Kapitel 21

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~James~

Unsanft riss mich mein Wecker aus dem Schlaf. Ich rieb mir die Augen und setzte mich auf. Mein Kopf brummte, doch ich nahm ihn kaum wahr. Irgendwann hatte ich mich so weit überredet, dass ich mehr schlafend als wach zu meinem Bad schlürfte, um meine Morgenroutine durchzuführen. Flüchtig warf ich ein Blick in den Spiegel. Hätte ich gewusst, wie ich aussah, hätte ich es nicht getan! Dunkle Schatten lagen unter meinen Augen. Ein paar miese Macken zierten mein Gesicht und meine Augen hatten sich verändert. Der letzte Glanz war ihnen entwichen. Ich ähnelte mehr einer herumwandelnder Leiche... Nein! Ich bin kein Mädchen! Und ich tu auch nicht so! Seufzend klatschte ich mir etliche Hände Wasser ins Gesicht. Dadurch wurde ich zwar wach, aber mein Aussehen änderte sich kein bisschen. Toll! Jetzt war ich richtig toll gelaunt! Miesgelaunt humpelte ich in die Mensa. Es waren glücklicherweise kaum Schüler da bisher. Ich schnappte mir vier Brötchen und dazu Nutella. Nein! Ich bin immer noch nicht verfressen! Ich hab einfach morgens einen Mordshunger und die letzten Tage nicht viel bekommen... Ich setzte mich mit meinem Tablett in die hinterste Ecke, wo normalerweise die Außenseiter saßen. Schnell mampfte ich die Brötchen auf und schnappte mir noch drei weitere mit Tüte. Danach lief ich auf direkten Weg in den Klassenraum und setzte mich wie gewohnt auf meinen Tisch und starrte aus dem Fenster. In der Pause würde ich erstmal joggen gehen. Da saß ich nun und wartete auf den Unterrichtsbeginn. Neben mir ließ sich jemand fallen. "Was hast du denn gemacht, dass du schon wieder da bist?", fragte Maik. "Das geht dich nen Scheißdreck an!", knurrte ich. Maik seufzte. "Was haste denn mit deinem Fuß gemacht?", versuchte er erneut sein Glück. Alter, der sollte endlich seine verdammte Klappe halten. Erst mich ignorieren und dann auf Bestfriend tun oder was? Das konnte er bei anderen so machen, aber nicht bei mir! Demonstrativ drehte ich mich zum Fenster und beobachtete einen Vogel, der seine Kurven drehte. "Hey, hör auf mich zu ignorieren", rief Maik empört. "Hey, hör auf mich zu nerven", äffte ich ihm nach. Halt endlich deine verdammte Klappe! "Bist du mit dem falschen Fuß aufgestanden? Oder was ist dein Problem?", harkte er nach. Alter, du nervst! Das ist mein Problem! Ich verdrehte die Augen und konzentrierte mich wieder auf den Vogel. So langsam füllte sich der Klassenraum. "Du siehst echt scheiße aus! Noch schlimmer als aus der Ferne", bemerkte eine mir sehr bekannte Stimme. Alter, was will die denn jetzt? Genervt sah ich sie an. "Pass auf!", raunte ihr Maik zu, "Der ist ziemlich mies drauf. Der beißt dir gleich noch den Kopf ab..." Alter, geht's noch! Ich sitze neben euch! Könntet ihr das wo anders klären? Ich verdrehte genervt die Augen. Endlich betrat der Lehrer den Klassenraum. Es wurde ruhig bis auf einige, die sich etwas zu flüsterten. "Guten Morgen!", begrüßte uns jemand. Geschockt zuckte ich zusammen und wäre beinahe vom Stuhl geflogen. Nicht der schon wieder! "Ich bin Herr Kaut und werde euch ab heute in Mathe und Sport unterrichten", stellte er sich vor. "Ach ja, du da!" Er zeigte auf mich. "Würdest du dich bitte richtig hinsetzten? Danke!" Ernsthaft? Wollte der mich verarschen? Das machte der doch mit Absicht! Der konnte mich mal! Ich warf ihm einen tötenden Blick zu, bevor ich langsam vom Tisch rutschte und mich auf meinen Platz setzte. "Ach ja, ich finde, dass es sehr diszipliniert ist, wenn man zur Begrüßung aufsteht! Würdet ihr das bitte auch tun?" Nein! Ganz sicher nicht. Was denkt der sich denn? Als ob ich für den Trottel aufstehe. "Na kommt! Steht mal auf", meinte er und sah uns auffordernd an. Einige erhoben sich zögernd und zogen so die anderen mit. Stöhnend stand ich wieder auf, kmurrte ein 'Guten Morgen' und setzte mich wieder. Das fing ja schon mal super an. Nicht! Da war mir Müll um das zehntausendfache lieber! Und der stand bei mir ganz unten auf der Liste... "Könnte mir vielleicht erstmal jemand einen Sitzplan erstellen?", fragte er und sah zu den Mädchen. Boa, war der ernsthaft immer noch so widerlich? Lucie meldete sich: "Ich kann das gerne machen!" Die kennt doch nicht mal alle! "Das ist sehr nett. Schreibst du bitte die Nachnamen mit drauf?", lächelte er. Schleimer! "Klar", lächelte Lucie zurück. Oh man, war ich hier im Kindergarten gelandet oder was? Wir waren zehnte Klasse! "Herr Kraut? Warum sind Sie erst mitten im Schuljahr hierhergekommen?", fragte Noah, einer der Vorlauten, aber sonst ganz ok. "Kaut. Ich heiße Kaut!", verbesserte Kot Noah. Kot hatten wir ihn früher auf meiner alten Schule genannt... "Oh Entschuldigung", meinte Noah. "Schon gut. Um deine Frage zu beantworten, es ließ sich nicht anders regeln!", erklärte Kot. Einige begannen zu kichern. Mit einem empörten Blick brachte er sie zum Schweigen. Oh man, das fing ja schon super an. Genervt schaute ich nach draußen. "James", riss mich Kot unsanft aus meiner Gedankenwelt, "Würdest du bitte die Aufgabe an der Tafel lösen?" Ich schaute nach vorne und verdrehte innerlich die Augen. Der hatte ja immer noch diese bescheuerte Brille auf. Innerlich kochend ging ich leicht humpelnd nach vorne. Hinter mir tuschelten ein paar, doch ich ignorierte sie. Schweigend löste ich problemlos die Aufgabe. Ich versteh echt nicht, was daran schwer sein soll. Das war doch alles Kindergarten hier!  Ohne zu warten lief ich wieder zu meinem Platz und setzte mich wieder. "Warum hast du Krücken, wenn du sie nicht benutzt?", raunte mir Lucie zu. Ich zuckte die Schultern. Hab ich gar nicht bemerkt... "Könntest du dein Vorgehen bitte erläutern?", forderte mich ernsthaft dieser Clown auf. "Ich hab mir die Aufgabe angeschaut, bin nach vorne gegangen, hab sie gelöst und bin wieder zurückgegangen!", erklärte ich. Tja, kommt davon, wenn man sich nicht deutlich genug ausdrückte. Die beschwerten sich doch schließlich auch immer, wenn man ihnen zu viel Interpretationsfreiraum ließ... Einige aus meiner Klasse prusteten laut los. "Ich meine den Lösungsweg. Also wie du deine Aufgabe gelöst hast!", spezialisierte Kot seine Frage etwas. "Achso, sagen Sie das doch gleich", meinte ich und fügte ein kaltes Lachen hinzu, "So wie immer. Ich hab keinen wirklichen Lösungsweg. Ich löse sie einfach." Verwirrt sah mich Kot an. Es wirkte fast schon so, als würde folgendes über seine Stirn laufen: Hä, das geht doch gar nicht. Innerlich lachte ich mich kaputt, doch es war anders als sonst...

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