Kapitel 19

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~James~

Nichts ahnend liefen wir durch die Stadt, als plötzlich mein Hut von einer Windwehe erfasst wurde und auf die Straße wehte. Erschrocken sah ich ihm nach. Na toll, dabei war er doch so cool gewesen. Obwohl ich ihn erst so kurz gehabt hatte und ihn erst befremdlich fand, mochte ich ihn doch schon unheimlich gern. Ich machte Anstalten ihm zu folgen. "Lass mal", sagte Leon, "Ich hol den schon." Er schaute kurz, ob auch kein Auto kam und lief flink auf die Fahrbahn. Ich schaute ihm nach, als ich das aufheulen eines Motors vernahm. Ich blickte mich um. Ein Falschfahrer! Meine Augen weiteten sich erschrocken. Oh nein, Leon! Aus Leibeskräften schrie ich seinen Namen, doch es war zu spät. Ich sah noch seinen verwirrten Gesichtsausdruck, bevor ihn das Auto erfasste. "Nein!", brüllte ich so laut ich konnte. Sein Körper rollte über die Straße. Das Auto machte kehrt und rasste davon. So schnell ich irgendwie konnte, humpelte ich auf ihn zu. In seiner blutüberströmten Hand hielt er den Hut. "Hier, James", hauchte er. Geschockt sah ich ihn an. Verzweifelt nahm ich ihn in den Arm. "Nein, du darfst nicht sterben!", schrie ich schon fast hysterisch, "Halt durch, Leon!" "Du bist ein toller Mensch!", keuchte er, "Du musst für mich weiterleben!" Hinter uns brach Chaos herein. Menschen schrien durch einander, aber für mich gab es in diesen Moment nur noch ihn. "Das kann ich doch nicht!", weinte ich. Meine Tränen tropften auf sein blutiges Gesicht. Mit letzter Kraft hob er seinen Arm und strich mir eine Träne weg. "Du schaffst das, mein Sohn und bester Freund!" Danach schloss er die Augen und sein Atem stoppte. Alles in mir zog sich zusammen. "Nein! Komm zurück!", brüllte ich, doch es half nichts. Leon rührte sich nicht mehr. "Du kannst mich doch nicht einfach alleine lassen! Wie soll ich denn ohne dich leben?" Warum? Warum gerade er? Warum nicht ich? Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in seinem Oberteil und weinte. Sein Blut störte mich nicht. "Warum tust du mir das an?", brüllte ich seinen leblosen Körper an, "Ich kann das nicht! Komm zurück! Du Idiot!" Warum auch noch er? Reichte es nicht, dass ich sie schon verloren hatte? Warum also? Warum konnte mein Leben nicht einmal gut verlaufen? Musste immer alles zerstört werden? Durfte ich nicht einmal in meinen Leben glücklich sein? Warum musste immer mir so etwas passieren?  Verzweifelt hielt ich Leon fest und schüttelte ihn. "Komm zurück! BITTE!", hauchte ich. Sanitäter zogen mich von ihm weg. "Ist das dein Vater?", fragte mich eine Sanitäterin. Ich schüttelte, unfähig etwas zu sagen, den Kopf, nahm den an der einen Seite blutverschmierten Hut aus Leons Hand und humpelte weg. Ich wollte nur noch weg. Ganz weit weg von hier. Ich lief einfach los, ohne eine wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Ich lief durch die Stadt, ohne auf die verwirrten Sanitäter zu achten. Ich lief immer weiter, nur weg von dem Platz des Grauens. 'Du schaffst das', hallte in meinem Schädel immer wieder seine Stimme wieder. "Nein", hauchte ich, "Ich bin nicht so stark, wie du immer gedacht hast. Ich bin nichts weiter als ein Nichtsnutze..." Mühsam schluckte ich meine Tränen herunter und lief weiter. Jetzt hatte ich niemanden mehr. Jetzt war ich wieder komplet alleine. Jetzt gab es niemamden, mit dem ich mich gut verstand, dem ich alles erzählen konnte. Diese Zeit war nun vorbei. Ich keuchte. Langsam aber sicher war ich mit meinen Kräften am Ende. Ich hielt kurz inne, um zu verschnaufen. Als ich auf sah, erblickte ich in nicht allzu weiter Ferne das Internat. Unabsichtlich war ich genau in diese Richtung gegangen. Ich wusste nicht, ob es eine kluge Entscheidung war weiterzugehen. Doch was sollte ich sonst machen? Ich hatte doch niemanden mehr! Man hatte mir alles genommen... Langsam kämpfte ich mich weiter vor. Ich spürte meinen linken Fuß kaum noch, da ich ihn die ganze Zeit so sehr belastete. Irgendwann stand ich wieder da wie beim ersten Mal. Draußen saßen einige Schüler auf der Wiese, die mich verwirrt und interessiert musterten. Einer rief sogar: "Ach, wenn haben wir denn da? Hast du doch mal was auf Fresse bekommen?" Nun drehten sich alle zu mir um. Selbst Maik und Lucie, die auf dem Trainingsplatz anscheinend trainiert hatten, hielten inne und sahen mich kurz an. Doch sie rührten sich nicht. Ich humpelte einfach weiter zur Hauptpforte. "Sag schon, wer war das?", stichelte ein weiterer. Ich ignorierte ihn. "Oh, sag bloß, deine Eltern haben dir mal gezeigt wo der Hammer hängt", lachte wieder ein anderer. "Das waren nicht mal meine Eltern!", brüllte ich sie zusammen, "Außerdem mischt man sich nicht in fremde Angelegenheiten ein!" "Was ist denn hier los?", fragte eine ruhige Stimme hinter mir. Ne oder? Nicht auch noch der! Boa, konnte ich echt nicht einmal Glück haben? "James?", harkte er überrascht nach, "Was machst denn hier schon? Solltest du nicht erst morgen wieder kommen? Und was zur Hölle ist mit dir denn passiert?" Alter, hatte der auch noch andere Hobbys, als mir Löcher in den Bauch zu fragen? "Es gab einen Zwischenfall, der einen weiteren Aufenhalt nicht zu lies. Der Rest geht sie selbst verständlich nichts an und jetzt lassen sie mich bitte auf mein Zimmer. Ich würde gerne duschen und mir neue Sachen anziehen", meinte ich und schob mich mehr oder weniger an ihm vorbei. Langsam zog ich mich die Treppen hoch. Warum gab es nur Aufzüge für die Lehrer? Das war doch nen totaler Scheiß! So etwas brauchten die doch sowieso nicht! Oben im meinen Zimmer schloss ich erstmal die Tür und setzte mich erschöpft auf mein Bett. Ich schloss die Augen...
Als ich sie wieder öffnete war es draußen schon dunkel. "Scheiße", fluchte ich leise. Ich richtete mich mühsam auf. Mein Kopf dröhnte und die Wunden schmerzten wieder. Ich versuchte auf zu stehen, mit Betonung auf VERSUCHTE. Sofort musste ich mich wieder setzten, da mir schwindelig wurde und sich alles um mich herum zu drehen begann. Ich schaute mich in meinem Zimmer um und entdeckte schließlich auf meinem Schreibtisch ein Tablett mit Essen. Mühsam erreichte ich es schließlich nach etlichen Amstrengungen und legte es auf meine Schoss. Auf dem Tablett lag ein zusammengefalteter Zettel. Darauf stand: Hey James, tut mir leid, was ich vor deiner Abfahrt abgezogen hab. Weil du nicht beim Abendessen warst, hab ich dir etwas kleines gemacht. Ich hoffe, es schmeckt dir. Mach dir keine Sorgen wegen Lucie. Sie hat enorme Fortschritte gemacht und ich übernehme sie auch erstmal, bis du wieder fit bist. Vom Unterricht bist du auch vorerst entschuldigt...
Dein Freund Maik
Erstarrt las ich den Brief wieder und wieder. Doch es änderte sich nichts. Der Brief war echt! Nach dem ich das Essen verdrückt hatte legte ich mich vernünftig hin und schlief nach einer Ewigkeit erst ein, da, immer wenn ich die Augen schloss, Leons blutüberströmter Körper vor mir auftauchte...

☆☆☆
Endlich ist es mal wieder soweit. Da ich nun lange nichts mehr geupdatet hab, hab ich nun gleich ein paar Kapitel rausgebracht. Ich hoffe, sie gefallen euch!
P.L

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