Kapitel 12

5 1 0
                                    

~James~

Warum musste es ausgerechnet dieses Thema sein? Ich saß in meinem Zimmer. Der Unterricht war längst vorbei genauso wie das Mittagessen. Dennoch hatte ich keinen Hunger. Maiks Satz ging mir nicht mehr aus dem Kopf:
Sie ist genau wie du! Warum hatte er das gesagt? Stimmte es etwa wirklich? Nein, das war unmöglich. Keiner war wie ich. Keiner hatte das durchgemacht, was ich durchgenacht hatte. Keiner hatte je so einen ungeheuren Schmerz gespürt. Keiner würde mich jemals komplett verstehen können! Nein, niemals! Das war unmöglich. Entschlossen stand ich auf und zog mir Sportsachen an. Ich trottete langsam zur Trainingsetage in den Unterbau. Dort stellte ich mich als erstes vor den Boxsack und begann, auf ihn einzudrischen. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich das tat, doch irgendwann rief jemand meinen Namen. Verwirrt drehte ich mich um. Maik stand da. "Na? Willste Stress abbauen?", fragte er und lehnte sich lässig an die Wand. "War ne beschissene Frage in Deutsch, stimmt's?", harkte er weiter nach. Ich nickte und wandte mich wieder dem Boxsack zu. Maik stellte sich neben mich, damit wir uns weiterhin verstehen konnten. "Und was hat sie zu der Frage gesagt?", wollte er wissen. Ich zuckte mit den Schultern. "Ach komm schon, Bro! Du weißt es genau. Sag schon!", forderte Maik mich auf. Ich stöhnte genervt. Der konnte echt auf die Nerven gehen! "Sie meinte, dass sie keine Freunde hat. Jetzt komm nicht mit dem Scheiß, dass ich so bin wie sie!", brummte ich und sah ihn drohend an. "Ganz ruhig Blut. Hatte ich auch gar nicht vor", versuchte er mich zu beschwichtigen. "Wollen wir ne Runde kämpfen?" Eins muss man ihm lassen. Er kann gut und unerwartet das Thema wechseln und weiß genau, wann das nötig ist! Ich grinste und nickte. "Warum nicht? Haben wir ja schon Ewigkeiten nicht mehr gemacht." Er grinste zurück und zog sich die Schuhe und die Socken aus, bevor er das Mattenfeld betrat. Ich folgte seinem Beispiel und zog dazu noch mein Oberteil aus. Das war sowieso schon nass geschwitzt. Auch er schälte sich aus seinem T-Shirt. Schon standen wir da. Wir sahen uns grimmig an, bevor wir schließlich anfingen mit unserem Bodenkampf. Ich muss schon sagen, mit Maik kann das echt Spaß machen. Denn hier geht es nicht erstlinieg ums Gewinnen, sondern um den Spaß und das Verbessern der Taktiken und Techniken! Schließlich lagen wir keuchend neben einander. "Gut gekämpft", schnaufte ich ausgepauert. Er hielt zur Antwort den Daumen hoch. Nachdem ich mich einigermaßen erholt hatte, stand ich auf und zog Maik hoch. "Ziemlich anstrengend mit dir", grinste er amüsiert. "Ach quatsch!", lachte ich und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Ich reichte ihm sein Oberteil und meinte: "Lass schwimmen gehen. Ich kann grad ne Erfrischung echt gut gebrauchen!" Maik nickte und folgte mir. Im null komma nichts waren wir umgezogen und sprangen ins Wasser. Ich wartete bis er wieder auftauchte und spritzte ihm Wasser ins Gesicht. "Hey!", rief dieser, "Womit hab ich das denn jetzt verdient?" Ich zuckte amüsiert mit den Schultern. Sofort folgte die Racheaktion. Maik drückte mich mit voller Kraft unter Wasser. Vollkommen überrempelt schluckte ich Wasser und tauchte brustend und wild um mich schlagend wieder auf. "Du Idiot!", brüllte ich und drückte ihn unter Wasser. Doch Maik lachte sich einfach nur kaputt. "Du hättest dein Gesicht sehen müssen", brachte er mühsam hervor. Böse sah ich ihn an und stieg aus dem Becken. "Hey, wo willst du hin?", wollte Maik wissen. Doch ich zuckte nur die Schultern, nahm Anlauf und sprang mit einer Arschbombe genau neben ihn ins Wasser. Jetzt war er derjenige, der wie ein Auto guckte, und ich lachte mich kaputt. "Du Fiesling!", keuchte er. "Nö! Wie kommst du denn darauf?" Ich knuffte ihm in die Seite. "Komm! Ich hab Hunger", rief ich schließlich und hiefte mich aus dem Wasser. Er folgte mir gespielt beleidigt! "Oooh, ist da etwa jemand beleidigt!", sagte ich und schlug ihm gegen die Brust. "Pass auf! Sonst brichst du dir nachher noch die Knochen", brummte er. Ich lachte lauthals los und ging mit ihm in die Umkleide. Nachdem wir uns wieder unsere Sportsachen angezogen hatten, sah ich flüchtig auf die Uhr. 19:04. "Waaas?", brüllte ich erschrocken, "Schon so spät!" "Was hast du denn?", fragte Maik gelassen, um im nächsten Moment genau so auszurasten wie ich. "Verdammt. Wir verpassen ja noch das Abendessen!" Panisch hechteten wir in die Mensa. Wir waren eine der letzten. Das war uns schon lange nicht mehr passiert. Normalerweise gehörteten wir zu denen, die schon fünf Minuten früher da waren. Schnell schnappte ich mir einen Teller und schaufelte mir eine ordentlich Portion drauf. Ein Glück, dass immer so viel gekocht wurde! Als mein Tablett rabel voll war, ging ich zu unserem Platz. Lucie war nicht da. Auf die hätte ich jetzt echt kein Bock gehabt. Schließlich hatte ich ihr keine Antwort auf die Frage gegeben, sondern hatte sie den Rest des Unterrichts ignoriert. Entweder hatte ich mit Maik geredet oder aus dem Fenster geschaut und war meinen eigenen Gedanken nachgegangen! Maik kam an. Sein Tablett war keineswegs leerer als meines. "Guten Appetit", nuschelte ich, während ich mir mein Essen in den Mund schaufelte. "Hättest du nicht wenigstens auf mich warten können?", beschwerte sich Maik. Doch ich zuckte nur mit den Schultern und futterte weiter. "Oh man", brummte Maik und haute dann auch ordentlich rein. In weniger als fünf Minuten war mein Tablett komplett geleert. "Du bist echt nen Scheunendrescher! Das ist so langsam echt unnormal", meinte Maik und verdrehte die Augen. Er hatte nicht einmal die Hälfte verdrückt. Ich grinste amüsiert. "Tja", sagte ich, "ich hab's halt voll drauf!" Maik schüttelte lachend den Kopf. "Du bist schon nen komischer Vogel!" "Lass mich", brummte ich, "Ich esse so, wie ich esse. Find dich damit ab!" Ich zwinkerte ihm zu und er unterdrückte ein weiteres Lachen, da er es vorzog lieber weiter zu essen, bevor ich für ihn seinen Teller leerte. Unauffällig ließ ich meinen Blick durch die Mensa gleiten. "Du suchst Lucie, stimmt's?", durchschaute mich Maik. Ich nickte. "Hab sie auch noch nicht gesehen. Entweder hat sie schon gegessen oder sie kocht sich später selber was!" Ich zuckte die Schultern. Konnte mir ja auch egal sein! Vielleicht hatte sie ja auch irgendwo Anschluss gefunden. Wer weiß... Als Maik fertig war, verabschiedete ich mich vom ihm und ging auf mein Zimmer. Ich war erschöpft und legte mich früh ins Bett. Heute war wirklich viel passiert! Ich durfte das nicht zu nah an mich ranlassen...

Who are you?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt