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[Jungkook]

Schweigend lief ich die etwas abgelegenen Straßen Seouls entlang. Es war ruhig, beinahe veil zu friedlich für eine so große Stadt. Der Mond tauchte die sämtliche Umgebung in ein geheimnisvoll wirkendes, weißes Licht. Einfach weiter schlürfend genoss ich die frische Luft, die mich umgab.
Ich tat dies ziemlich oft, da die Ruhe mir manchmal echt gut tat. Trotz der ganzen ruhigen Atmosphäre, die mich umgab, fühlte ich mich komisch. Mir gingen immer wieder die Worte von Jimin durch den Kopf

"Wenn du ihn triffst, renn einfach."

"Er kann, nein, er ist gefährlich."

"Nimm dich in Acht, Jungkook"

Ob dieser 'Taehyung' wirklich so schlimm war, wie mein bester Freund und auch die Medien es beschrieben?

Ich meine; er hat immerhin auch eine 'normale Seite'. Vielleicht war er einfach nur einsam oder verängstigt. Ich kannte dieses Gefühl nämlich gut. Bevor ich Jimin kennengelernt hatte, war ich das typische Opfer in der Schule und auch sonst war ich mit mir gar nicht zufrieden.
Es war und ist öfters so gewesen, dass ich viel über auch noch so kleine Dinge nachdachte. Auch suchte ich in jeder Person wenigstens eine gute Eigenschaft – meiner Meinung nach, gab es diese in jedem Menschen.
Vielleicht war dies auch einer der Gründe, warum ich schon meinen ganzen Tag damit verbracht hatte, mir den genauen Charakter dieses Mannes auszumalen.

Ich kickte beim Gehen einen Stein weg, der an der Hausmauer rechts neben mir abprallte und letzendlich wieder zum Liegen kam. Mein Blick fiel somit auf die die zerfallenen Ziegel dieses Hauses. Wie lange es hier wohl schon stand?

Gerade war ich wieder in meinen Gedanken versunken war hörte ich das gleiche Geräusch, welches ich zuvor gehört hatte, als ich den Stein an Wand gekickt hatte, noch ein zweites Mal.

Ich richtete meine Augen nach vorn, da von dort aus das besagte Geräusch kam. Doch ich sah nichts, zum einem weil dort nichts war und zum anderen wegen der Dunkelheit.
Noch nie hatte ich es verstanden, warum ich immer in so später Stunde allein nach Hause lief, wenn ich Mal bei Jimin war.

Ich schob die Schuld einfach auf eine streunende Katze oder auch auf meine reine Fantasie, die für mein Alter noch viel zu ausgeprägt schien.

Doch das Geräusch kam immer wieder, so, als würde irgendjemand diese Steine versuchen auf mich zu werfen.

Werde ich jetzt verrückt?

„Hallo?“, versuchte ich in die Dämmerung zu rufen, das Ganze endete dann aber in einem etwas zu leisen Ton. Doch es kam, wie erwartet, keine Antwort. Also ging ich weiter, mit einem etwas schnelleren Schritt als zuvor.

Die Geräusche verfolgten mich immernoch, langsam wurden sie zu Schritten. Auch hatte ich aufgehört, es auf meinen Kopf zu schieben, da sich diese Geräusche einfach zu real anhörten.

Der Weg, auf dem ich mich befand wurde gefühlt immer länger, umdrehen konnte ich nicht da dies der einzige Weg nach Hause war. Jimin anrufen konnte ich auch nicht, da ich wieder so dumm war und mein Handy nicht mitgenommen hatte.

Also lief ich noch einige Zeit weiter. Bis die Geräusche so laut wurden, dass ich stehen blieb und mich zitternd umdrehte. Nichts. Hinter mir war absolut Nichts.

Doch, als ich mich wieder nach vorn drehte, um meinen Weg fortzusetzen, schreckte ich sofort wieder zurück. Vor mir stand ein Mann, etwas älter als ich wahrscheinlich, grinsend. Echt gruselig grinsend.

Ich konnte ihn echt nirgends einordnen.  Einfach reglos stand ich da und fokosierte mich auf seine Augen, die aus irgendeinem Grund immer näher kamen.

„Eh..ehm“, begann ich, doch ich wusste noch nicht Mal, was ich überhaupt sagen wollte. Der Fremde grinste mich nur weiterhin an.

„Du bist echt niedlich, wenn du Angst hast.“, hörte ich meinen Gegenüber auf einmal sagen. Seine Stimme war rau und tief, ohne es kontrollieren zu können breitete sich Gänsehaut auf meinem gesamten Rücken aus. Er betrachtete mich und mein, wahrscheinlich rotes, Gesicht.

Plötzlich bekam ich eine Art Filmriss.

Vor meinen Augen hatte ich auf einmal den Zeitungsartikel, den mit diesem Verbrecher. Der Typ vor mir hatte auch braune Haare, eine Kapuze auf seinem Kopf und diese schwarze Jacke.

Er war es.

Ich schluckte. „W-was wollen..s-sie?“, stotterte ich mit gefiepster Stimme hervor und schluckte den enstandenen Kloß in meinem Hals runter.
„Wenn ich eins nicht leiden kann, dann wenn man mich mit Sie anspricht. Nenn mich Tae.“

Tae. Der Spieler. So wie Jimin gesagt hatte. Er kann gefährlich werden laut ihm. Mein Herz fing durch diesen Gedanken an unerklärlich schnell zu pochen.

Ich wollte einfach wegrennen oder irgendwas sagen, doch ich konnte nicht. Wie als wäre ich im Boden verwachsen, ich konnte mich nicht bewegen, Nichts sagen, gar Nichts tun.

„Du bist schüchtern. Das gefällt mir...sehr sogar“, sagte mein Gegenüber und kam mir wieder ein Stück näher.

Jetzt erst bemerkte ich die kleinen roten Spritzer in seinem Gesicht. Blut... Mein Herz fing automatisch an, noch schneller zu schlagen – wenn dies überhaupt noch möglich und gesund war.
Angst stieg in mir auf.

Was ist wenn er mir wehtut?

Was ist wenn er mich umbringt?

Was ist wenn ich jetzt losrenne?

Was passiert wenn ich ihn wegschubse?

Was ist, wenn er wirklich so gefährlich ist, wie Jimi-

Auf eimmal spürte ich etwas an meinen Lippen, was mich aus meiner kurzen Denkphase sofort wieder rausriss.

Ich riss die Augen weit auf und musste mit Entsetzen feststellen, dass ich nicht irgendetwas auf meinen Lippen spürte, sondern die von Tae.

Sofort lief ich rot an und versuchte mich zu bewegen, doch Tae hatte inszwischen meine beiden Handgelenke fest in seine Hände genommen, sodass ich selbst mit großer Anstrengung nicht wegkonnte – er war einfach zu kräftig und ich, besonders in so einer Situation, zu schwach.

Verdammt! Kränklich überlegte ich, was wohl das Klügste war, was man jetzt tun könnte. Aber mein Gehirn setzte sozusagen aus, ich konnte keine klaren Gedanken mehr fassen.

Immer wieder versuchte ich mich von diesem gierigen Kuss zu lösen, doch ich schaffte es nicht. Meine verzweifelten Befreiungsversuche brachten meinen Gegenüber nur dazu, seinen Griff zu verstärken. Ich konnte spüren, wie er in den Kuss hineingrinste.

Anscheinend hatte Jimin Recht, mit diesem 'Er nimmt sich das was er will'.

Dieses Etwas war dann gerade wohl ich...

Nach gefühlten Stunden löste er sich von mir, ich atmete schwer, doch er grinste nur weiterhin vor sich hin.

„Du gefällst mir, wirklich Kleiner.“, er ließ meine Hände los und leckte sich über die Lippen, die schon leicht angeschwollen schienen, obwohl sie auch sonst ziemlich voll waren.

„Wir sehen uns~“, Mit diesen Worten verschwand der braunhaarige wieder in der Dunkelheit und ließ mich zitternd auf dem Asphalt stehen.

Ich sah auf meine Hände, an den Stellen wo Tae sie festgehalten hatte, waren sie rot. Blutrot.

psychoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt