~James~
Ich musste eingeschlafen sein. Jemand rüttelte mich an der Schulter und schrie mich an. "Hey, Mann. Wach endlich auf! Wo ist Lucie?", brüllte mir dieser Jemand ins Ohr. Und dieser Jemand war niemand anderes als Maik. Ich rappelte mich auf und sah ihn irritiert an. Die Sonne blendete mich dabei. Es musste bereits Nachmittag sein, da die Sonne ihre höchste Stelle schon hinter sich gelassen hatte. "Lucie", fragte ich verwundert. Und dann fiel mir alles wieder ein. "Was ist mit ihr?", harkte ich nach. "Sie ist weg! Als ich gestern Abend noch einmal nach ihr schauen wollte, war sie nicht mehr da. Das Fenster war sperrangelweit offen. Doch von ihr fehlte jede Spur. Ich dachte, dass sie bei dir wäre oder du sie gesehen hättest...", erklärte Maik und sah in die Ferne. "Ich hoffe, ihr ist nichts passiert!" "Seid wann machst du dir um irgendwen Sorgen?", fragte ich ihn. Verständnislos sah er mir direkt in die Augen. War das Wut in seinen Augen? "Man, sie ist neu, hat keine Ahnung vom Gelände, ist fremd hier im Land und du kümmerst dich ja kein Stück um sie. Irgendwer muss doch auf sie aufpassen!", schnauzte er mich an und drehte sich weg von mir. "Kommst du wenigstens mit, sie zu suchen?", fügte er noch hinzu. Ich stand auf. Mein Kopf brummte und meine Glieder schmerzten. Ich nickte und lief hinter im her. Ich schwangte leicht. So schlecht hatte ich mich seit langem nicht mehr gefühlt. Erschöpfung machte sich in mir breit. Ich konnte kaum noch laufen. "Du bist ja schlimmer als ne alte Oma!", bemerkte Maik und sah mich prüfend an. "Wenn wir zurück sind, ruhst du dich erstmal aus." Ich murrte, wagte aber nicht laut zu widersprechen. Wir waren schon eine Ewigkeit herumgelaufen, ohne Erfolg. Wir konnten sie einfach nirgends finden. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich zuckte vollkommen zusammen und zog es, nachdem ich mich einigermaßen wieder von meinem Schock erholt hatte, aus meiner Tasche. Es war Herr Müller. "James wo bist? Ist Maik bei dir? Ist Lucie auch da?", begann er sofort mich zu bombadieren. "Ja und nein. Die suchen wir gerade", nuschelte ich in den Hörer. "Ok! Kommt dann, wenn ihr sie gefunden habt, auf der Stelle zum Internat zurück und in mein Büro!", sagte er noch, bevor er schon wieder auflegte. Maik sah mich mit schiefgelegtem Kopf fragend an. "War Müll! Wenn wir sie gefunden haben, sollen wir in sein Büro kommen", erklärte ich kurz und sah mich um. Wo steckte die bloß? So weit konnte sie doch nicht gelaufen sein mit der wenigen Ausdauer! Wir wollten schon fast aufgeben, als wir eine Person sahen. Diese saß an einem Baum gelehnt auf einer Anhöhe unweit vom Weg entfernt. "Lucie?", brüllte Maik. Kopfschüttelnd sah ich ihn an. Sein Ernst? Die Person zuckte zusammen und schaute zu uns rüber. "Geht weg! Lasst mich in Ruhe!", kam die Antwort wenig später. Maik ging einfach auf sie zu und ich folgte ihm schwankend in einem gewissem Abstand. "Was machst du hier?", fragte Maik und lehnte sich seitlich an den Baum. "Das geht euch nen Scheißdreck an!", knurrte sie und starrte uns beide mit funkelnden Augen an. "Ich gehör hier einfach nicht hin!", fügte sie nach einer kurzen Stille hinzu. Sie richtete sich langsam auf, hielt sich kurz an dem Baum fest und lief schwankend los. Mein Blick fiel auf ihre Hand. Sie war blutverkrustet. "Vergiss es!", widersprach Maik und hielt ihre Hand fest. "So nicht!", sagte er. "Lass mich los!", schrie sie. Tränen blitzten in ihren Augen auf. Sie schlug um sich und wandte sich verzweifelt in seinem Griff. Ich stand da wie angewurzelt und starrte auf die beiden. Meine Augen weiteten sich. Irgendwann hatte Maik sie unter Kontrolle gebracht. Immer noch starrte ich die beiden an. Warum erinnerte ich mich gerade jetzt daran? Warum? Ich schloss verzweifelt die Augen, um die aufkommende Trauer zu unterdrücken. 'Hör auf! Hör endlich auf!', schrie es in mir. "James!", rief Maik und riss mich damit aus meinen Gedanken, "alles ok bei dir?" Besorgt sah er mich an. Ich nickte und lief los Richtung Internat. Dabei schwankte ich stark. Mir wurde schwindelig und ich musste kurz stehen bleiben. "Oh man, ihr seid doch krank!", brummte Maik, "Wie kann man nur so blöd sein, einfach wegzulaufen?" Er schüttelte den Kopf. Ich sagte während des Rückwegs kein einziges Wort mehr, genauso wie die Neue. Irgendwann tauchte endlich das Internatsgebäude vor uns auf. Am liebsten würde ich jetzt direkt in mein Zimmer gehen und alleine sein... Als wir an der Tür standen bestimmte Maik vollkommen unvermittelt. "Ihr beide geht erstmal auf eure Zimmer und denkt darüber nach, warum ihr abgehauen seid. Nach dem Abendbrot redet ihr nochmal mit einander!" "Aber...", setzte ich an. "Kein aber!", fuhr er mich an, "Entweder ihr macht, was ich euch sage, oder ihr müsst mit zu Müll!" "Ist ja gut", beschichtigte ich ihn umd ging zu meinem Zimmer. Sie folgte mir mit Abstand. Ich sah mich kurz zu ihr um, doch sie starrte nur still auf den Boden und stolperte die Treppenstufen hinter mir hinauf. Oben angekommen, schloss ich schnell meine Tür auf und verschwand in meinem Zimmer. Ich riss das Fenster auf und setzte mich auf das Fensterbrett. Lange starrte ich in die Ferne ohne jeglichen Gedanken. Ich fühlte mich leer...
Der zunehmende Wind riss an meinen kurzen Haaren und ich begann leicht zu zittern, sodass ich das Fenster schloss. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und starrte an die Decke. Mein Kopf dröhnte leicht und mein Magen knurrte. Als ich auf die Uhr schaute, stöhnte ich auf und meine Stimmung verschlechterte sich noch mehr, falls das überhaupt noch möglich war. Ich hatte das Abendbrot verpasst. Genervt von mir selber stand ich auf und zog mir schnell eine andere Jogginghose an und ein anderes schwarzes T-Shirt. So lief ich nun runter zur Schülerküche und schnappte mir zwei Töpfe. Ich erhitze etwas Wasser und kramte in den wenigen Schränken nach Spagettinudeln. Nachdem ich mir diese gesichert hatte, nahm ich Ofenkäse und ließ diesen schmelzen. Anschließend holte ich mir noch eine kleine Pfanne heraus und machte mir ein paar Spiegeleier. Während ich auf mein Essen aufpasste, deckte ich für mich den Tisch und entschied mich schließlich dazu, noch für eine weitere Person zu decken. Tatsächlich mein Instinkt hatte Recht. Als ich alles aufgetischt hatte und mich gesetzt hatte, kam Maik herein. Er sah fertig aus. "Kannst mitessen, wenn du willst", lud ich ihn ein. Er nickte und murmelte ein Danke, bevor er sich setzte. So aßen wir still unser Essen. Irgendwann ertrug ich diese Stille nicht mehr und fragte ungehalten: "Was hat denn Müll gesagt?" "Ihr steht unter Arrest und dürft das Schulgelände für eine Woche nicht verlassen", nuschelte Maik mit Nudeln im Mund. Ich stöhnte auf. Will der mich verarschen? "Das war noch nicht alles!", fuhr er fort, "Ihr sollt den Putzfrauen etwas unter die Arme greifen, was die Flure, die Treppen und die Mensa betrifft." Nicht das auch noch! Reicht der Hausarrest nicht? "Will der mich verarschen?", knurrte ich. Maik zuckte nur mit den Schultern und ich seufzte. Ich schaufelte neue Nudeln in mich rein, um mich abzulenken und abzureagieren. "Deine Zeit wurde verlängert", brummte Maik plötzlich zusammenhangslos. Irritiert sah ich ihn an. War der überhaupt noch klar bei Verstand? "Welche Zeit?", harkte ich nach, als er auf meinen Blick nicht reagierte. "Die Zeit, die du auf Lucie aufpassen musst", murmelte Maik abwesend. Bitte nicht! Das ist doch die totale Hölle! Ist das wirklich sein scheiß Ernst? Entsetzt musterte ich Maik, bevor ich beschloss, das Thema zu wechseln. "Alles gut bei dir?", fragte ich Maik leicht besorgt. So hatte ich meinen Freund lange nicht mehr gesehen. "Naja, ist eben alles grad ein bisschen viel. Meine Familie hatte nen Autounfall und liegt im Krankenhaus und dann wart ihr unauffindbar", erklärte er leise mit fast schon erstickter Stimme. Betrübt sah ich zu Boden. ALLES WAR MEINE SCHULD!
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Who are you?
Novela JuvenilJames, 16 Jahre, geht auf ein Internat. Eigentlich ist sein Leben perfekt, doch dann kommt diese Lucie und stehlt alles auf den Kopf. Sie ist definitiv nicht normal. Und ausgerechnet er muss sich auch noch um sie kümmern...