines Zimmers. Scheiße, wie sollte ich das bloß Maik erklären? Das würde der mir nie glauben! "James, was ist mit dem Training?", nervte Lucie weiter. Warum waren Frauen bloß so nervtötend? "Fällt aus!", meinte ich. Meine Stimme klang wieder so eiskalt wie am Anfang, wo ich ihr zugeteilt wurde. "Kannst ja mit Maik trainieren und dem ach so tollem Ryan. Du hast den ja schon fast mit deinen Blicken ausgezogen", ergänzte ich noch. "Spinnst du?", rief sie schon fast hysterisch. "Warum?", fragte ich und versuchte möglichst desinteressiert zu wirken. Er war halt schon immer der Magnet gewesen. Alle Weiber waren ihm hinterher gelaufen. Oh, wie ich hasste! Ich könnte ihn auf der Stelle zusammenschlagen. "Ich hab ihn ganz sicher nicht mit meinen Blicken ausgezogen!", verteidigte die sich. Man ey. Die sollte mich einfach in Ruhe lassen! "Ne, du hast nur so getan als ob", sagte ich sakrastisch und verdrehte die Augen. "Glaub doch was du willst!", brummte sie, drehte sich um und ging weg. "Du bist doch nur eifersüchtig, dass dich keiner leiden kann. Bei dem Charakter ist das aber auch kein Wunder", hörte ich sie noch leise murmeln. Wut pulsierte in meinen Adern. Wie konnte sie es wagen? Wutentbrannt drehte ich mich zu ihr um. Sie war schon wieder ein Stück zurückgelaufen. Mit einigen schnellen Schritten hatte ich sie eingeholt. Ich stellte mich vor sie und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Ihre Wange wurde sofort rot und man sah deutlich meinen Handabdruck. "Wag es ja nicht, noch einmal so einen Scheiß von dir zu geben", fuhr ich sie an. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich kurz an, bevor sie den Blick für ein paar Sekunden senkte. Als sie ihn wieder hob, waren ihre Augen kalt und ausdruckslos. "Es ist nunmal die Realtität", brummte sie und sah mir dabei fest in die Augen. Ich holte erneut aus und schlug ihr mit voller Wucht in den Magen. Sie stolperte zurück und taumelte gegen die Wand. "Du bist echt erbärmlich", keuchte sie leicht. Blind vor Wut schlug und trat ich immer wieder auf sie ein. Erst als meine Faust festgehalten wurde hielt ich inne. Ich hatte damit gerechnet, dass es Maik oder ein Lehrer wäre, doch es war Lucie. Ihr Gesicht war blutverschmiert. Sie hatte es tatsächlich geschafft meine Faust aufzufangen. Ich entriss sie ihr wieder und schaute sie so an, als wäre sie der größte Abschaum für mich. Ein letztes Mal trat ich nach ihr und ging dann ohne ein weiteres Wort. "Gewalt ist ein Ausdruck für Schwäche!", schrie sie mir hinterher. Ich erstarte mitten in meiner Bewegung und drehte mich wieder zu ihr um. Sie hatte sich an der Wand hochgezogen und wischte sich ihr Blut aus dem Gesicht. "Halt die Klappe oder hast du noch nicht genug?", rief ich sauer. "Ich habe keine Angst vor dir", erwiderte sie und schwankte auf mich zu. Ich lachte trocken auf. "Solltest du aber!", entgegnete ich. "Warum? Du kennst nichts anderes außer Gewalt. Das ist ja schon fast bemitleidigenswürdig!", rief sie und lachte kurz bitter auf. Ich starrte sie einen Moment an. "Was verstehst du schon davon? Du hast ein tolles Leben. Du brauchst dich nie behaupten. Da ist ja schließlich keiner gegen den du dich wehren musst!", brüllte ich und drehte mich. "Ich will dich nie wieder sehen, du Miststück!" Mit diesen Worten ließ ich sie zurück. In meinem Zimmer ließ ich mich kraftlos auf mein Bett fallen. Wie weit war ich bloß gesunken? Verdammt, ich hatte ein fucking Mädchen verprügelt aus nicht einmal einen vernünftigen Grund. Wenn ich jetzt nicht von der Schule flog, wusste ich auch nicht weiter. Ich hörte, wie die Zimmertür neben meinem Zimmer ins Schloss fiel. Also hatte die es wenigstens in ihr Zimmer geschafft und blutete jetzt nicht den ganzen Flur voll. Ein Klopfen ließ mich entnervt aufstöhnen. Wütend riss ich die Tür auf. Maik stand da. Schweiß tropfte von seiner Stirn. "Was?", knurrte ich. "Alter, was ist los mit dir? Das warst doch hundert pro du mit Lucie!", rief Maik. Er hatte seine Brauen wütend zusammen gezogen. "Ist das ernsthaft wegen diesem Typ?", fragte er mich und sah mir ernst in die Augen. "Was will der auch hier? All die Jahre hat er sich nicht blicken lassen. Und jetzt? Er soll sich aus meinem Leben einfach wieder raushalten. Hat ihn doch vorher auch nen Scheiß interessiert!", murrte ich und wich Maiks Blick aus. "Er ist dein Bruder?", fragte dieser erschrocken. Ich nickte etwas abwesend. "Das ist aber trotzdem kein Grund, Lucie zusammen zuschlagen. Sie hat damit überhaupt nichts zu tun", wies Maik mich zu recht. "Sie geht mir auf die Nerven. Da ist sie selbst Schuld", murrte ich und ging zum Fenster hinüber. "Mann James, reiß doch mal verdammt noch mal zusammen!", brüllte Maik. "Wieso sollte ich? Selbst schuld, wenn sie mich so provoziert!", meinte ich, "Und jetzt raus aus meinem Zimmer. Ich will dich hier nicht sehen!" Maik sah mich ein letztes Mal an. "Denk an die Versammlung heute Abend!" Ich schnaubte nur und knallte schließlich meine Tür zu. FUCK! 'Das kannst du laut sagen!', nervte mich nun auch noch dieses etwas. 'Ich bin kein etwas!' Boa, dann bist du halt Marvin! Frustiert fuhr ich mir durch die Haare. Was für ein Kacktag. So etwas konnte aber auch nur bei mir passieren. Ich schaute grimmig auf die Uhr. 17:37. Dann hatte ich noch eine viertel Stunde eher ich losgehen sollte. Ich ging zur Badezimmertür und wollte die Klinke gerade herunterdrücken, als mein Blick an meiner Hand hängen blieb. Scheiße! Das war defintiv nicht mein Blut. Oh kacke! Was machte ich jetzt bloß? Schockiert starrte ich auf meine Hand und dann auf die andere. Beide waren Blut verschmiert. Scheiße! Schnell lief ich in mein Bad und wusch das Blut von meinen Händen. Obwohl meine Hände jetzt wieder sauber waren, fühlte ich mich total dreckig. Ich schaute in den Spiegel. Zwei völlig glanzlose, kalte Augen sahen mich an. Das war nicht mehr ich. Von dem früheren friedlichem James war nichts mehr da. Das konnte nicht ich sein. Was hatte ich nur getan? Wie konnte ich es bloß dazu kommen lassen, dass Menschen mich beeinflussten? Das hätte er niemals gewollt...

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