• Gesund ist nicht immer gleich besser •

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Gedankenverloren sah ich aus dem Busfenster und beobachtete die Bäume und Häuser die an mir vorbei zogen. Mittlerweile saß nur noch eine weitere Person in diesem Bus und ich muss zugeben das sie nicht besonders vertrauenswürdig aussah. Nicht das ich etwas gegen Punks oder Gothiks und den ganzen kram hatte aber so richtig wohl fühlte ich mich nicht. Die Sonne reflektierte auf dem Metall in seinem Gesicht und an seinem Körper, was ihn wie eine lebendige Discokugel aussehen ließ und mich blendete. Außerdem hatte er, mir persönlich einen äußerst erschreckenden und abstoßendenden Tunnel in seiner Backe. Ja ihr habt schon richtig verstanden: In seiner Backe! Ich fragte mich wir er essen und trinken sollte. Dieser Tunnel ermöglichte einen äußerst detaillierten Einblick auf seine Backenzähne. Wenn es wenigstens ein Plug gewesen wäre! Als wäre das nicht schon genug standen seine Haare wie Stacheln von seinem Kopf ab und wurden mit grüner Farbe misshandelt. Aber stellen wir diesen Fakt nun bei Seite und kommen auf das wesentliche zurück. Wie sollte ich mich bei Anthony entschuldigen?

Hey, Anthony sorry das ich bei unserem Treffen so abwesend war aber mein heißer Bruder hat mir mein Gehirn zu Brei verarbeitet und ich war zu beschäftigt damit mir auszumalen was er zu Hause mit mir alles anstellen würde!

Wenn ich noch ein paar wenige funktionierende Gehirnzellen habe müsste mir eigentlich klar sein das ich so etwas nicht zu Athony sagen kann. Welche Erklärung sollte ich ihm denn für mein Fehlverhalten liefern? Ich könnte ihn doch nicht bei einer Entschuldigung so dreist ins Gesicht lügen? Ich war allgemein kein Mensch für Lügen und erst recht nicht bei Freunden. Wahrscheinlich lag es auch einfach daran das ich es mir nicht leisten konnte Freunde anzulügen. Allein schon weil mir das Risiko erwischt zu werden viel zu hoch war und ich nicht eine große Auswahl an Freunden hatte bei denen ich es mir verspielen könnte.

Die metallische Stimme der Sprechanlage des Busses riss mich aus meinen Gedanken: Stadtsee

Wie auf Kommando fing mein Herz an schneller zu schlagen und meine Schweißdrüsen in meinen Händen verselbstständigten sich. Ich wusste nicht wie ich mich bei Athony entschuldigen würde, geschweige denn was ich zu ihm sagen würde oder besser, sagen könnte ohne das er mich für ein schwergestörtes schizophrenes kleines Golumwesen hält. In wenigen Minuten müsste ich ihm gegenüber treten und bis dahin sollte ich mir schleunigst etwas ausdenken.

Angestrengt ließ ich meine Gehirnzellen arbeiten und ich konnte förmlich die kleinen Zahnräder hören wie sie ratterten und all die kleinen Minimenschen die in meinem Kopf herum rannten und verzweifelt nach einer Lösung suchten sah ich vor meinem inneren Auge, ein bisschen wie bei Spongebob. Bei diesem Gedanken fing ich an zu schmunzeln, was mir jedoch schnell wieder verging als ich spürte wie der Bus langsamer fuhr und die Räder anschließend zum stehen brachte. Mit wackeligen Beinen zog ich mich an der Metallstange hoch und lief einen Schritt nach dem anderen. Meine schwitzigen Hände hinterließen einen Abdruck an dem dunkelblauen Rohr und ich sah schon förmlich den Schweiß daran hinunter fließen. Mit einem Zischen öffneten sich die gläsernen Türen und gewehrten mir somit auszusteigen. Langsam lief ich die Treppenstufen hinunter bis ich anschließend den Asphalt unter meinen Füßen spürte. Ich fragte mich wieso ich so furchtbar aufgeregt war und weshalb ich mich so anstellte. Ja ok, ich war noch nie die beste im sich entschuldigen aber richtig schwer viel mir so etwas nie. Zumindest noch nie so wie jetzt. Lag es vielleicht daran das ich wusste das ich ihn anlügen müsste? Das ich unser neu gewonnenes Vertrauen auf einer Lüge aufbaute? Ich hatte ein furchtbares Gewissen, nur falls ich mich jetzt drücken würde wusste ich das ich mir das nicht verzeihen könnte. Ich musste da jetzt durch egal was komme und jetzt wollte ich zur Abwechslung mal Größe beweisen und endlich mal eine Sache durchziehen. Fest entschlossen bog ich meinen Rücken durch und streckte meinen Kopf in die Höhe. Augen zu und durch. Schnellen Schrittes lief ich in den Park der, wenn ich mal nebenbei bemerken darf, im Spätsommer einfach traumhaft aussah. Die Dämmerung brach ein und der Himmel färbte sich vom strahlenden Blau ins gelb-rot-orange. Ein paar wenige Blätter verteilten sich auf dem Weg der aus hellem beige-farbenen Kies bestand. Links und rechts von dem geschlängelten Weg platzierten sich große Felsbrocken auf denen sich altmodische Lampen befanden. Um das ganze noch abzurunden strahlten all die Pflanzen in hellem gesunden grün und ein paar wenige Blüten sorgten für einen wunderschönen Kontrast. Das ganze wirkte einfach so märchenhaft und ich könnte mir in meinen rechten Zeh beißen das ich hier viel zu selten her kam.

SiblingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt