• Zwei Gesichter •

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Mit gesenktem Kopf lief ich die letzten Stufen, welche sich vor unserer Haustür befanden hinauf, um dann den metallischen Schlüssel in den passenden Schlüsselloch zu versenken. Mein inneres sträubte sich dagegen über diese Türschwelle zu treten. Mein Körper wurde von Angst geplagt. Angst die mir keine Seele dieser Welt oder aus dem Jenseits nehmen könnte. Es war wie eine Sanduhr in der der helle samtig weiche Sand langsam durch die dünne Schlaufe des eigenartig geformten Glases rieselte. Sandkorn für Sandkorn. Die Zeit lief mir davon. Die Zeit in der ich noch ein normales Leben führen könnte. Die Zeit die ich eigentlich mit Shane genießen sollte statt mich bei Anthony in seinen Armen zu verkriechen. Doch, so wohl Gott wisse, ich war einfach ein verdammter Angsthase. Ich gab Sachen von mir die ich dann schlussendlich doch nicht einhalten konnte. Darunter barg sich auch der Sachverhalt, mit den Taten die man bestimmt Leben zu können und auch mit den Konsequenzen die sie beinhalten fertig zu werden. Nur anscheinend konnte ich das nicht. Die Verzweiflung ergriff Besitz von mir, nebelte meinen Schädel und auch meinen ganzen Körper ein. Ließ mich lähmen. Noch immer stand ich vor der geöffneten Haustür und sah dabei zu wie die ersten orange-braunen Blätter in das Haus, über die dunklen Fliesen wehten. Wenn das meine Mutter sehen würde...

Mit aller Willenskraft die mir doch noch in meiner mickrigen Selbstachtung übrig geblieben war, setzte ich meinen Fuß über den Türrahmen. Es fühlte sich an als würde ich durch eine Art Schutzschild laufen. Ein Schutzschild vor der Realität, denn nur hier, in diesen vier Wänden, spielte sich das sureale ab. Das Sureale welches die Liebe zwischen mir und Shane beinhaltete. Immer wieder schüttelte ich meinen Kopf und fixierte einen Punkt an der weißen Wand, versuchte meinen Körper auf die Konfrontation zwischen mir und Shane vorzubereiten, so wie auch das wieder sehen mit Ralley. Allein dieser Gedanke jagte mir einen eiskalten feuchten Schauer über den Rücken. In diese Moosgrünen Augen zu blicken, in dem Wissen ihn ins offene Messer laufen zu lassen, allein nur aus einem simplen Grund: Claire war schlicht und ergreifend zu feige ihrem Freund von dem Aus zu berichten. Mein Magen zog sich schmerzlich zusammen als dieses Wissen sich in meine Gedanken schlich und sich tief darin brannte. Es wollte einfach nicht in mein Kopf wie Ralley mir und vorallem auch Shane dieses Unglück zubereiten konnte. Andere sterben ließ um selber zu überleben. Und dies war keinesfalls übertrieben. So gut wie ich Ralley mit der Zeit kennen gelernt hatte, so wusste ich das es bei ihm um Leben oder aber auch um Tod ging, denn kein Mensch reitet es einfach dazu Leben zu zerstören. Kein Mensch der zumindest nicht voller Hass und dem Bösen getrieben wurde, und so wahr mir Gott helfe, Ralley war definitiv nicht ein solcher Mensch. Er hatte Angst. Angst um sein Leben und bekanntlich treibt einem die Angst zu Dinge die man normalerweise niemals tun würde. In Gewisser Weise konnte ich ihn verstehen. Ja, ich konnte ihn sogar sehr gut verstehen. Jedoch hätte ich an seiner Stelle niemals so gehandelt. Natürlich wusste ich nicht wie verzweifelt er zu sein schien. Meine Theorie beruhte nur auf Spekulationen.

Quälend langsam zog ich mir meine Schuhe über meine Versen um sie dann schließlich erst von meinem Rechten, dann von meinem linken Fuß abzuschütteln. Meine Gelenke schienen bei jeder noch so kleinen Bewegung zu krachen und sich an den Knochen gegenseitig aufzureiben. Es schmerzte mich zu bewegen, auch wenn dies nur pure Einbildung war, schmerzte es. Nicht wie solch körperlichen Schmerz den manch einer von euch besser kannte wie ich, es verlief auf den psychischen Schmerz. Es nagte tief in mir das mein Leben auf Zeit befristet war. Und diese Zeit lief in genau 36 Stunden, 21 Minuten und 16 Sekunden ab. Natürlich konnte ich nicht wissen wann genau Ralley aller Welt von meinem oder unserem Geheimnis berichtete. Ich zählte nur die Stunden, Minuten und Sekunden bis der Tag angebrochen war, der mein Ende bedeutete. Kann sein das ich vor Selbstmitleid förmlich schon triefte, doch fand ich das es in dieser Situation keine Schande war sich selber zu bemitleiden. Hätte jede andere Person in meiner Situation genauso gemacht. Wie würden sich denn wohl all diese undefinierbaren Gesichter fühlen, wenn sie von ihrer Liebe gerissen werden. Ihr einziger Grund sich noch durch diese schwarz-weiße Welt zu schlagen.

Die Sandkörner in meiner imaginären Sanduhr hallten laut durch meinen Kopf wie auch durch meinen gelähmten Körper. Einen lauten Schlag hinterließen sie. Die Zeit verging so schnell und doch fühlte sie sich so langsam an. Sie rannte mir davon und doch schien sie sich auch vor mir zu verstecken. Meine Gefühle waren nicht zu beschreiben, doch konnte ich mit aller Sicherheit sagen das meine Laune an einem neugewonnen Tiefpunkt gekommen war. Neuer Rekord! Unter meiner bleichen Haut kam ich mir vor wie in einer Tiefkühltruhe. Sie strahlte solch eine Kälte ab. Kälte die Besitz von meinem Herzen ergriff. Kälte die Besitz von meinem Gehirn ergriff. Kälte die meine Gedanken zu kontrollieren schienen, wie auch mein Verhalten bestimmten. Kälte die, egal wie kalt sie doch war, die Zeit nicht gefrieren konnte.

"Claire!" Eine erleichterte tiefe Stimme tauchte hinter mir auf die mein gefrorenes Herz in tausend Scherben zerbrechen ließ. Ein unerträgliches Stechen machte sich in meiner Brust breit. Ich wusste nun was ich tun sollte. Lieber ließ ich ihm die noch verliebene Zeit um all dies zu verarbeiten als das ich ihm solch Schmerzen zufügen würde. Er sollte mich lieber Hassen als unglücklich Lieben. "Ich hab' mir Sorgen gemacht! Wo bist du gewesen, verdammt man. Wieso hast du dich nicht gemeldet!" Shane klang besorgt und doch wütend, jedoch schwebte in seiner tiefen herrischen Stimme auch Freude mit. Freude die ich ihm gleich nehmen würde. Noch ein letztes mal saugte ich sein Anblick in mir auf, versuchte etwas von seinem unwiderstehlichen Duft zu erhaschen ehe ich die vielleicht größte Lüge in meinem gesamten Leben aussprach. "Ich war bei einem Freund und ich habe mit ihm geschlafen. Es tut mir Leid, Shane." Diese Worte brachte ich mit einer Leichtigkeit aus meinem Mund, das es mich selber schon erschreckte, doch wünschte ich mir das er mir nicht glaubte. Er sollte mich in seine starken Arme nehmen und sagen das alles wieder Gut würde. Mein äußeres blieb starr und kalt. Sah dabei zu wie Shane gerade zerbrach. Sah dabei zu wie er solch einen Schmerz durchlebte. Sah dabei zu wie der Glanz aus seinen Augen entwich. Ich wusste das er mir dies nicht verzeihen würde weshalb ich es ihm auch gesagt hatte. Das Innere in mir schrie, tritt und schlug gegen meine äußere Hülle, versuchte sich zu wehren und aus dem eiskalten Gefängnis auszubrechen. Doch es gelang ihr nicht. Keine einzige Träne sammelte sich in meinem Augenwinkel. Ich starrte nur gebannt in diese grünen, jetzt glanzlosen Augen und schrie. Innerlich.

SiblingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt