Kapitel 16

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Ich werde von einem Klopfen geweckt. Zwölf Uhr nachts. Wieso klopft Denise denn? Sie kann doch einfach reinkommen.

Also stehe ich auf und öffne die Tür. Doch nicht Denise, sondern Dean steht vor der Tür. "Hast du dich im Zimmer geirrt?", frage ich ihn. "Nein, aber meins ist belegt", grinst er. "Will ich es wissen?", möchte ich wissen. Er schüttelt den Kopf.

"Also könnte ich vielleicht hier schlafen oder sonst geh ich runter. Wäre auch kein Problem", dabei kratzt er sich am Hinterkopf. "Komm rein", meine ich. Ich setze mich aufs Bett und er gesellt sich zu mir. "Denise und mein Bruder also?", will ich dann doch wissen. "Jap, am knutschen. Ist das Okay für dich?", hakt er nach. "Ja klar, Denise hat schon mit mir geredet und Leon wird mir morgen bestimmt was sagen", meine ich.

"Darf ich dich was fragen?", kommt es dann von ihm. "Tust du das nicht schon", muss ich lachen und er stimmt mit ein. "Vorhin im Auto hast du geschlafen und Basti meinte ich soll mich von dir fern halten", während er das sagt muss ich meine Augen verdrehen. Das ist so typisch von ihm. "Naja, aufjedenfall hatte er erwähnt, das mich alle drei Brüder davon abhalten. Seit wann hast du drei?", fragt er mich. Kann Basti nicht einmal seine Klappe halten? Gott.

"Okay, Benny ist wohl mein Halbbruder", halte ich meine Antwort knapp. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände. Verwirrung. Ja, sieht bei mir nicht anders aus. "Krass, aber wir ist das möglich?", will er wissen. "Wenn ich das wüsste. Ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht. Ich will nichts über meine Mutter wissen", sage ich.

"Du bist wohl ziemlich sauer auf sie", stellt er fest. Ich lege mich aufs Bett. "Und wie, komm her, dann erzähl ich dir die ganze Geschichte", ich bin erstaunt, wie offen ich bei ihm bin. Normalerweise rede ich nie über meine Mutter, wirklich nie. Ich meine, am Anfang wollte ich viel reden, aber meine Brüder hatten so ein Hass. Irgendwann habe ich es gelassen und versucht alles zu verdrängen.

Er legt sich neben mich. "Du musst aber nicht, wenn du nicht willst", ist er verständnisvoll. "Vielleicht tut es mir mal gut", meine ich, obwohl ich mir dabei nicht so sicher bin. Ich vertraue ihm auf eine Art und Weise die ich sonst bei niemanden habe.

Ich schaue ihn an und beginne: "Es ist eine lange Geschichte. Ich fange mal von vorne an. Also es war an meinem sechsten Geburtstag. Meine Brüder haben mich geweckt und ja sie haben mir die Haar gekämmt und geflochten. Ich war damals wirklich eine kleine Prinzessin", bei dieser Errinerung muss ich lachen.

"Als wir unten waren habe ich gefragt, wo meine Mutter ist und ich glaube mein Vater wollte mir da schon die Wahrheit sagen, aber Basti hat ihn gleich unterbrochen und gesagt, dass sie arbeiten muss und abends kommt. Wir haben also den Tag im Zoo verbracht, Kuchen gegessen und was man halt so macht. Ich hab den ganzen Tag nach ihr gefragt und abends war sie immer noch nicht da. Ich hab mich mit meiner Decke vor unserer Tür gesetzt und gewartet. Aber sie kam nicht. Sie hatte meinen Geburtstag vergessen, so dachte ich damals zumindest.", ich mache eine kurze Pause.

"Mein Vater und meine Brüder kamen zu mir und haben mir erzählt, dass sie nicht mehr kommen wird. Sie ist einfach gegangen. Ich hab so geweint. Weißt du, ich habe sie so geliebt. Sie ist doch meine Mama, aber sie hat mich verlassen. Ich brauchte sie doch. Die ganze Nacht lang hab ich also geweint und ab da an habe ich mir geschworen nie wieder zu weinen. Aber die Frage warum sie mich verlassen hat bleibt seit Ewigkeiten bestehen. Es kam dann halt auch raus, dass meine Brüder mich belogen haben und ich war so sauer. Das glaubst du nicht. Sie haben mir geschworen, mich nie wieder anzulügen. Deshalb war ich auch so sauer, wegen Leyla und Basti. Da haben sie das Versprechen, dass erste Mal gebrochen", erzähle ich weiter.

Er schaut mich intensiv an. "Das tut mir Leid", flüstert er. Ich nehme instinktiv seine Hand und rede weiter:" Zehn Jahre habe ich also nichts mehr von ihr gehört. Meinen Geburtstag hasse ich seitdem. Er erinnert mich immer an sie und das will ich nicht. Und gestern stand sie dann da, in meinen Garten und stellt sich als Bennys Mutter vor. Ich wollte nur, dass sie geht und weißt du was meine Brüder getan haben?", ich schlucke einmal schwer.

"Sie wollten sie erklären lassen. Beide standen auf ihrer Seite. Jahrelang haben sie voller Hass über sie geredet und gesagt wir brauchen sie nicht. Und kaum ist sie da, ist alles vergessen? Ich kann und will das nicht. Ich kann ihr nicht verzeihen. Nicht Mal reden möchte ich mit ihr. Klar, könnte ich jetzt endlich die Antwort bekommen, aber vielleicht gefällt sie mir nicht. Sie soll einfach wieder verschwinden. Gerade bin ich über das Ganze einigermaßen hinweg gekommen", ich streichel dabei seine Hand. Irgendwie beruhigt mich das gerade. Bringt mich dazu, nicht total durchzudrehen.

"Ich versteh dich, wieso du sauer auf sie bist", sagt er.  "Das wäre ich wohl an deiner Stelle auch, aber du kannst vielleicht damit wirklich abschliessen, wenn du weißt warum sie gegangen ist. Du musst ihr nicht verzeihen, aber du hast Gewissheit", da hat er gar nicht so Unrecht. "Und warum bist du sauer auf Benny?", fragt er nach.

"Es hört sich sicher lächerlich an. Er hat ja nichts gemacht und kann auch nichts dafür, aber sie hat sich für ihn entschieden. Er hatte sie all die Jahre an der Seite und mich hat sie verlassen. Es ist blöd, dass ich es an ihn auslasse, aber ich kann nicht anders", bin ich ehrlich und es tut so gut, dass es raus ist. Ich schäme mich dafür, aber ich kann einfach nichts dagegen tun, wie bei Sara damals.

"Okay, klar auch verständlich irgendwie. Es tut mir so Leid für dich, dass du das alles durchmachen müsstest. Aber du solltest, wenn du so weit bist mit deinen Brüdern reden. Sie meinen es nur gut mit dir und das weißt du", sagt er und nun streichelt er meinen Arm.

Die Haut die er berührt hat beginnt zu Kribbeln und wird ganz heiß. Seine strahlend blauen Augen liegen auf mir und irgendwie ist nichts mehr von dem Bad Boy übrig.

"Danke, dass du mir zugehört hast. Es hat gut getan einfach alles rauszulassen. Ja, du hast wohl Recht, aber immoment tut es noch zu sehr weh", meine ich dazu.

"Und nun erzähl mir etwas über dich. Kann ja nicht sein, dass ich dir meine Lebensgeschichte erzähle, aber nichts von dir weiß", lenke ich vom Thema ab.

"Da gibt es nicht viel", meint er nur. "Echt jetzt", schaue ich ihn schräg an. "Okay, mein Dad war in der Army und vor 2 Jahren ist er bei einem Einsatz ums Leben gekommen", oh mein Gott, nicht sein Ernst. Schrecklich. "Das tut mir so Leid für euch", sage ich mitleidig.

"Ist schon okay, natürlich fehlt er mir immernoch, aber es ist besser geworden", erstaunlich dass wir uns zwei schon so stark vertrauen, nach so kurzer Zeit.

"Wieso mögen meine Brüder dich nicht?", diese Frage interessiert mich schon seit ich ihn das erste Mal gesehen habe. "Oh ehrlich gesagt, weiß ich das nicht so genau. Vielleicht, weil ich viel hübscher und cooler bin, als sie. Aber es könnte auch daran liegen, dass ich Basti ein Mädchen weggeschnappt habe auf die er stand und da wir Freunde waren, war das wohl nicht so cool",witzelt er.

"Ihr wart Freunde?", bin ich erstaunt. Wieso weiß ich davon nichts? "Ja ziemlich lange sogar. Von der ersten Klasse bis ich vierzehn war", klärt er mich auf. Krass. Heftige scheiße. Und wie konnte ich das nicht mitbekommen?

Wir reden noch ziemlich lange, bis uns vor Müdigkeit die Augen zu fallen.

TheaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt